Liebe im Yogastudio – (wie) kann das funktionieren?

Zwischen Liebe und Erleuchtung

Verhaltenskodexe zu Lehrer-Schüler- oder auch Chef-Angestellten-Beziehungen sind im Arbeitsleben und an Universitäten gang und gäbe. Manchmal werden sie sogar mit in Arbeitsverträge geschrieben. Meistens sind romantische Beziehungen verboten, ein Verstoß kann schwerwiegende Folgen haben. Mitunter wird auch nur davon abgeraten beziehungsweise werden Verhaltensregeln aufgestellt, sollte es doch zu einer solchen Beziehung kommen. Die American Counseling Association etwa verbietet intime Beziehungen zwischen Therapeut*innen und ihren Klient*innen, zu deren Partner*innen sowie zu Familienmitgliedern bis zu fünf Jahre nach der Therapie. Auch in Deutschland darf ein*e Therapeut*in keine Liaison mit einem*einer Patient*in eingehen.

Yoga- und Meditationspraktiken haben ebenfalls therapeutische und erzieherische Aspekte, wobei hier die Lehrer-Schüler-Dynamik aufgrund ihrer spirituellen Natur noch einmal besonders gefährlich ist: Spiritualität beinhaltet schon von ihrer Definition her das Nachdenken über und die Kommunikation von Seele und Geist. Allein das erfordert eine gewisse Offenheit, ein Vertrauen und ein Sich-fallen-lassen-Können. Dazu kommt, dass viele Menschen aus einer Verletzlichkeit heraus zum Yoga kommen und vielleicht seelische und emotionale Wunden heilen möchten. Empfindet ein*e Schüler*in dann bestimmte Praktiken tatsächlich als heilend, kann das schnell ein falsches Gefühl von Intimität hervorrufen.

Experten wie der Psychiatrie-Professor Vatsal Thakkar von der New York University’s School of Medicine nennen dies “Fehlattribution der Erregung”. “In solch einem hoch emotionalen und sehr körperbetonten Umfeld können Gefühle der Entspannung und Glückseligkeit auf eine bestimmte Person projiziert werden. Dazu kommt, dass bewusstes Atmen oder körperliches Training den Serotonin- und Dopaminspiegel erhöhen, was ähnliche Gefühle auslöst wie romantische Erregung, Liebe und Lust. Es ist dann oft nicht ganz einfach, die Ursache dieser Emotionen zu erkennen.”

© Yan Krukau / Pexels

Die Ethik des Yoga anwenden

Diese Erklärung bestätigt das, was ich ich selbst erlebt habe: Wenn mein Ex Meditationskurse leitete oder kraftvolle Dharma-Talks gab, konnte ich nie so genau sagen, was mich anzog: er selbst oder das spirituelle Erleben, das ich mit ihm assoziierte. Unsere Beziehung fühlte sich dadurch extrem bedeutend und sinnhaft an – und als wir uns trennten, war das, als hätte der Buddhismus selbst mich abgelehnt. Leider gab es in der Gruppe, in der wir uns kennenlernten, keinen Ethikkodex oder ein Gremium, an das ich mich im Nachhinein hätte wenden können. Doch im Grunde steht alles bereits in den alten Schriften: Der Yogaweg baut schließlich auf den Yamas und Niyamas auf, den ethischen Leitlinien, die das Fundament der gesamten Praxis bilden.

Das vierte Yama, Brahmacharya, wird traditionell sogar mit sexueller Enthaltsamkeit übersetzt, auch wenn wir es heute eher als Mäßigung oder Verantwortungsbewusstsein interpretieren. “Ohne die Einhaltung dieser ethischen Regeln oder Yamas, üben wir überhaupt kein Yoga”, findet auch Sri Dharma Mittra, Gründer des Dharma Yoga Centers in New York City. Auch im dritten Gebot des Buddhismus geht es um sexuelles Fehlverhalten, darum “sich im rechten Umgang mit den Sinnen zu üben”.

Mehr zu allen Yamas im Detail liest du hier…

Spezielle Richtlinien sollen helfen

Hala Khouri, die ein Schüler-Lehrer-Modul für die Yogalehrerausbildung entwickelt und die Non-Profit-Organisation Off the Mat, Into the World mitgegründet hat, gibt allerdings zu bedenken: “Nicht je­de*r Schüler*in kennt diese Gebote und im Unterricht werden sie auch nicht immer in einen verständlichen Kontext gesetzt.” Und je mehr Yogalehrer*innen mit wenig Erfahrung es gebe, desto mehr steige das Risiko, dass diese Rolle missbraucht werde, so Hala Khouri. Einige Gemeinschaften unternehmen mittlerweile Schritte, um Schüler*innen und Lehrer*innen besser zu schützen, indem sie Richtlinien und Checklisten einführen. Das soll Lehrenden helfen, ihre Gefühle zu sortieren, und Lernende davor bewahren, ihre Lehrer*innen zu vergöttern. Außerdem ermuntern sie dazu, Übergriffe zu melden, insbesondere natürlich offensichtlichen Missbrauch.

Die ethischen Regeln der Iyengar Yoga National Association der Vereinigten Staaten (IYNAUS) etwa besagen, dass Lehrer*innen “intime Beziehungen zu ihren Schüler*innen vermeiden sollen”. Ähnliche Richtlinien gibt es im Spirit Rock Insight Meditation Center, in der Against the Stream Buddhist Meditation Society und in buddhistischen Theravada-Gemeinschaften. Dort wird Lernenden geraten, das Studium bei einem Lehrer oder einer Lehrerin mindestens drei Monate, bevor sie sich auf eine romantische Beziehung einlassen, zu beenden.

“In unseren Trainings verbieten wir das Daten von Schüler*innen und ermuntern Lehrende, mit langjährigen Gemeinschaftsmitgliedern zu sprechen, wenn sie eine sexuelle oder romantische Anziehung verspüren”, berichtet Meditationslehrer Dave Smith, Gründer der Against-the-Stream-Zweigstelle in Nashville. “Dadurch können sie ihre Gefühle abseits der Yogamatte verarbeiten und Verantwortung dafür übernehmen. Das Yogastudio ist keine Partnervermittlung!” In Deutschland gibt es an vielen Yogaschulen und in vielen Studios ähnliche Bestrebungen.

Denn unangemessene Beziehungen beeinflussen nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern alle im Raum, erklärt Noah Levine, Autor des Buches “Dharma Punx” und Gründer der Against the Stream Buddhist Meditation Society. “Selbst wenn du nur Zeuge einer solchen Entwicklung wirst, kann dich das unsicher machen und beunruhigen, weil du dich vielleicht fragst: Wer ist der oder die Nächste?” Ein Meditationsschüler habe ihm mal gesagt: “Ich habe mich zwar nicht selbst mit meiner Lehrerin eingelassen, aber ich wusste, dass sie manche ihrer Schüler gedatet hat – und das beunruhigte mich. Das Studio sollte ein heiliger Raum sein. Ich habe allerdings nie etwas gesagt.”

Es kann auch funktionieren…

Andererseits ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass das Yogastudio ein guter Ort ist, um eine*n Partner*in zu finden, schließlich kommen hier Gleichgesinnte zusammen. Und tatsächlich gibt es auch Beziehungen, die funktionieren – vorausgesetzt, man ist sich sehr bewusst, worauf man sich einlässt. “Mein Ehemann war Senior Teacher an der Schule, an der ich mich ausbilden ließ”, berichtet zum Beispiel Sara Schwartz, eine Yogalehrerin aus Los Angeles.

In dieser Podcast-Folge teilt Barbra Noh ihre Gedanken zum Thema und dass sexuelle Beziehungen von Lehrenden und Schüler*innen nicht automatisch Machtmissbrauch bedeuten müssen, sondern durchaus auch einvernehmlich zwischen Erwachsenen entstehen können...

Auch an dieser Schule gab es eine strikte “Date nicht deinen Lehrer!”-Regel, aber die Verbindung, die beide spürten, ließ sich einfach nicht leugnen, und so überlegten sie schließlich, was sie tun konnten. “Wir warteten ab, bis die Ausbildung vorbei war, außerdem sprach mein Mann mit dem Studiomanager, bevor wir zum ersten Mal miteinander ausgingen. Yoga hat uns zusammengebracht.”

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