Auch David Frenk, ein Yogastudiobesitzer aus Minneapolis, lernte seine Partnerin Megan kennen, als sie vor einem Jahrzehnt sein Schützling in einem Ausbildungsprogramm war. Doch obwohl der Funke sofort übergesprungen war, warteten beide nach der Ausbildung sechs Monate, bis sie sich auf ein erstes Date einließen. “Diese Pause war wichtig für uns. Mittlerweile haben wir eine Familie gegründet und betreiben mehrere Studios zusammen. Unseren Auszubildenden bringen wir bei, dass oberflächliches Daten nicht okay ist. Wenn du aber spürst, dass es da jemanden gibt, mit dem du dir eine ernsthafte Beziehung vorstellen kannst, dann ist das etwas Anderes. Beziehungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen können sich auf diese Weise wandeln.”
Meine Intuition hatte mich seinerzeit davor gewarnt, meinen Meditationslehrer zu daten, aber dennoch verliebte ich mich in ihn und hatte das Gefühl, es “durchziehen” zu müssen. Ich erkannte nicht, wie naiv ich war, als ich mein Hingezogen-Sein zu ihm mit meiner Begeisterung für sein Lehren verschmolz. Im Nachhinein wird mir bewusst, dass ich damals nicht richtig für mich selbst einstehen konnte. Ich realisierte nicht, dass er das Machtgefälle zwischen uns hätte ansprechen können – ja, hätte ansprechen sollen! Ich bereue diese Erfahrung zwar nicht, wünschte aber, ich wäre damals informierter gewesen und besser beraten worden. Allein das Darüber-Sprechen hat mir geholfen, mich nicht länger isoliert zu fühlen, sodass ich es schließlich doch wagte, eine neue Buddhismus-Klasse zu besuchen. Auch mein eigenes Unterrichten fällt mir leichter, seitdem ich klare ethische Richtlinien im Kopf habe.
Hala Khouri fasst es so zusammen: “Egal, wie deine Meinung zu dem Thema ist – wichtig ist, dass Kommunikation stattfindet. Wenn wir etwas nicht benennen, können wir uns damit nicht auseinandersetzen.”
Verliebt – und jetzt?
Wenn du dich zu jemandem hingezogen fühlst, der eine Yogaklasse leitet, dann ist es wichtig, sich der Situation, in der ihr euch befindet, sehr bewusst zu sein und auf größtmöglichen Respekt und Schutz aller Beteiligten zu achten – innerhalb der Beziehung und innerhalb der Gemeinschaft. Und zwar so:
1. Setze Grenzen!
“Wenn sich Gefühle zwischen Lehrenden und Lernenden entwickeln, ist es am besten, sich eine andere Gruppe zu suchen”, rät Judith Hanson Lasater. So wahrt man seinen eigenen heiligen Raum für Spiritualität und verliert bei einer Trennung nicht auch gleich das, was einem am besten helfen kann. Auch wenn der Wechsel zu einem anderen Lehrer nicht möglich ist, sei es wichtig, die Schüler-Lehrer-Dynamik zu beenden. “Hier liegt die Verantwortung beim Lehrer, denn er ist derjenige, der die Macht hat”, führt Dave Smith aus. Ein offenes Gespräch über die Situation ist vielleicht unangenehm, aber ganz wesentlich.
2. Erstelle einen Ethikkodex – und setze ihn durch!
Um Missbrauch zu vermeiden, sollten Lehrer*innen und Ausbilder*innen Richtlinien festlegen, findet Mike Patton, Mitbegründer von Yoga Vida in New York. “Wir haben nicht nur einen Verhaltenskodex in unser Teacher-Training-Handbuch aufgenommen, wir verlangen auch von sämtlichen Lehrer*innen und Auszubildenden, einen Vertrag zu unterschreiben, der romantische und sexuelle Beziehungen zu Schüler*innen verbietet.” Judith Hanson Lasater glaubt, dass Regeln alleine nicht ausreichen. Wichtig sei auch, dass auf ihre Missachtung Konsequenzen folgen, wie etwa eine Suspendierung. Zudem müsse es eine Meldestelle geben, an die sich Schüler*innen wenden können, und Lehrer*innen bräuchten eine Beratungsstelle, wenn sie sich zu einem ihrer Schützlinge hingezogen fühlen.
3. Werde philosophisch!
Auch wenn wir Yoga weiter modernisieren, die ethischen Grundlagen, die Yamas und Niyamas, haben nichts von ihrer Bedeutung verloren, findet Dharma Mittra. Doch man könne auch andere philosophische Konzepte hinzuziehen, wenn Liebe und Spiritualität aufeinander treffen, etwa Viveka aus dem Jnana Yoga, die Unterscheidungskraft.
4. Sprich darüber!
In spirituellen Gemeinschaften sollten offene Gespräche über die Ethik und Machtdynamik von Schüler-Lehrer-Beziehungen möglich sein, auch in Teacher Trainings sollte man die Diskussion darüber einbeziehen. Das Schlimmste sei Schweigen und Geheimhaltung, glaubt Dave Smith. “Das Sprechen über die Problematik ist essenziell. Ich habe über solche Beziehungen nicht nachgedacht, bis ich selbst in einer steckte. Als sie endete, verschwand ich aus der betreffenden Community und blieb lange stumm. Doch in mir brodelten tausend Fragen. Schließlich sprach ich endlich doch darüber und war fassungslos, wie viele Menschen Ähnliches (oder viel Schlimmeres) erlebt hatten und darunter sehr litten. Viele von uns waren mit ihren Fragen allein geblieben und hatten in ihrer Gemeinschaft keinerlei Unterstützung erfahren.”
SARAH HERRINGTON ist Autorin mehrerer Yogabücher und schreibt unter anderem für die New York Times.
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