Ein starker Charakter mit starken Meinungen und einer wunderbaren Stimme: Nahko Bear, mit puertorikanischen, indianischen und philippinischen Wurzeln in Oregon geboren, ist Musiker und Aktivist. Gemeinsam mit seiner Band „Medicine for the People“ setzt er sich engagiert für die Umwelt ein. Im Oktober letzten Jahres erschien sein erstes Soloalbum. Die Songs darauf hat er in seiner Jugend geschrieben – kurz bevor sein Leben eine große Wende nahm. Im Interview mit Redakteurin Anika Kedzierski erzählt der Musiker, was ihn damals geprägt hat und wie er versucht, eine bessere Zukunft zu schaffen.
Über der Bühne des Münchener Technikums hängt ein rundes Banner mit einem Teddy, der auf einer Blumenwiese steht, über ihm der Sternenhimmel. Davor sitzt Nahko Bear an einem Keyboard, auf dem die Worte „Be Here Now“ zu lesen sind. Auf einem Holzregal lehnt ein zerzauster Teddybär an einer Stehlampe – das erste Geschenk von Nahkos Adoptiveltern. Der Teddy heißt nicht Bär sondern Britches und er ist das Symbol der Tour „My Name Is Bear“, die im Oktober mit der Veröffentlichung des gleichnamigen Albums begonnen hat. Hintergrund dieser Platte ist eine wichtige Zeit in Nahkos Leben. Die Zeit, bevor er mit 21 seine leibliche Mutter traf, sich in Hawaii nieder ließ und „Medicine for the People“ gründete.
Nahko, dein Name ist Bär. Ist das tatsächlich so oder nur ein Spitzname?
Nahko ist mein Geburtsname und der bedeutet übersetzt „Bär“. Genau genommen bedeutet Nahko Bear also „Bär Bär“. Meine Adoptiveltern nannten mich David, behielten Nahko aber als zweiten Vornamen. Als Jugendlicher setzte ich mich immer mehr mit meinen indigenen Wurzeln auseinander und kehrte schließlich zu Nahko zurück. Das war ein erster Schritt auf der Suche nach meiner Identität. Den Namen hat meine Großmutter mir gegeben. Damals hat sie sicher nicht geahnt, was für ein Bär später aus mir werden würde.
Diesem Namen hast du nun ein Album und eine ganze Tour gewidmet. Die Lieder erzählen von deiner Jugend. Was hat dich in dieser Zeit geprägt?
Die Lieder habe ich geschrieben, als ich zwischen 18 und 21 Jahre alt war, kurz nachdem ich meine Heimatstadt Portland in Oregon verlassen hatte und in die Welt gezogen war. Ich hatte eine schöne Kindheit, wurde zuhause unterrichtet und bin sehr religiös und behütet aufgewachsen. Als ich auszog, lernte ich schnell, was die Welt noch zu bieten hat. Dazu gehörten die Schattenseiten des Lebens genauso wie die magischen Momente. Ich zog von Ort zu Ort, machte erste Erfahrungen in der Liebe, erlebte erste Verluste, entwickelte aber vor allem eine Liebe zum Leben „on the road“… Das Album erzählt also meine Geschichte vom Erwachsenwerden.
Wieso teilst du diese Geschichte erst jetzt?
Ich habe lange auf den richtigen Moment gewartet. Es hat zwölf Jahre gedauert, aber immerhin, ich habe es gemacht. Die Zeit habe ich gebraucht, um mir zu überlegen, wie ich dem Rest der Welt von diesen Erfahrungen erzähle. Außerdem können wir dem nächsten „Medicine“-Album so mehr Zeit widmen.
Wenn du sagst, du hast überlegt, wie du der Welt von dieser Zeit erzählst: Meinst du damit auch deine Erfahrungen mit Drogen, von denen du in einigen Liedern sprichst?
Die Jugend ist wild und oft auch seltsam. Man probiert sich aus. Es war eine aufregende Zeit, in der viel passiert ist, was ich verarbeiten musste. Ich hätte schnell den Boden unter den Füßen verlieren können, behielt aber immer eine gesunde Selbstkontrolle und habe es bis hierher geschafft. Von daher: Ja, die Erfahrungen mit Drogen haben meine Lieder sehr beeinflusst, da ich mich in der Zeit weiterentwickelt habe. All die Gebete und Mantras, die mir in den Kopf gegangen sind, haben mir eine neue Sichtweise ermöglicht – zum Beispiel dafür, wie wichtig Mitgefühl und Vergebung sind.
Entstanden ist damals auch die Band „Medicine for the People“ – Medizin für die Menschheit. Hast du das Gefühl, deine Musik heilt dein Publikum oder auch dich selbst?
Ja, absolut. Ich habe diese Verwandlung bei mir selbst erlebt, beobachte aber auch immer wieder Menschen, die sich durch die Musik direkt vor meinen Augen verändern. Lieder haben einen geheimnisvollen Einfluss. Durchlebst du eine schwere Zeit, kann dir ein Lied helfen, dich damit auseinanderzusetzen, dich zu heilen und schließlich zu verwandeln. Hörst du es einige Monate später wieder, kann es eine ganz andere Bedeutung haben und trotzdem dazu beitragen, dass du dich weiterentwickelst.
Inwieweit hat Yoga in deiner Entwicklung eine Rolle gespielt?
Yoga hat tatsächlich eine große Rolle gespielt. Ob in Form von Praxis oder im Sinn von Gemeinschaft – Yoga hat mich auf der ganzen Welt begleitet. Ich war etwa 19 Jahre alt, als ich mich zum ersten Mal damit auseinandersetzte. Damals war ich auf Hawaii. Yoga hat mich daran erinnert, dass ich einen Körper habe und dass dieser Körper mit meiner Seele verbunden ist. So habe ich mich durch Yoga besser kennengelernt – durch Yoga und durch Surfen…
Du bist generell sehr naturverbunden. Fehlen dir Yoga und Surfen wenn du unterwegs bist? Oder wie bewahrst du deine innere Ruhe?
Das stimmt, ich bin mit Landwirtschaft aufgewachsen und habe selbst zwei Pferde. Wenn ich also nicht gerade Musik mache, findet man mich auf dem Pferderücken oder auf dem Surfbrett. Während der Tour habe ich den Morgen meist frei und nutze die Zeit für Yoga, laufe oder tanze – ich bewege mich einfach gerne. Die Yogapraxis ist einer der Aspekte, die mich mit der Natur verbinden. Ansonsten bin ich so oft wie möglich im Freien, springe ins Meer oder verbringe Zeit mit Tieren – im Gegensatz zum Wasser findet man die überall.
Naturschutz und eine bessere Zukunft für die Jugend liegen dir am Herzen. Gemeinsam mit deiner Band hast du dir eine große Community, den „Medicine Tribe“, aufgebaut. Wie nutzt ihr diese Plattform, um aktuelle Themen anzusprechen?
Ja, das stimmt. Wir kommunizieren aktuelle Themen, die mit Politik, Umwelt oder unserer Gesellschaft zu tun haben, meist direkt über die Musik. Manchmal widmen wir wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen oder Umwelt-Themen eine ganze Tour. Egal wo ich bin, arbeite ich gerne mit indigenen Künstlern zusammen. So erhält sich unsere Kultur und bleibt relevant für den Rest der Welt.
Du bist Musiker, beschreibst dich aber auch als Aktivist. Bei welchen Projekten mischst du zur Zeit mit?
Vor Kurzem fand der zweite „Run 4 Salmon“ in Nordkalifornien statt. Der Lauf dauert drei Wochen und führt entlang der 500 Kilometer langen Strecke, die die Königslachse früher zurücklegten, um zu den nördlichen Flüssen zurückzukehren. Äußere Einflüsse haben Gewässer und Wälder zerstört und die Zahl der Lachse stark verringert. Gemeinsam mit dem Winnemem-Wintu-Stamm kämpfe ich dafür, dass das Ökosystem wiederhergestellt wird und die Lachse zurückkommen können. Dieses Projekt hat viel erreicht und mein Leben verändert. Ich bin auch im Vorstand der Organisation „Honor the Earth“. Momentan kämpfen wir gegen den Ausbau der Ölpipeline Keystone XL. Nächstes Jahr wird es auch wieder das Nahko-Stipendium geben, das junge Native Americans in Sommercamps nach Hawaii schickt.
Das heißt, 2018 ist bisher ein spannendes Jahr. In einem Satz zusammengefasst: Welche Botschaft gebt ihr uns mit auf den Weg?
Im Großen und Ganzen ist es ein soziales Experiment. Wir wollen sehen, inwiefern unsere Musik eine Generation beeinflussen und aufwecken kann. Sei bewusst du selbst und gute Dinge werden kommen. Ich würde es in etwa so formulieren: Mische mit, bilde dich weiter und sei offen für Veränderungen.
Anika Kedzierski konnte kaum glauben, dass ihre Redaktionskolleginnen weder Nahko noch „Medicine for the People“ kannten. Mission erfüllt: Mittlerweile lieben ihn alle und seine kraftvollen, melodischen Songs sind aus dem Redaktionsalltag zur Zeit kaum wegzudenken.