In den Augen anderer wart ihr vielleicht das perfekte Pärchen. Aber im Erwachsenenleben verlieren manche Dinge ihre Magie. So auch Beziehungen. Und es ist ok, sich nach einer Trennung weiter zu entwickeln.
Trennungen sind niemals leicht, egal, wer sich trennt. Sie führen zu mehr Angst und Zweifel in so vielen Bereichen unseres Lebens. Zudem können sie auch dazu führen, dass wir unsere Identität hinterfragen. Wie konnten wir bei sowas wichtigem so falsch liegen? Wir können uns dadurch so fühlen, als würden wir den Boden unter unseren Füßen verlieren.
Vor zwölf Jahren, als meine erste Ehe endete, fand ich mich plötzlich in einer seltsamen und unbekannten Welt wieder. Bis dahin hatte ich die meiste meiner Zeit als Erwachsene als Paar verbracht und plötzlich war ich… alleine. So fühlte es sich jedenfalls an. Während meiner Scheidung verschwanden Menschen aus meinem Leben, von denen ich dachte, sie würden immer darin sein. Andere gaben mir nur unklaren Rat. Manche entschieden sich für eine Seite oder waren einfach still.
Aber irgendwo tief in mir hatte ich das Gefühl, dass ich da ganz wieder rauskommen würde. Mein ganzes Erwachsenenleben hatte ich Rollen gespielt: Mutter, Ehefrau, Schwiegertochter, Studentin, Angestellte. Und inmitten dieser mehr als chaotischen Trennung hoffte ich, dass ich mich selbst wieder finden würde. Tatsächlich hat jedes große Lebensereignis – selbst schwere – die Möglichkeit, dass wir uns neu einstellen und neu verbinden. Das sagt auch Elizabeth Rowan, eine Yogalehrerin und Coach, die sich selbst scheiden ließ.
Ich bin eine große befürworterin davon, im Dunkeln zu Tappen, wo wir entdecken können, was wir weggeschoben haben, wovon wir aber lernen könnten.
Elisabeth Rowan
Für Heiler*innen wie Rowan sind Achtsamkeit, Yoga und Meditation Geschenke. Eine kollektive Weisheit, die aus den Erfahrungen von zahllosen anderen Personen gezogen wurde. Auch die anderen haben ihren Weg zurück zum Licht gefunden. In ihrer Essenz lehren uns diese Werkzeuge, dass die wahre Kraft in uns selbst liegt. Ganz egal, was das Leben uns vorsetzt. Darum geht es doch in jeder einzelnen Yogasession – dass das Atmen durch Widerstände hindurch uns resilient macht? Dass es immense Stärke erfordert, dort Stille zu finden, wo es unangenehm ist? Dass jede Praxis etwas größerem als uns selbst dient? Aber wie können wir diese Techniken in Zeiten von Chaos und Trennung nutzen?
Natürlich ist jede einzelne Trennung einzigartig. Aber eine überraschende Anzahl von Emotionen und Erfahrungen, die wir während des Lösens von der Partnerschaft erleben, sind gleich. Unabhängig von Geschlecht oder Alter. Das sind gute Neuigkeiten: egal, wo wir uns im Prozess befinden, können wir vom Wissen aller profitieren. Durch Yoga und Meditation können wir Einsichten durch die Erfahrungen von zahllosen Menschen vor uns gewinnen. Von allem Schmerz und aller Freude der menschlichen Erfahrung. Ihr Geschenk – an uns überliefert durch die Philosophie und Praxis – ist, dass wir im Unglück Frieden erleben können. Ihre Lehren bestärken uns darin, dass alles, was wir fühlen, schon von jemandem anderen gefühlt wurde. Sie erinnern uns daran, dass auch das vorübergeht. So nutzen wir Achtsamkeit, um durch schwierige Zeiten zu kommen. Weil die Art und Weise, wie du die schwierige Zeit managest, bestimmt, wer du danach bist.
Heilt Zeit alles Wunden?
Hätte ich nur damals das gewusst, was ich jetzt weiß. Wenn ich damals so eine intensive Yogapraxis gehabt hätte, hätte ich verstanden, dass die Zeit auf meiner Seite ist. Dass Kraft in der Pause liegt. Schmerz gehört zum Leben dazu, genauso wie Freude. Ich musste erst lernen, mir selbst Raum für Wut, Angst und Verletzung die Erlaubnis zu geben. So hätte ich meine Verwirrung anerkannt und meine Scham hinterfragt. Außerdem wäre mir klar gewesen, dass ich niemals alleine bin. In jedem einzelnen Moment gibt es um mich herum Menschen, die sich beginnen zu sich trennen, mittendrin sind, davon heilen oder weiterziehen.
Wie lange auch immer die Trennung dauert – und besonders Scheidungen sind wie ein Marathon – irgendwann bist du da durch. Versprochen. Und wenn du dich dazu entscheidest, mit Achtsamkeit vorzugehen, erinnere dich daran. Es geht nicht darum, da mit möglichst viel Besitz rauszugehen. Messe dein Leben nicht daran. Durch jede negative Erfahrung – die Tränen, die Wut, die Entdeckungen – kannst du stärker werden. Mehr Resilienz und Selbsterkenntnis erlangen. Um Frieden zu spüren, Wissen zu erlangen und eine Gemeinschaft zu bilden, die dich durch den Rest deiner Tage begleitet. Stahl ist im heißesten Feuer geschmiedet. Du wirst dich biegen, nicht brechen.
Lass uns den Sinn dahinter erkennen!
Es liegt einfach nicht an dir! Eine langjährige Beziehung zu beenden kann sich verrückt anfühlen. Trennungen betreffen unsere ursprünglichsten Emotionen. Von Geburt an hing unser Überleben von starken Beziehungen ab. Vor allem zu Familie und Freund*innen, die im Gegenzug zu Liebe ihre Ressourcen und Weisheit mit uns teilten. Sie ernährten uns und wir sind gediehen. Diese Beziehungen sind “so entscheidend für unser Überleben als Spezies, dass unser Sicherheit mit dem Gefühl des Dazu-Gehörens verbunden ist.” So erklärt die Psychologin und Scheidungsberaterin Lisa Gabardi, PhD.
Wenn wir Lebenspartner*innen wählen, bilden wir eine tiefe emotionale Verbindung. Wenn diese endet, dann werden wir gezwungen mit dem Verlust so einer ursprünglichen Bindung umzugehen. So zeigen das auch Statistiken. Egal, ob die Beziehung gesund war oder nicht, eine Reaktion der Panik wird dadurch getriggert. Wir sind darauf programmiert, überlebenswichtige Beziehungen einzugehen. Diese zu verlieren kann sich wie das Ende anfühlen, erklärt Gabardi. Deshalb tun und sagen wir dann Sachen, die wir nie für möglich hielten. Zudem ist die Trennung einer Liebesbeziehung ein besonderer Verlust, denn die Person ist nicht gestorben. Wir sind immer noch im Leben voneinander und müssen mit ihnen umgehen, ob wir wollen oder nicht.
Fliehen bringt nichts
Außerdem schüren die Prozesse der Scheidung das Gefühl der Fight-or-Flight Reaktion. Während wir immer noch den Verlust von der*m Partner*in verarbeiten, müssen wir über unser Vermögen, die Zeit mit unseren Kindern und unser Zuhause verhandeln. Diese limitierten Ressourcen musst du mit der Person besprechen, die du eigentlich nie wieder sehen willst. Wahrscheinlich bist du auch überrascht, wie schnell eine geliebte Person zu einer feindlichen werden kann. Ich habe damals Streitschlichtung vorgeschlagen, weil ich hoffte den Stress und die Kosten mit Jurist*innen zu minimieren. Aber als wir uns mit dem Mediator in der Mitte gegenüber standen, hatte ich Probleme damit, für mich selbst einzustehen. Obwohl mein Ex immer fair war, kämpfte auch er hier verständlicherweise über seinen Anteil. Dabei gab es niemanden, der mich schützen und für mich sorgen konnte. Dadurch fühlte ich mich noch mehr alleine als je zuvor. Zudem überfiel mich die Panik. Also nahm ich mir eine Anwältin.
Davon musste ich mich jahrelang erholen. Ich hatte Probleme damit, in mir selbst Stabilität zu finden. Dadurch wurde ich ungeduldig bei meiner Arbeit und als Mutter. Ich wollte so sehr alles alleine schaffen, dass ich mich heute kaum an die Zeit erinnern kann. Zum Glück muss es so nicht sein. Das Geheimnis dahinter, wie man während Veränderung und Heilung gesund bleibt, ist zuerst den Boden unter sich zu finden. Lass dich tragen, rät Rowan. Egal ob Tag oder Nacht, gib dir die Erlaubnis zu pausieren und zu verstehen, dass der aktuelle Moment nicht alleine steht. Es geht nur hoch, wenn es auch runter geht. Nur Licht mit Schatten.
Hier hilft kein “Good vibes only”, sondern nur das Anerkennen von allen Gefühlen. “Wir müssen die natürlichen Zyklen der Natur anerkennen. Was es wirklich bedeutet, Mensch zu sein. Ich bin nicht dafür, dass du auf dem Supermarktparkplatz zusammenbrichst, aber ehre die unvermeidliche Wut, die immer mit einer Trennung kommt. In jeder Trennung brauchst du Klarheit. Die gute Nachricht ist, dass wir in dieser Welt als nackte und wehrlose Tiere überlebt haben, weil das Problemlösen unsere Natur ist. Am Ende des Tages ist eine Trennung auch nur das Lösen eines Problems. Dabei wird die Kontrolle deines Atems zu deiner Superkraft werden. Bei Menschen kann das Gefühl von Gefahr eine automatische Körperreaktion hervorrufen. Dabei wird unsere Atmung kürzer und schneller; das Adrenalin steigt.
Durch die Panik fokussieren wir uns so sehr, dass unser Gehirn nur noch auf der primitivsten Stufe funktioniert. Dazu gibt es viel Recherche. Angst führt dazu, dass kognitive Funktionen eingeschränkt sind. Dazu gehören Erinnerung, Sprache, komplexere Wahrnehmung, Orientierung, Aufmerksamkeit, Entscheidungs- und Planungsfähigkeit. Wenn wir Angst haben, provoziert oder bedroht werden übernimmt unsere Amygdala. Sie sorgt dafür, dass wir alle Bedrohungen erkennen und wegrennen können, falls der Bär attackiert. Natürlich ist diese Reaktion nützlich, aber in der modernen geht man mit den meisten angstgefüllten Situationen wie einem Test, einer Deadline, oder einer Scheidung, mit einem kühleren Kopf um.
Deshalb sollten wir unsere Amygdala mit regelmäßiger Meditation und Atemübungen beruhigen. So kann der rationale Teil des Gehirns die Verhandlungen übernehmen. Mach eine Pause, wenn das Telefon klingelt. Frage dich: passt es gerade? Hast du den mentalen Platz dafür, damit umzugehen? Bist du geerdet genug, um fokussiert zu bleiben? Wenn nicht, lass den Anrufbeantworter rangehen. Wahrscheinlich war es nichts, was du jetzt sofort entscheiden musst. Dasselbe gilt für Emails. Ich schlage vor, dass du dir einen gesonderten E-Mail Account für die Scheidung erstellst. Lass alle Nachrichten von deinen Anwält*innen, deinem Partner und deiner Schwiegermutter darauf umleiten. Jetzt kannst du kontrollieren, wann und wie du damit umgehst.
Durch Ausprobieren wirst du rausfinden, wann deine Zeit des Tages dafür ist. Vielleicht wenn du noch auf dem High des Workouts schwebst. Vielleicht auch nach deiner entspannenden Yoga-Praxis. Jedenfalls wird es Zeiten geben, wo du direkt zurückfeuern möchtest. Nimm dich zurück. Erinnere dich daran, dass die Reaktion aus Panik nicht von der besten Version dir selbst kommt. Stattdessen gib dir Raum, damit die Panik sich legen kann. Atme tief, nimm ein Bad oder mach einen Spaziergang und lass die Amygdala sich beruhigen. So kann sie nicht die Steuerung über wichtige Entscheidungen übernehmen. Du musst jetzt strategisch vorgehen. Nun ist es an der zeit, das nächste Kapitel zu schreiben.
Bekämpfe die Scham
Im Chaos meiner Scheidung ist ein Tag besonders prägnant. Kurz vor Thanksgiving war ich in einem Supermarkt, um irgendetwas zu Abendessen zu kaufen. Ich ging über den Parkplatz und plötzlich war ich von perfekten Familien umgeben. Ihre Einkaufswägen waren voll von Truthahn und Süßkartoffeln und Kuchen. Das erste Mal sah ich von außen auf mein Leben als Erwachsene. Ich war Single und meine Kinder waren woanders. Ich lebte nur in einem kleinen Appartement, war arbeitslos, finanziell schlecht aufgestellt. Also ungesteuert und alleine. Meine innere Stimme sagte mir, dass ich alles ruiniert habe. Du hast deine Familie zerstört. Du wirst nie wieder glücklich sein, du verdienst es ja auch nicht. Schäme dich! Ich fuhr wieder weg, ohne etwas zu kaufen. Weinend und schmerzend nach allem, was ich verloren hatte.
Damals wusste ich noch nicht, dass es sich dabei um die grausamste aller inneren Stimmen handelte. Sie kann alle normalen Gefühle in grausamste Selbstverachtung umkehren. Die Stimme ist clever und hat Durchhaltevermögen. Außerdem sind wir davon überzeugt, dass diese Stimme nur unser Bestes im Sinn hat. Dass wir durch all die Scham zu gut erzogenen Menschen werden. Allerdings ernährt sich die Stimme von unseren größten Ängsten: wir wären abnormal und eigentlich schreckliche Personen. Unser Glück würde zum Leid aller anderen werden.
Wo hat die Wut ihren Platz in der Trennung?
Aber das stimmt einfach nicht. Uns selbst fertig zu machen nützt niemandem was. Auch die Yogalehrerin Elizabeth Rowan kennt diese leise Scham. Der Trick liegt darin, sagt sie, die gemischten Gefühle zu umarmen und zu erkennen, wann die Scham sich einschleicht und dich schlecht fühlen machen will. Denn die Scham weiß, wann wir am verletzlichsten sind. Sie zu erkennen ist der ersten Schritt darin, alle Emotionen zu verarbeiten. Denn sie sind normaler Teil des Prozesses einer Trennung. Wut, Angst, Hoffnung, Zweifel, Freude. Sogar das lauernde Gefühl des Versagens, weil du diese Beziehung nicht retten konntest. Also konntest du sie eben nicht retten. Und jetzt? Das gehört der Vergangenheit an.
Was auch immer zum Ende der Beziehung geführt hat, akzeptiere, dass es vorbei ist und erlaube dir, dass die Heilung beginnen darf. Das ist alles Teil der Lebensreise. “Ehre die heilige Wut, die verändernde Energie, und die Verletzung“, sagt Rowan. Lass die Emotionen durch dich fließen. Erkenne sie und lass sie dann gehen. Erinnere dich daran, dass sie nicht für immer sind.
Mini-Mediation fürs Hier und Jetzt
- Bemerke, wenn du vom Thema besessen bist, dich in Rage verlierst, oder in Sorgen – oder einem Gedankenkreis der Angst – versinkst.
- Schließe deine Augen und nimm einen tiefen Atemzug, bringe deine Aufmerksamkeit zurück in den gegenwärtigen Moment.
- Konzentriere dich auf Elemente in deiner Umgebung um dich zu erden. Lass deine Fingerspitzen sich berühren. Fühle deine Füße, wie sie fest auf dem Boden stehen und die kühle Luft in deinen Nasenflügeln wie du einatmest. Das ist das Versprechen, dass ein neuer Weg auf dich wartet. Fühle die warme Luft bei der Ausatmung austreten und damit atmest du auch alle verbleibende Negativität aus.
- Sag zu dir selbst: “Ich glaube an meine innere Stäre und meine natürliche Fähigkeit zu heilen. Ich werde durch diese schwierige Zeit durchkommen. Ich bin in diesem Moment sicher.”
- Antworte: “Alles ist in Ordnung, hier und jetzt.”
Tauche noch tiefer in deiner Yogapraxis!
Für viele, mit denen ich gesprochen habe, war Yoga vor ihrer Scheidung eher ein Teil der körperlichen Praxis. Alice Schlegel – Mutter, Wissenschaftlerin, Yogalehrerin – war mit ihrem ersten Mann von Alabama hinaus in den Staat Washington gezogen. Sie war dort einem Yogastudio beigetreten, um in Form zu bleiben und neue Menschen zu treffen. Dann brach ihre Beziehung auseinander. Ihr Yogastudio wurde dann für Schlegel ein sicherer Ort, wo sie sich auf sich selbst konzentrieren konnte. “Ich fühlte mich in meinem Haus nicht wirklich zuhause, weil dies auseinanderbrach.”
Sie sprach nicht mit anderen über ihre Scheidung, denn sie wollte Yoga unangetastet lassen. “Niemand beim Yoga kannte meinen Exmann. Dadurch wurde Yoga zu MEINEM Platz, um ich selbst zu sein. Ich musste nicht damit rechnen, dass mich dort jemand auf die ganze Aufruhr anspricht.” So praktizierte sie so viel Yoga wie möglich. Um das Loch im Inneren mit Wissen und Positivität zu füllen, vertiefte sie ihre Yogapraxis und las mehr über Yoga.
Schlegel erzählt, dass Yoga eine “ein wirkliches Muss wurde, um in der Zeit des Entliebens die Orientierung nicht zu verlieren. Ein unverzichtbarer Teil darin, mich selbst zu reclaimen.” Wie genau funktionierte das? “Auf dem organisatorischen Level war Yoga entscheidend dafür, eine Erdung zu etablieren. Und eine Beständigkeit, als es sich so anfühlte, als würde die Welt enden”, sagt sie. Auf einer tieferen Ebene erlebte sie, dass als die Türen zu einer Beziehung sich schossen, sich eine neue Tür zur Beziehung mit Yoga öffnete. “Es stellte sich heraus, dass der spirituelle Pfad ein wunderschöner lebenslanger Bund ist. Ich fand heraus, dass die Spiritualität selbst eine Ehe ist.”
Weitere Quick-Tipps für eine Namaste-Trennung
- Tanze es raus!
- Kümmere dich um deinen Hausaltar.
- Gib dir besonders viel Zeit in der Kindes-Position Balasana.
Text gekürzt und übersetzt aus dem Amerikanischen Yoga Journal 02/20| Fotos von Keira Burton von Pexels