Das Magazin // Juli + August 2012

Ein Weg, kein Dogma

Indra Devi, die im Westen in Vergessenheit geratene Grand Dame des Yoga, die neben B.K.S. Iyengar und Sri Pattabhi Jois Meisterschülerin von Sri T. Krishnamacharya war und später die erste Yogalehrerin in Indien, sagte 1959: „Ein Yogi hat keinen Tempel, kein Ritual und keine Dogmen.“  Kein Dogma aus seinem Yoga zu machen, heißt auch, sich immer wieder von außen inspirieren zu lassen, das Neue zu beobachten, sich Herausforderungen der Wirklichkeit zu stellen und sich  grundsätzlich auch die Fehlbarkeit des eigenen (Yoga-)Standpunkts vorstellen zu können. In der Philosophie gibt es dafür das schöne Wort „Fallibilität“: Es muss möglich sein, dass einmal Erkannte zu revidieren, zu überdenken, sich zu korrigieren und zu entwickeln. Selbst für die stärksten Überzeugungen gibt es keine abschließende Garantie, alle Erfahrungen müssen geprüft werden. Angesichts dutzender neuer Stile im Yoga und hunderter verschiedener Schulen gewinnt diese Aussage starke Integrationskraft. Indra Devi fährt in einfachen Worten fort: „Yoga ist eine Methode, die damit beginnt, den Körper des Menschen zu vervollkommnen, und damit endet, seinen Geist zu entfalten.“ Das darf heute vielleicht als gemeinsame Überzeugung aller Yoga-Übenden gelten. Die Yoga-Sutren beginnen mit dem Satz: „Hier ist der Yoga, wie ich ihn in der natürlichen Welt beobachtet habe.“ Patanjali meint damit den Austausch mit der gemeinsamen geteilten Welt. Sein Yoga zielt auf einen neugierigen, offenen Lernprozess und nicht auf unkorrigierbares Wissen. In diesem Sinne können die heutigen Yogis viel zu einer besseren Welt beitragen, indem sie sich nicht im eigenen kleinen Tempel einschließen. Indra Devi ist von Indien nach Shanghai gegangen, hat in Moskau gelehrt, war als Lehrerin jahrelang in Hollywood und wurde schließlich für Jahrzehnte in Argentinien ansässig. Sie ist 1899 in Russland geboren worden und ist erst 2002 in Buenos Aires gestorben. Mit einem Dogma hätte sie das alles nicht geschafft.

Om Shanti,
Michi Kern und die YOGA JOURNAL-Redaktion

TITELTHEMEN
– Stilserie: Sivananda Yoga
– 10 Asanas für Kraft im Alltag
– Der Dalai Lama in Europa: “Mein Nachfolger könnte eine Frau sein”
– Yoga in den Alpen: Üben mit Aussicht
– Happy Meal: Rezepte für die heiklen Kleinen
– Interviews: David Swenson, Marc Holzman, Anjali Sriram
– Yoga City Trip: Salzburg

Sie können die Ausgabe 04/2012 bequem und versandkostenfrei in unserem Wellmedia-Shop bestellen.

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Das Neueste

Osterrezept: Lasagne-Röllchen mit Spargel

Lust auf eine frühlingsfrische, vegetarische Vorspeise an Ostern, die garantiert Eindruck macht? Dann probiere diese köstlichen kleinen Lasagnerollen, geschichtet...

Der weibliche Zyklus – ein Tanz der Göttinnen in uns

Der weibliche Zyklus ist wie eine innere Reise, die uns von einer Phase der Ruhe über kreative Aufbrüche bis...

Gesund üben mit Kristin Rübesamen: Die Schultern

In der Yogapraxis auf Gelenkgesundheit zu achten, ist nicht dasselbe wie Yogatherapie – aber es ergibt sehr viel Sinn....

YogaWorld-Messe in Stuttgart 25.-27. April 2025 – freue dich auf diese Highlights!

Du liebst Yoga, Ayurveda und vegane Ernährung? Du möchtest zusammen mit anderen Yogi*nis tief in die Welt des Yoga...

Alignment Check mit Timo Wahl: Gestreckt – oder doch lieber rund?

In dieser neuen Asana-Kolumne klärt Timo Wahl über gängige Mythen der Asana-Praxis auf: Ergibt es Sinn, dass etwas auf...

Astrologie: So wirkt der April-Vollmond in der harmonischen Waage

Wann ist wieder Vollmond? Am 13. April 2025 um ca. 2:21 Uhr steht er im Luftzeichen Waage. Jetzt fällt...

Pflichtlektüre

YogaWorld-Messe in Stuttgart 25.-27. April 2025 – freue dich auf diese Highlights!

Du liebst Yoga, Ayurveda und vegane Ernährung? Du möchtest zusammen mit anderen Yogi*nis tief in die Welt des Yoga...

Das könnte dir auch gefallen
Unsere Tipps