Unter Kriyas verstehen wir die innere Reinigung des Körpers. Im Ayurveda und Yoga sind gewisse Reinigungs- und Pflegerituale fixer Bestandteil des Alltags. Die Vorteile davon erklärt Sascha Peschke in diesem Artikel. Er ist Yogalehrer und Heilpraktiker und an den altbekannten Spruch “Schönheit kommt von Innen”, glaubt er fest.
“Wahre Schönheit kommt von Innen.” Jeder kennt diese Floskel aber was ist damit gemeint? Wenn wir von körperlicher Schönheit sprechen meinen wir häufig auch Attraktivität für das andere Geschlecht. Auf dieser Ebene hilft uns unser Urinstinkt, einen potentiellen Partner nach genetischer Veranlagung und Gesundheit einzuschätzen. Kann ich mit diesem Partner kräftige, gesunde Nachkommen zeugen und ist dieser Partner imstande mir zu helfen diese Nachkommen zu beschützen und groß zu ziehen? Dabei nutzen wir hauptsächlich den Geruchssinn und unsere Augen. Das passiert unterbewusst und in Sekundenschnelle. Du kannst riechen ob jemand krank ist, wie sich diese Person ernährt, wie alt und in welchem Zyklus sie ist. An Augen, Zähnen, Nägeln, Hautfarbe und Oberflächenbeschaffenheit der Haut kannst du Krankheiten, Organfunktion und potentielle genetische Schwächen erkennen.
Wenn du also über einen längeren Zeitraum mental ausgeglichen und körperlich gesund bist, verändern sich all diese Marker von Innen heraus – das erfordert nur etwas Geduld. Stattdessen wählen wir oft unbewusst den direkten und schnelleren Weg des Überdeckens und Ausbesserns: Whitening Zahncreme sorgt dafür, dass die Zähne wieder weißer leuchten. Allerdings entsteht dieser Effekt dadurch, dass die äusserste, verfärbte Schicht vom Zahnschmelz abgeschmirgelt wird und die darunter liegende Schicht heller und gesünder strahlt.
Zu häufiges Duschen reduziert den Eigengeruch, trocknet aber die Haut aus, was das Hautbild verschlechtert. Also trägst du Creme auf, welche die Haut nachfettet, einen künstlichen Geruch aufbringt und nebenbei die Poren der Haut blockieren kann. Nagellack überdeckt die Nägel und damit wird die Integrität des Nagels angegriffen. Ähnlich bei Make-up und vielen anderen “Beauty-Produkten”. Ich sage nicht das diese Dinge falsch sind, sondern, dass man zusätzlich das Thema “Schönheit und Pflege” an der Wurzel angeht. Stell dir vor dein Fahrrad würde täglich gewaschen und der Rost übermalt, aber niemand denkt daran die Kette und den Rahmen zu ölen.
Pflegerituale im Yoga und Ayurveda
Yoga hat seine traditionellen Arten der Pflege. Diese wirken langsam, aber dafür effektiv von Innen nach Außen. In den Yoga-Sutren heißen diese Pflegerituale Shat Kriyas – sechs Arten der Reinigung, die dem Körper erlauben besser zu fließen und weniger Energie mit dem Abtransport von Schadstoffen zu verschwenden. Und auch wenn diese immer noch gut und gültig sind, hat sich unser Leben seit Patanjali doch sehr verändert und es lohnt sich, einen frischen Blick auf das Konzept der Kriyas zu werfen.
Dein Körper hat jeden Tag eine gewisse Menge an Energie zur Verfügung. Diese Energie kann er zum Beispiel mit dem Abtransport von täglich anfallenden Schadstoffen und der Bekämpfung von kleinen inneren Entzündungen verbrauchen, oder sie steht dir aktiv zur Verfügung und bringt dich von innen zum Leuchten. So sind die Kriyas dafür gedacht “Energieräuber” zu beseitigen, um durch die freie Energie zu heilen und zu strahlen.
Hinweis: All die vorgestellten Techniken sind bei gesunden Menschen unbedenklich. Allerdings sollten sie im Idealfall unter der Aufsicht von einem erfahrenen Yogalehrer gelernt werden. Die Anleitung ist als Reminder und Ergänzung gedacht. Bei allen gesundheitlichen Beschwerden und Bedenken sollte vorher ein Arzt zu Rate gezogen werden.
Trataka (Empfehlung: täglich bis wöchentlich)
Augen leiden unter der langen Zeit, die wir im Home Office oder in der Arbeit am Bildschirm verbringen. Auch trockene Heizungs- und Klimaanlagenluft machen ihnen zu schaffen. Trockene Augen können eine Folge davon sein. Unsere Tränenkanäle befeuchten nicht nur die Augen sondern auch die Nebenhöhlen, die Nase und den Rachen. Werden diese Schleimhäute trocken, erhöht sich die Gefahr einer Infektion. Trataka ist eine Möglichkeit die Tränenkanäle zu trainieren und dadurch die Augen und die umliegende Muskulatur zu entspannen. Zusätzlich ermöglicht der Tränenenfluss emotionale Entlastung und kann eine ideale Vorbereitung auf eine tiefe Meditation sein.
Anleitung für Kriya-Übung Trataka:
- Platziere im abgedunkelten Raum eine Kerze ca. 1,5 Meter von dir entfernt auf Augenhöhe.
- Starre in die Kerze und beobachte dein Blinzeln.
- Versuche das Blinzeln abzufangen bis es dir gelingt, dass sich die Augen nicht mehr schließen.
- Nach einem initialen Brennen und unscharfer Sicht, beginnen die Tränen zu fließen.
- Erlaube den Tränenfluss, bevor du die Augen schließt.
- Dann blicke auf den inneren Lichtpunkt, der sich auf deiner Netzhaut noch für einige Zeit abbildet und gleite mit diesem in deine Meditation.
- Es ist völlig normal wenn du ein paar Anläufe brauchst bis die Tränen fließen.
Neti (Empfehlung: täglich)
Vor allem in der kalten Jahreszeit bildet sich durch den Wechsel von beheizten zu unbeheizten Räumen gerne eine Kruste in der Nase. Im Sommer haben Allergiker dafür mit Reizstoffen in der Luft zu kämpfen. Diese Verunreinigungen reichen bis tief in die Nebenhöhlen und sorgen für Druck und Irritation. Eine Nasenspülung mit Salzwasser (Jala Neti) kann hier helfen da die Nebenhöhlen mit einer isotonischen Lösung sanft gespült werden. Außerdem trainierst du das Öffnen deiner Nebenhöhlen durch das Weiten der Nasenlöcher, um dem Wasser möglichst wenig Widerstand zu bieten. Danach fühlt sich dein Kopf entspannt und leicht, und die Atemwege frei an.
Anleitung für Kriya-Übung Neti:
- Fülle dein Jala Neti-Kännchen mit Wasser.
- Gib die passende Menge Salz dazu (richte dich nach der Angabe auf der Packung. Wenn es brennt passt das Mischungsverhältnis nicht).
- Gut umrühren, bis sich das Salz vollständig aufgelöst hat.
- Den Kopf zur Seite neigen und das Kännchen am oberen Nasenloch ansetzen.
- Warten bis das Wasser durch das andere Nasenloch entwichen ist.
- Dann den Vorgang auf der anderen Seite wiederholen.
Kapalabhati (Empfehlung: täglich)
Deine Lunge ist ein faszinierendes Organ, welches deinen Körper ein lebenlang und kontinuierlich mit frischem Sauerstoff versorgt. Da du beim Sitzen nicht sehr viel Sauerstoff verbrauchst, atmest du bei einem entspannten Atemzug nur ca. ein Zehntel deines Atemzugvolumens. Deine Lunge ist immer nur dort ausreichend durchblutet, wo sie auch belüftet wird. Das hat den Vorteil, dass die begrenzte Menge an Blut, die dein Körper zur Verfügung hat anderweitig verwendet werden kann; aber auch den Nachteil, dass ein Großteil deiner Lunge unzureichend belüftet und damit auch unzureichend durchblutet wird. Kapalabhati sorgt durch die stoßhafte Atmung dafür, dass alle Ecken deiner Lunge belüftet, und damit durchblutet, versorgt und gesund bleiben. Dein Atemzentrum lernt durch den Wechsel von leichter Hyperventilation, gepaart mit langem Luftanhalten, besser auf Schwankungen im Blutsauerstoffgehalt zu reagieren.
Anleitung für Kriya-Übung Kapalabhati
- Sitze so, dass du bequem in den Bauch atmen kannst.
- Nach einer normal tiefen Ausatmung, benutze deine tiefe Bauchmuskulatur, um die Restluft wie beim Niesen aus deiner Lunge zu drücken.
- Wiederhole dass so schnell und intensiv wie möglich für ca. eine Minute.
- Zum Abschluss nimm einen bequemen, tiefen Atemzug und halte die Luft an.
- Warte bis du den deutlichen Impuls spürst wieder zu atmen.
- Lass los und erlaube der Atmung bewusst entspannt zu fließen.
Nauli/Agni Sara (Empfehlung: täglich)
Nauli bietet dir eine Möglichkeit, deinen inneren Organen eine intensive Tiefenmassage zu geben, diese so zu entspannen und ihnen bei der Selbstreinigung zu helfen. Zusätzlich verbessert sich die Kontrolle über deine tiefe Bauchmuskulatur, was vielen Arten von Bauchschmerzen die Grundlage entzieht.
Anleitung für Kriya-Übung Nauli/Agni Sara
- Finde eine stabile Stehposition mit breitem Stand.
- Nimm eine tiefe Einatmung, dabei die Arme heben.
- Atme über den Mund alles aus. Dabei in eine tiefe Hocke mit rundem Rücken (siehe Bild).
- Halte die Luft an mit leerer Lunge.
- Drück dich von hier in ein gestütztes Utkatasana.
- Bauchdecke abwechselnd einziehen und nach vorne drücken, oder kreisförmig bewegen (solange möglich).
- Wenn du wieder atmen musst, steh auf und nimm ein paar kräftige freie Atemzüge.
- Für 2 weitere Runden wiederholen.
Weitere Reinigungsübungen
- Zunge schaben mit einem Löffel oder Zungenschaber
- Mit Salzwasser gurgeln
- Zähne mit den Fingern putzen und dabei das Zahnfleisch massieren mit einer Mischung aus Olivenöl und Salz.
- Bhramari (Bienen-Atmung) ist zwar hauptsächlich ein Pranayama (Atemübung), hilft aber auch Kehle und Luftröhre zu reinigen.
Über Sascha Peschke
Sascha ist Heilpraktiker und Yogalehrer verschiedenster Traditionen. Seine Erfahrung stützt sich auf 25 Jahre Praxis in körperlicher und mentaler Weiterentwicklung und der daraus resultierenden praktischen Anwendung als Lehrer und Behandler. Sascha verbrachte mehrere Jahre auf Reisen zu den entlegensten Klöstern und Lehrern in Indien, Nord- und Südamerika und Australien.
Heute bildet er Yogalehrer, Profisportler und Therapeuten in Anatomie, Physiologie und Energielenkung weiter. Mehr Infos findest du unter www.saschapeschke.com und auf Instagram unter @sascha.peschke
Text: Sascha Peschke, Fotos via Canva