“Vierpunkt-Stabhaltung” heißt Chaturanga wörtlich übersetzt. Die meisten kennen sie als Bindeglied zwischen den verschiedenen, dynamisch geübten Körperhaltungen, zum Beispiel im Sonnengruß. Aber nicht so schnell: eine physiologisch sinnvolle Ausführung ist gerade in fließenden Bewegungsabfolgen besonders wichtig.
Wirkung
Chaturanga Dandasana fördert die Stabilität im gesamten Körper, vor allem aber im Rumpf. Das ist wichtig für eine balancierte Körperhaltung und einen gesunden Rücken. Zusätzlich kräftigt die Haltung Schultern und Arme.
Chaturanga Dandasana: So geht’s
Step 1: Du beginnst im Vierfüßler. Dabei achtest du darauf, die Wirbelsäule in ihrer natürlichen S-Kurve zu halten und die Hände senkrecht unter den Schultern auszurichten.
Step 2: Stelle die Fußballen auf und strecke deine Beine. Schiebe dabei die Schulterblätter aktiv gegen den Druck der Arme Richtung Boden.
Step 3: Schiebe dich von den Fußballen ausgehend noch etwas weiter nach vorne und senke dich dann langsam ab. Dabei hältst du den gesamten Körper in sich stabil, die Oberarme bleiben dicht am Rumpf, bis schließlich die Unterarme senkrecht und die Oberarme waagerecht
stehen.
Alignment Tipps für Chaturanga Dandasana
Physiologische Stabilisierung: Aktiviere von Anfang an (Step 1) die diagonale Bauchmuskulatur (Mm. obliquus abdominis interni et externi). Dafür ziehst du die Rippenbögen diagonal Richtung Bauchnabel und baust eine entsprechende Gegenspannung auf, die an den Leistenbändern beginnt und sich ebenfalls diagonal Richtung Bauchnabel zieht. Achte gleichzeitig darauf, das Becken leicht nach vorn gekippt zu belassen und eine Stabilität für das Kreuzbein-Darmbeingelenk (Iliosakralgelenk) zu erzeugen. Das erreichst du über eine Aktivität der tiefen Beckenbodenmuskulatur (Diaphragma Pelvis).
Finger etwas nach außen: Da die Oberarme dicht am Rumpf bleiben sollten, ist die Rotation in den Schultergelenken ausgeschaltet. Das bewirkt oft Drehkräfte an den Handgelenken, doch die sind nicht für Rotation geeignet. Es bleibt aber die Rotationsfähigkeit der Unterarme: Normalerweise können sich Elle und Speiche um etwa 85 Grad in der Innenrotation umeinander legen, bevor sie sich gegenseitig blockieren. Platziere deine Finger daher schon von Anfang an (Step 1 und 2) leicht nach außen weisend. So fällt es dir beim Absenken (Step 3) leichter, die Ellenbogen am Körper zu halten ohne deine Handgelenke zu verdrehen und so langfristig zu überlasten.
Bodenkontakt bewahren: Drücke die Wurzel deines Zeigefingers aktiv gegen den Untergrund. Das stabilisiert dein Handgelenk und schützt es vor einer Verwringung. Erst vorwärts, dann nach unten: Um den Oberarmkopf im Schultergelenk zentriert einzuspannen, bewegst du dich erst nach vorne, bevor du dich absenkst. Schiebe dabei die Schulterblätter mit ihrer Gelenkpfanne aktiv in Richtung der Oberarme. Am Anfang der Bewegung (Step 1 und 2) weist die Gelenkpfanne dabei Richtung Boden, unten angekommen (Step 3) dann nach hinten. Ein äußeres Anzeichen für die Wirksamkeit dieser Bewegung ist es, dass deine Unterarme in der tiefsten Position von Chaturanga Dandasana noch immer senkrecht stehen, die Oberarme kommen dann entsprechend in der Horizontalen an.
Alternative Formen
Beim Lesen solcher Tutorials entsteht leicht das Gefühl, mit dem richtigen Alignment könne jeder Mensch jede beliebige Haltung auf gesunde Weise ausführen. Doch hier gilt leider: Auch mit perfektem Alignment entsteht in Chaturanga Dandasana eine Scherkraft auf das Schultergelenk. Um diese abzufangen, ist eine gute Muskel-Faszien-Spannung rund um das Schultergelenk notwendig – und diese muss man erst einmal entwickeln. Bis dahin gilt: Stabilität vor Tiefe. Senke dich nur so weit ab, wie du die Stabilität in deinen Schultergelenken spüren und erleben kannst. Je höher du bleibst, desto geringer sind die Scherkräfte. Und selbst ohne wesentliches Absenken kannst du harmonisch in den “Nach oben blickenden Hund” weiterfließen, dich langsam an die Beanspruchung gewöhnen und die nötige Muskel-Faszien-Spannung aufbauen.
Exkurs – Ästhetik oder Alignment
In den meisten Yogatraditionen werden in Chaturanga Dandasana die Hände maximal schulterweit gesetzt und die Oberarme bleiben dicht am Körper. Auch wenn es oft behauptet wird: Diese Hand- und Armstellung ist nicht per se gesünder als ein breiter Liegestütz. Eher im Gegenteil, die Beanspruchung für das Schultergelenk kann in der engen Hand- und Armstellung sogar höher sein. Entsprechend sind eine systematische Vorbereitung, ein sinnvoller Aufbau und ein aktives Alignment notwendig, um Chaturanga Dandasana langfristig auf gesunde Weise zu praktizieren. Warum sich die enge Hand- und Armstellung dann überhaupt durchgesetzt hat? Ganz einfach: Sie ergibt sich aus dem Bewegungsfluss der gängigen Yogapraxis. Nur so kannst du dich nämlich von hier harmonisch und ohne umzusetzen in den Aufschauenden Hund weiterbewegen.
Mehr zu Dr. Ronald Steiner findest du auf ashtangayoga.info. Dort gibt es auch eine Seite zum Sonnengruß und Chaturanga: ashtangayoga.info/ashtanga-yoga/surya-namaskara-a-sonnengruss/