Hier bewegt sich das Dreieck ein bisschen wie der tanzende Gott Shiva, den du vielleicht von Skulpturen kennst. Aber anders als er tanzen wir nicht “die Welt in Stücke”: Wir mobilisieren die tiefe Frontallinie der Faszien und finden dabei zu mehr Stabilität im Alltag.
Text: Amiena Zylla / Foto: Susanne Schramke
Wie und wann sollte man im Leben Haltung bewahren? Ich glaube, wir alle kennen Momente, die uns aus dem Gleichgewicht zu bringen drohen. Und manchmal ist es da schon eine große Herausforderung, genau hinzuspüren, ob man in dieser Situation seinen Gefühlen freien Lauf lassen oder lieber die Klappe halten sollte. Gefühlt sind dann das Tragen des Herzens auf der Zunge und der vernünftige Verstand meilenweit voneinander entfernt. Aber zum Glück ist ja noch der Körper da, auf den man zurückgreifen kann. Und tatsächlich ist in diesem Fall eine ganz besondere Faszienbahn eine große Hilfe, die ich dir bisher noch nicht vorgestellt habe: die tiefe Frontallinie, auch Zentralbahn genannt. Mir hilft sie sehr, mich in so mancher Situation auf meine innere Stabilität zu fokussieren und dabei zu wissen, dass es ein Organ gibt, das diese Stabilität wirklich herstellen kann.
Genau wie das Thema “Haltung bewahren” ist auch der Verlauf dieser Bahn sehr komplex: Sie bildet den Kernbereich des Fasziennetzwerks. Grob gesagt verläuft sie von der Innenseite der Füße aus durch die Mittellinie des Körpers bis zum Kopf. Die Armlinien verbinden die Hände mit dem Rumpf und die Fingerspitzen mit der Wirbelsäule. Der zentrale Kern wird von einem dreidimensionalen “Schlauch” gebildet, der sich um die Bauch- und Brustorgane schlingt und somit eine Verbindung zu allen äußeren Faszienbahnen bildet. Er durchquert dabei einige entscheidende Strukturen im Körper, unter anderem Hals, Rachen und die Schlundmuskulatur, Zwerchfell, Lungenfell, Herzbeutel und die weiter unten gelegenen Bauchorgane, aber auch Wirbelsäule, Beckenboden, Knie und eben die Füße. Mit anderen Worten: Die tiefe Frontalfaszie ist nicht nur für unsere Statik, sondern auch für eine gut funktionierende Atmung, einen stabilen Beckenboden und einen gesunden Kiefer wichtig.
Indem wir uns auf die tiefe Frontallinie konzentrieren, können wir uns zentrieren, sammeln, zu uns finden, uns auf das Wesentliche besinnen – und somit besser Haltung bewahren, wenn das Leben uns dazu auffordert. Besonders gut gelingt das in der Übung “Das tanzende Dreieck”: Sie stärkt die Anteile der Zentrallinie und durch das Dehnen werden sie stimuliert. Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren.
Übung: Das tanzende Dreieck
- Stell dich in eine breite Grätsche. Dreh deine Beine in den Hüftgelenken nach außen, sodass auch die Füße schräg nach außen weisen. Spüre den Kontakt der Füße nach unten und richte dich locker nach oben auf.
- Verlagere dein Gewicht nach links und beuge das linke Bein. Hebe die Zehen des rechten Fußes. Das rechte Bein bleibt gestreckt.
- Neige deinen Oberkörper etwas nach rechts. Hebe den linken Arm über den Kopf und strecke den rechten parallel zum Bein nach unten aus.
- Bleib etwa 30 Sekunden lang in der Haltung und spiele dabei mit ihr (siehe Tipps). Dann kehrst du zurück in den neutralen Stand (Tadasana), spürst etwas nach und wiederholst die Übung auf der linken Seite.
Tipps: Spielerisch Gewicht verlagern
Auch die tiefe Frontallinie liebt das Spielen. Spiele mit der Gewichtsverlagerung nach rechts und links, beweg dein Becken mal nach vorne und hinten, spiele mit verschiedenen Richtungen deines Oberkörpers. Spüre, wo du Dehnung wahrnimmst und spiele auch damit, dich im Ungleichgewicht zu stabilisieren. Beziehe verschiedene Bewegungen deines Kiefers mit ein.
Wirkungen des tanzenden Dreiecks
• Stabilisiert den gesamten Körper
• Sorgt für eine gute Haltung
• Verbessert die Atmung
• Sorgt für einen stabilen Beckenboden
• Kräftigt die Kaumuskukatur
• Harmonisiert den Kiefer
Mehr Tipps und Anregungen von Amiena gibt es hier: youtube.com/amienazylla & auf Instagram @amienazylla
Amiena war auch im “YogaWorld Podcast” zu Gast und hat dort über ihr Lieblingsthema gesprochen: