Bei der Abschlusszeremonie des Happy Mind Festivals in Hamburg sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Wie eine schöne Frau kam sie mir vor, die man noch in letzter Minute auf einer Party kennengelernt hat. Es war eine kurze Begegnung – zu kurz, um sich eine echte Meinung bilden zu können, und doch intensiv genug, um sie wieder sehen zu wollen. Ihr Name lautet “Gong-Meditation”.
Test: Gong-Meditation // Redakteurin: Laura Hirch
Wieder zurück in München denke ich zwei Wochen nach unserer ersten Begegnung noch immer an sie. Wie tief sie mich erschüttert und mitgerissen hat, wie intensiv sie mich in ihren Bann gezogen hat. Ich suche sie – im Netz. Es gibt nicht viele Einträge, aber dennoch werde ich fündig. Am Sonntag will ich sie im Kundalini Yoga Zentrum in der Kaiserstraße treffen, unter der Leitung von Satya Singh Renninger.
Ich bin etwas nervös, als ich den Yogaraum betrete. Als ich den Gong wieder sehe und Satya mir ein bisschen darüber erzählt, kann ich mich entspannen. In den folgenden Momenten lasse ich mich voll auf die Erfahrung ein. Ja, sie wird wieder laut und ja, sie erschüttert mich in Innersten, aber ich fühle auch echte Zufriedenheit.
Laura: Satya, wieso bewegt uns die Gong-Meditation so sehr?
Satya: Unser Körper besteht zum Großteil aus Wasser und dieses wird durch den Gong in Schwingung versetzt. Er verlangsamt die Frequenz in dir und somit auch die Frequenz in deinem Gehirn und versetzt dich in den Zustand der Trance. Wenn du dich darauf einlässt, dann schwebst du richtig weg – ohne in den Zustand des Schlafens zu gelangen, den du ja jede Nacht erlebst. Die Gong-Meditation hilft uns in erster Linie, uns von den Gedanken wegzutragen.
Du meintest zu Beginn, dass die Gong- Meditation genau die Erlebnisse und Emotionen hochholt, die sich bei uns Schülern an diesem Wochenende sowieso im Inneren abspielen. Ich steckte gerade in einem kreativen Prozess und es kamen tatsächlich währenddessen unzählige Ideen hoch, die ich am liebsten sofort niedergeschrieben hätte. Wie passt das damit zusammen, dass einen der Gong von den Gedanken wegtragen soll?
In der Meditation oder der Phase kurz vor dem Aufwachen verändert sich die Gehirnfrequenz und viele haben in dieser Zeit ein Notizbuch neben dem Bett, weil ihnen plötzlich Ideen kommen. Es braucht etwas Zeit und dafür gibt es eine schöne Metapher: Stell dir vor, du sitzt am Schreibtisch und neben dir ist ein großer Haufen an Papierkram, den es abzuarbeiten gilt. Jeden Tag kommt neues Papier dazu und der Haufen wird einfach nicht weniger. So verhält es sich mit den Gedanken. Durch unseren Alltag, den Job oder die Beziehung türmen sich mit der Zeit allerhand Gedanken in uns auf. Wir sind permanent am Denken. Wenn du auf eine Pilgerreise gehst oder für längere Zeit in einen Ashram, bist du erst einmal fern von alltäglichen Einflüssen und kannst nach und nach die Gedanken “wegarbeiten”, weil ja erst einmal nicht so viel “Alltagskram” auf dir lastet. So wird dein Haufen kleiner und kleiner, bis du irgendwann den letzten Gedanken gedacht hast. Und dann kommt der Punkt, wo wir uns in ein neues Feld wagen. Was denkst du jetzt? Dann kommen dir die grundsätzlichen Gedanken. Wer bin ich überhaupt, was mache ich hier, liebe ich meinen Job? Meditierst du häufig, verhält es sich ähnlich, nur dauert es eben länger. Deswegen sind wir oft so ungeduldig und fühlen uns vielleicht nach Jahren noch als “schlechter Yogi”, weil wir immer noch so viel denken während der Meditation. Tatsächlich verlangsamen sich aber deine Gehirnwellen. Der Gong kann helfen, in einen anderen Zustand zu gelangen und diesen Vorgang zu beschleunigen.
Ich hatte zu einem gewissen Grad Schmerzen aufgrund der Lautstärke und musste mir die Ohren zuhalten. Ist das so, weil ich Anfängerin bin?
Das hat weniger damit zu tun, ob man Anfänger ist. Der Gong ist ein Geräusch, das man zu Beginn noch nicht kennt. Zu vielen Vorgängen existiert ein Geräusch in deinem Kopf. Klopft man auf Holz, weißt man ziemlich genau, was für ein Geräusch dabei entsteht. Klopfe ich aber auf Holz und vernehme – sagen wir ein Klatschen – dann weiß der Geist sofort, dass etwas nicht stimmen kann, denn er hat ein anderes Muster dafür. Wenn du häufiger an einer Gong-Meditation teilnimmst, bekommst du dafür auch langsam ein Muster. Daher liegt meine Kunst darin, den Gong für Anfänger und auch für schon Erfahrene auf eine solche Weise zu spielen, dass es unvorhersehbar wird, welches Klangmuster auf sie zukommt. Und – was ich für dich zwar nicht beurteilen kann – es geht auch darum, wie sehr man Kontrolle abgeben kann. Das ist aber ein Prozess. Tatsächlich richtet dieser “weiße Sound” aber keinen Schaden in den Ohren an, denn er liegt auf einer sehr hohen Frequenz und wird nur sehr kurz erzeugt. Im Gegensatz dazu stehen die tiefen Frequenzen auf Konzerten oder in Clubs, bei denen einem danach die Ohren rauschen. Dass du deine Ohren zuhältst, liegt an unserem Schutzmechanismus. Du solltest dich dann auch nicht verkrampfen und den Schmerz unbedingt aushalten, weil es vielleicht die anderen auf der Matte neben dir auch aushalten. Jeder Mensch hat da seine eigene Grenze. Manche Teilnehmer haben erst nach mehreren Gong-Meditationen das Gefühl, dass die Lautstärke ok ist. Und manche schlafen auch dabei ein.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Gong-Meditation ziemlich heftig auf hochsensible Menschen wirkt. Für wen ist sie nicht geeignet?
Für Menschen, die unter Drogeneinfluss stehen, ist von der Gong-Meditation abzuraten. Gerade wegen der Trance ist es unvorhersehbar, was mit ihnen passieren würde. Die Sensibilität könnte auf eine gewisse Schutzhaltung zurückzuführen sein. Da wäre es interessant zu erforschen, wo die Grenze liegt. Man kann sich der Gong-Meditation auch auf Gong-Konzerten in Verbindung mit Klangschalen Schritt für Schritt nähern. Dort wird meist auch mit weichen Mellets (Schlegeln) gespielt, die eine sanftere Wirkung erzielen. Ich spiele mit harten – das ist schwieriger, weil man jeden einzelnen Klong hört und diesen so kunstvoll verstecken muss, dass am Ende ein weicher Soundteppich entsteht. Mit harten Mellets kommt man jedoch erst in diesen Trance-Zustand. Wie ich meinen Gong bespiele, ist ja nur eine der vielen Traditionen mit ihren unterschiedlichen Spielarten. Ich kann so jeden erreichen, mitreissen und aufheben – fast wie auf einem Teppich.
Als Premiere hast du heute einen Gong bespielt, der bereits 50 Jahre alt ist. Übt er durch sein Alter nun andere Schwingungen auf den Menschen aus?
Er transportiert zwar keine anderen Schwingungen, ist aber vor mir schon oft bespielt worden. Ein Gong ist ähnlich wie eine Geige: Wenn jemand sein Geigenspiel aufgibt, reicht er sein Instrument an einen anderen Geigenspieler weiter, damit sie ihn in dessen Spiel weiterbringt. Ich habe diesen Gong nun in der dritten Generation von einem Gonger erhalten, der seine Sammlung aufgelöst hat. Dieser Gong fordert mich heraus, weiter zu lernen. Einen neuen Gong könnte ich mir selbst so erspielen, wie ich das möchte. Das, was diesen letztlich so individuell macht, ist, was alle Spieler vor mir mit ihm gemacht haben. Und so klingt er wie kein anderer.
In Hamburg wurde die Meditation von Ada Namai geleitet. Ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass der Gong sehr differenziert auf mich gewirkt hat, nämlich eher auf meine Körpermitte, wohingegen mich dieser gleichermaßen mit Schwingung bedeckt. Wie kann das sein?
Ada hat mir mir gemeinsam die Ausbildung gemacht und wir spielen beide seit neun Jahren. Wir haben zwar den gleichen Lehrer, der wiederum auf Yogi Bhajan zurückgeht, aber das Spiel entwickelt sich sehr individuell. Auch die Vorbereitung ist entscheidend: welches Yogaset wähle ich und wie gehe ich während der Meditation voran. Daher wirkt das Gongspiel bei jedem unterschiedlich, wenn auch vielleicht das Grundmuster gleich ist.
Im Internet gibt es hierzulande nicht allzu viele Einträge über die Gong-Meditation. Ist sie noch ein Geheimtipp?
Ich bin oft auf Reisen und kenne diese Exklusivität. Es gibt einige Gongspieler, die nicht wirklich Internet-affin sind und bereits ihre festen Gruppen haben. In der Szene wird noch viel mit Flyern gearbeitet. Daher sollte man in Yogastudios mal nachsehen, ob nicht irgendwer einen Flyer ausgelegt hat. Aber das Ganze fängt an zu wachsen und das freut mich!
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