Tom Shadyac, der amerikanische Kult-Regisseur zahlreicher Jim-Carrey-Film wie “Bruce Allmächtig” oder “Ace Ventura”, hat nach einem schweren Fahrradunfall sein Leben radikal geändert und sein gesamtes Hab und Gut verkauft.YOGA JOURNAL sprach mit dem Filmemacher über die Kraft, die uns alle vereint, und über den Weg zu sich selbst.
Tom Shadyac, hat sich auf den Weg gemacht, um mit intellektuellen und spirituellen Führern über den Sinn des Lebens zu sprechen – und diesen selbst zu finden. Über diese persönliche Reise hat er den Dokumentarfilm “I Am” gedreht.
YOGA JOURNAL: Tom, eine Kernaussage des Films “I Am” ist die, dass unser Herz eine noch viel größere Rolle spielt als wir bisher angenommen hatten. Was haben Sie über das menschliche Herz herausgefunden?
Tom Shadyac: Ich habe herausgefunden, dass uns unser Herz sehr viel stärker lenkt und bestimmt als gedacht. Das Herz hat tatsächlich eine kognitive Funktion. Darum ist es so ungeheuer wichtig, dass wir Herz und Verstand miteinander in Einklang bringen. Auf dem Gebiet der Neurokardiologie konnte nachgewiesen werden, dass unser Herz so etwas wie ein eigenes Gehirn hat, das fühlen, lernen und Entscheidungen für uns treffen kann. Wir nennen das dann “Bauchentscheidung”. Unser Gehirn bekommt mehr Impulse vom Herzen als umgekehrt, wofür in erster Linie der Vagusnerv verantwortlich ist, dessen Aktivität messbar ist. Dieser Nerv ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass es uns die Kehle zuschnürt, es uns eng beziehungsweise weit ums Herz wird oder uns die Tränen kommen. Und das Herz hat eine Ausstrahlung, die bis zu vier Meter weit reicht. Damit erreichen, verbinden und beeinflussen wir Menschen uns gegenseitig.
Wie kam es dazu, dass Sie sich, ausgehend von Ihrem eigenen Schicksal und der Möglichkeit des Sterbens vor Augen, mit dem Schicksal der ganzen Welt auseinandergesetzt haben?
Indem ich mir meinen eigenen Tod vor Augen geführt habe, habe ich jegliche Angst davor verloren, mich auch beruflich mit Gedanken und Überlegungen zu beschäftigen, die mich privat schon seit ungefähr 15 Jahren umtreiben. Der Prozess des Wandels hat bereits lange vor meiner Nahtod-Erfahrung eingesetzt. Aber der Unfall hat einen endgültigen Reinigungsprozess in Gang gesetzt. Für mich war das Erlebnis eine großartige Motivation, endlich etwas zu tun und nicht mehr nur darüber nachzudenken, etwas verändern zu wollen. Und ich möchte all die wertvollen Dinge, die ich von weisen Menschen erfahren habe, mit anderen teilen, bevor ich diese Welt verlasse – um damit vielleicht einen bescheidenen Teil zur Änderung der Spezies Mensch beitragen zu können.
Haben Sie mehr Freunde gewonnen oder verloren, nachdem Sie angefangen haben, Ihr Leben zu verändern, alles zu verkaufen und ein “einfacheres Leben” ohne den ganzen Hollywood-Glamour zu führen?
Für mich zählt nicht das, was ich verloren habe. Für mich ist es wichtig, was ich durch die Veränderung alles gewonnen habe, welche Menschen neu ein mein Leben getreten sind. Ich habe einige neue Freundschaften geschlossen. Die Beziehung zu Coleman Barks (Anm. d. Red.: Übersetzer der Texte des persischen Mystikers Rumi) ist zum Beispiel etwas ganz besonderes für mich; genau wie meine neuen Freundschaften zu Menschen, die die Welt durch ihre Fotografie verändern, wie zum Beispiel Chris Jordan, oder all die großartigen Dokumentarfilmer – ich habe ganz großes Glück, so fantastische Menschen in meinem Leben zu haben. In der Hinsicht bin ich wirklich und im wahrsten Sinne des Wortes gesegnet.
Woher nahmen Sie in Zeiten der Isolation und Einsamkeit nach Ihrem Fahrradunfall Ihren Lebensmut? Sie haben unter einem gravierenden organischen Psychosyndrom nach einem Schädelhirntrauma gelitten und im Film sprechen Sie darüber, dass viele Menschen, die diese Schmerzen erdulden müssen, suizidgefährdet sind.
Ehrlich gesagt habe ich auf diese Frage keine Antwort. Ich weiß bis heute nicht, wie und warum ich es ausgehalten habe. Ich glaube ganz fest daran, dass mir etwas Göttliches den Lebensmut gegeben hat. Das große Ganze vielleicht, aus dem ich entstanden bin und von dem ich Teil bin. Aber ja, es war in der Tat nicht einfach, durch diese Dunkelheit und die schwierigsten Monate meines Lebens hindurch zu gehen. Umso glücklicher bin ich, dass am Ende des Tunnels wieder Licht war und ich nun wieder unversehrt im Hier und Jetzt sein kann.
Haben Sie sich während dieser Zeit mit Meditation oder Yoga beschäftigt beziehungsweise Ihre Lebensgewohnheiten geändert?
Ja, natürlich habe ich mich gerade in der Zeit der Isolation mit diesen Themen auseinandergesetzt. Aber Veränderungen brauchen trotzdem immer ein bisschen Zeit (lacht). So war ich beispielsweise vor “I Am” Vegetarier – und jetzt lebe ich seit ungefähr einem halben Jahr vegan. Aber das hat gedauert… Ich mache auch Yoga. In letzter Zeit zwar nicht sehr regelmäßig, aber es ist eine wunderbare Möglichkeit, Spannungen in Körper und Geist abzubauen und positive Energien freizusetzen. Und ja, ich meditiere – auf meine Art. Für mich bedeutet Meditation, mich auf etwas zu konzentrieren, das mich beschäftigt. So meditiere ich zum Beispiel, wenn ich die Verse des persischen Mystikers Rumi lese. In der Natur zu sein ist eine andere Form der Meditation für mich. Ich schätze den Wert des Stillsitzens während der Meditation sehr und ich mache das auch manchmal aber eigentlich kann ich jederzeit und überall meditieren, sobald ich meine Aufmerksamkeit intensiv auf etwas Bestimmtes fokussiere.