Om Namah Shivaya Gurave Sacchidananda Murtaye Nishprapanchaya Shantaya Niralambaya Tejase
Jede Anusara-Yogastunde wird mit diesem Mantra eröffnet. Die ersten beiden Zeilen können etwa folgendermaßen übersetzt werden: „Ich verneige mich vor Shiva, dem göttlichen Lehrer in mir, der die Dreifaltigkeit von Wahrheit (Sat), reinem Bewusstsein (Chit) und Glückseligkeit (Ananda) verkörpert (Murtaye).“
Om, ich verneige mich vor Shiva. „Dein Wille geschehe!“ Für einen Moment geben wir uns dem Gefühl hin, vom Vater getragen zu werden; all unsere Anstrengungen, unser Bestreben, unsere Planungen und Projekte werden in die Hand Gottes gelegt. Shiva ist ein Name für den göttlichen Vater. Interessanterweise gibt es bei den Hopi-Indianern das Wort „Shima“, was „Liebe“ bedeutet. Das „Ma“ in Shima weist auf die mütterliche Liebe hin. Und da „Va“ für den Vater steht, ist Shiva die Liebe des (göttlichen) Vaters. „Om namah“ ist eine häufige Eröffnung von Anrufungen und bedeutet frei interpretiert so viel wie „Im Schwingungsfeld des Urklangs Om rufe ich deinen Namen … (Shiva)“. In „Namah“ oder „Namaha“ steckt das Wort „Name“. Auch ist „Namah“ eine andere Form von „Namas“, der „Ver- beugung, Verneigung, Verehrung“. Das Sich-Verneigen ist sowohl eine wichtige Methode, um sich von falschem Stolz zu befreien als auch eine essenzielle spirituelle Praxis. Shiva, der Zerstörer, kann uns von unseren „Dämonen“ erlösen. Im Christentum seien als Dämonen z.B. die sieben Todsünden genannt: Stolz, Habgier, Wollust, Zorn, Selbstsucht, Neid und Ignoranz. „Om Namah Shivaya“ ist die Anrufung und Ehrerbietung Shivas, der der König der Yogis ist; für manche der größte Gott, für andere ein Gott im Pantheon der hinduistischen Gottheiten, erzeugt er die Klarheit des Geistes. Das dritte, alles intuitiv sehende und klar unterscheidende Auge beginnt sich zu öffnen.
NA MA SHI VA YA kann auch in Bezug auf die fünf Elemente praktiziert werden: Erde (NA), Wasser (MA), Feuer (SHI), Luft (VA) und Raum (YA). So führt uns das Mantra zurück zum elementaren Urgrund der Schöpfung. „Möge das Feuer der väterlichen Liebe uns transformieren!“ – Om Namah Shivaya!
In der dritten und vierten Zeile werden Bewusstseinszustände beschrieben, die sich der Yogapraktizierende bzw. Mantra-Rezitierende herbeiruft. Prapancha bedeutet „Manifestation“, „Verschiedenheit“ und die „physische Realität der fünf Elemente“, die Silbe Nish vorneweg ist die Umkehrung bzw. Verneinung des Wortes. Es wird der friedvolle Zustand (Shantaya) ersehnt, der jenseits aller Manifestation herrscht. Niralambaya heißt zunächst „unabhängig, ohne Stütze, allein“. Oft ist, laut dem spirituellen Wörterbuch der Sathya Sai e. V. der Bewusstseinszustand gemeint, in dem Transzendenz ununterbrochen lebendig und deshalb Freiheit von relativen Aspekten erlangt worden ist. In diesem Licht und in diesem erleuchteten Zustand (Tejas) möchten wir alle gern sein. Na dann: Auf die Matte, fertig, los!
Philipp Stegmüller ist Leiter von Kirtan- und Bhajan-Veranstaltungen. Mehr Infos unter www.mantra-singing-circle.de. 04 – 2009
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