Wie kann Yoga unsere Kreativität fördern und uns dabei unterstützen, schöpferisch zu arbeiten? Elena Lustig und Annette Söhnlein meinen: Das geht mit Chakra Yoga. Für uns haben die beiden Yogalehrerinnen aus Berlin Chakra Yoga-Sequenzen für mehr Kreativität zusammengestellt.
Chakra Yoga
Die Chakra Yoga-Praxis hilft, die Aufmerksamkeit für kreative Prozesse vom Kopf in den Körper zu verlagern. Während wir uns bewegen, bewusst atmen und uns körperlich fordern, kann das Gedanken-Karussell zur Ruhe kommen und der Geist wird frei. Chakras sind nach der yogischen Lehre Energiezentren, die sich entlang der Wirbelsäule von unten nach oben aufreihen. Jedes Chakra steht für ein Lebensthema: Das 1. Chakra ist verbunden mit Vertrauen und Stabilität, im 2. Chakra geht es um Freude, Lust und kreatives Schaffen, im 3. Chakra um unser Selbstbewusstsein, im 4. Chakra um Mitgefühl und Liebe, im 5. Chakra dreht sich alles um den Austausch, im 6. Chakra finden wir Zugang zu unserer Vision und im 7. Chakra erfahren wir eine spirituelle Verbindung.
Das 2. und 6. Chakra fördern für Kreativität
Wenn man die Kreativität mit Chakra-Yogaübungen ansprechen will, wendet man sich zunächst einmal an das 2. Chakra, das so genannte Sakral-Chakra, das tief unten im Becken sitzt: Hier entstehen Offenheit, Spieltrieb, schöpferisches Tun und Schaffensdrang. Aber noch ein weiteres Chakra ist bedeutsam, denn hier geht es um Inspiration, Intuition und Visionen: das 6. Chakra auf der Stirn. Es wird auch „drittes Auge“ genannt, weil man hier den Blick auf Dinge werfen kann, die man mit den anderen beiden Augen nicht sehen kann.
Wir stellen dir für jedes dieser beiden Chakras eine Mini-Sequenz vor. Du kannst sie einzeln oder in Kombination üben. Genau wie beim Schreiben, Malen oder Musizieren geht es dabei nicht um das Ergebnis – genießen Sie lieber den Prozess. Niemand muss dich für das, was du tust, bewundern oder loben. Ohne Erwartungsdruck entstehen oft die schönsten Dinge. Sei erfinderisch und folge deinem Bauchgefühl, aus ihm heraus entsteht Fluss – nicht nur auf der Yogamatte. Jede Asana trägt die Einladung in sich, sie zu einem Ort des individuellen Ausdrucks zu machen. Du wirst erstaunt sein, wie dein Verlangen nach kreativem Ausdruck zunimmt!
Kreativität
Im Prinzip bedeutet Kreativität Fortschritt, denn allein der menschliche Spieltrieb, die Neugier und das Ausprobieren haben uns dahin gebracht, wo wir heute sind: in unsere moderne und technisierte Welt. Die gesamte Entwicklungsgeschichte der Menschheit zeugt von dieser Kreativität: Man bewundert sie in Architektur, Kunst, Musik, aber sie steckt auch in ganz alltäglichen Dingen, angefangen bei der Erfindung des Rades oder der gezielten Nutzung des Feuers. Viele kreative Errungenschaften dienen dem Überleben – eine ganze Menge gibt es aber auch „nur“, um unsere Welt besser oder schöner zu machen. Kreative Blockaden entstehen durch unterschiedliche Probleme: Stress, Erwartungshaltungen, enge Vorgaben, die Vorstellung etwas „richtig“ machen zu müssen. Oft beginnt das schon in der Kindheit, wenn wir mit Sätzen konfrontiert werden wie: „Du kannst das nicht“, „Du bist nicht gut genug“ oder „Was soll das denn bringen?“. Dann findet man häufig keinen Raum für Freude, Lust am Spielen und Forschen, hat keine Ideen und schon gar keine Visionen und hängt fest an Gefühlen wie Scham oder sogar Schuld. Es gibt viele Methoden und Tricks, um sich von solchen Blockaden zu befreien, die eigene Kreativität zu triggern und Raum für Neues zu schaffen.
Chakra Yoga Sequenz mit Fokus auf das Sakral-Chakra
Das 2. Chakra sitzt im unteren Becken, etwa eine Handbreit unter dem Nabel und wird auch Sakral-Chakra genannt. Es ist das Zentrum der Freude und des Sexualtriebs. Ist das 2. Chakra blockiert, fühlt man sich lustlos, freudlos und eng. Um die Energie dort wieder zum Fließen zu bringen, helfen Yogastellungen, die die Hüften mobilisieren, und Drehungen, die den unteren Bauch enger werden lassen, um dann gezielt in diese Enge zu atmen. So schafft man nicht nur auf der körperlichen Ebene neuen Raum: Man wird offen, verspielt, humorvoll, lustvoll, locker, entspannt, frei und flexibel.
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Utthita Eka Pada Hasta Padangushthasana – Ausgestreckte Hand-Fußhaltung
So geht’s: Du Beginnst aufrecht stehend in der Bergposition, Tadasana. Verlagere spielerisch dein Körpergewicht mal mehr auf den rechten Fuß, mal auf den linken, mal auf die Fersen, mal auf die Zehenballen. Finde zur Ruhe und nehme das Erden deiner Füße wahr. Dann lege die Hände an die Hüften und stabilisiere das Becken. Verlagere alles Gewicht auf den rechten Fuß und ziehe dein linkes Knie nah zum Brustkorb. Nachdem du gut ins Gleichgewicht gefunden hast, greife mit der linken Hand innen am Knie vorbei um die Außenkante des linken Fußes. Hebe den linken Oberschenkel parallel zum Boden an. Beginne mit einer Ausatmung, das Bein langsam nach vorn zu strecken. Damit das Standbein gut für die Balance sorgen kann, halte es stark, aber nicht starr. Noch stabiler wird das Gleichgewicht, wenndu den rechten Arm seitlich auf Schulterhöhe ausstreckst. Wenn möglich, hebe das linke Bein etwas höher und führe es zur Seite. Im Anschluss wechselst du die Seiten.
Tipp: Leichter wird es, wenn du den Fuß nicht mit der Hand, sondern mit einem Gurt hälst: Dazu lege die Mitte des Gurtes um den Fuß und nehmen beide Gurtenden in die linke Hand. Lächele, wenn du die Balance verlierst und beginne noch einmal neu! Wer 100 Mal fällt, steht 101 Mal wieder auf …
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Eka Pada Rajakapotasana – Halbe Taube (Variante)
So geht’s: Aus dem nach unten schauenden Hund ziehst du das linke Knie nach vorn und legen es schräg außen hinter die linke Hand. Gleichzeitig lässt du das rechte Bein lang gestreckt zum Boden sinken. Ziehe die Flanken des Oberkörpers lang, bevor du die Unterarme am Boden ablegst. Dabei solltest du die Ellenbogen etwa unter den Schultern platzieren. Positioniere das linke Bein so, dass das Knie nicht vor, sondern links von der Hüfte liegt und die linke Ferse das 2. Chakra, also den unteren Bauch, berührt. Drücke den linken Fußrücken aktiv gegen den Boden. Erde dich bewusst und lasse dich langsam tiefer nach vorn sinken. Anschließend wechselst du über den herabschauenden Hund zur anderen Seite.
Tipp: Der Druck der Ferse bringt Bewusstsein zum Sakralchakra. Das vertiefest du, indem du tief ins untere Becken atmen. Genieße das Gefühl von Weite, wenn du dann in den herabschauenden Hund zurückkehrst.
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Parivritta Trikonasana – Gedrehtes Dreieck
So geht’s: Setze aus dem herabschauenden Hund den linken Fuß eine Schrittlänge nach vorne und drehe den rechten Fuß in einem 30-Grad-Winkel nach außen. Beginne, dein vorderes Bein langsam zu strecken. Sobald du bemerkst, dass sich dabei dein Rücken rundet, unterstütze die Haltung, indem du die Hände erhöht auf Blöcke oder die Sitzfläche eines Stuhls setzt. Wenn du stabil stehst, lege den rechten Handrücken an die Außenseite des linken Beines. Die linke Hand legst du ans Kreuzbein oder du streckst den Arm senkrecht nach oben. Halte das Becken möglichst gerade nach vorn ausgerichtet und die Wirbelsäule lang. Lenke den Atem zum engsten Ort im Bauch. Die Atembewegung massiert und aktiviert das Sakral-Chakra. Diese tiefe Drehung erfährt mehr Freiheit, wenn du mehr Raum im Becken schaffst. Dazu weitest du einatmend den Raum zwischen den Sitzhöckern und ziehst ausatmend das Steißbein Richtung Erde. Übe beide Seiten gleichmäßig.
Tipp: Diese Übung zeigt deutlich deine Grenzen. Begegne den Herausforderungen des gedrehten Dreiecks mit tiefem und beständigem Atemfluss. Sobald der Atem stockt, bist du einen Schritt zu weit gegangen. Nehme dir Zeit, die Asana langsam zu erobern und kehre immer wieder zu dem Ort deiner Leichtigkeit zurück, um von dort tiefer zu gehen.
Chakra Yoga-Sequenz mit Fokus auf das Stirn-Chakra
Das 6. Chakra befindet sich in der Mitte des Kopfes, etwa auf Höhe der Augenbrauen. Es wird auch das dritte Auge genannt. Hier sitzen die Intuition und die visionäre Kraft, die uns hilft, groß zu denken und über uns selbst hinauszuwachsen. Ist man an dieser Stelle blockiert, fühlt man sich dumpf, bequem, uninspiriert und mutlos. Umkehrhaltungen helfen dann, sich selbst herauszufordern und Zugang zu neuen Perspektiven zu finden. Neue Ideen brauchen die Vorstellung, dass Dinge möglich sind – und dass wir selbst sie erschaffen können.
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Lege dich flach auf den Bauch und bette deine Stirn auf Hände oder Unterarme. Beginne tief bis in den Bauch zu atmen. Nehme wahr, wie er sich gegen den Widerstand der Erde ausdehnt und wieder zurückzieht. Wenn du damit vertraut bist, atme zusätzlich ein paar Runden Bhastrika Pranayama: Dabei dehnt sich der Bauch einatmend wie ein großer Luftballon aus. Ausatmend wird der Nabel kraftvoll zur Wirbelsäule gezogen. Nach zehn bis zwanzig schnellen, gleichmäßigen Wiederholungen lassen Sie den Atem wieder natürlich fließen. Das Warm-up darf neben mehreren Sonnengrüßen gern mit Beckenkreisen, Hulahoop-Reifen oder mit Tanzen gestaltet werden. Dance as if nobody is watching! Wichtig für die gesamte Arbeit mit den Chakras ist der Atem. Nutzen Sie ihn, um in Bewegung zu bleiben. So wird jede Übung lebendig und vibrierend. Zwischen den folgenden Asanas fügen Sie immer wieder Sonnengrüße ein.
1. Gedrehter Ausfallschritt mit gestrecktem Bein
So geht’s: Ziehe aus dem herabschauenden Hund den linken Fuß nach vorne in den weiten Ausfallschritt. Verankere dein rechtes Knie fest am Boden und richte das linke Knie über dem linken Fußgelenk aus. Mit einer Einatmung richtest du deinen Oberkörper auf und strecken die Arme senkrecht nach oben. Mit der nächsten Ausatmung legst du die Hände vor dem Herzen im Anjali-Mudra aneinander. Dann drehst du den Oberkörper nach links und legst den rechten Ellbogen an die Außenseite des linken Knies. (Einfachere Alternative: Lege die linke Hand ans Kreuzbein und den rechten Unterarm auf den linken Oberschenkel.) Schiebe die Zehenballen des rechten Fußes fest gegen den Boden, bevor du mit einer Ausatmung das rechte Knie vom Boden abheben und das Bein streckst. Konzentriere dich auf die Vorstellung fest zu stehen und verabschiede dich von dem Wunsch, perfekt sein zu wollen. Anschließend wechsele über den Hund die Seiten.
Tipp: Mit dieser Übung schaffst du die Verbindung zwischen dem 2. und dem 6. Chakra: Dazu atme tief und lang in die verengten Räume des Beckens ein und durch die Stirn wieder aus.
2. Vasishthasana – Seitliche Bretthaltung
So geht’s: Aus dem herabschauenden Hund senke das Becken und komme in die Bretthaltung. Drehe den rechten Fuß auf die Außenkante. Setze den linken Fuß darüber und ziehe Beine und Füße zueinander hin, um dich zu stabilisieren. Schiebe die rechte Hand fest gegen den Boden, löse die linke Hand vom Boden und lege sie zunächst an die linke Hüfte. In dieser seitlichen Bretthaltung schmiege die Schulterblätter zueinander hin und stabilisiere dich. Dann beuge dein linkes Knie und greife mit der linken Hand an die Außenkante des linken Fußes oder in die Kniekehle. Mit der nächsten Ausatmung beginne, das linke Bein langsam nach vorne auszustrecken, dann drehe es auswärts und hebe es, so gut es geht, in die Senkrechte. Übe beide Seiten gleichmäßig.
Tipp: Diese herausfordernde Armbalance braucht eine klare Vision: Sehe dich selbst vor deinem inneren Auge im vollen Vasishthasana. Halte ganz gelassen an diesem Bild fest, auch wenn es beim Üben manchmal wackelt und nicht auf Anhieb gelingt. Auch hier gilt: spielerisch bleiben!
3. Pincha Mayurasana – Unterarmstand (Variation)
So geht’s: Beginne im Vierfüßlerstand mit den Fußsohlen an der Wand. Achte darauf, dass deine Knie senkrecht unter den Hüften stehen und die Hände senkrecht unter den Schulterköpfen. Setze die Ellbogen an die Stelle der Hände, sodass Sie die Unterarme schulterweit erden können. Schmiege die Schulterblätter zueinander hin und dicht an die Rippen und behalte diese Aktivität bei, wenn du mit der nächsten Ausatmung einen Fuß nach dem anderen an die Wand setzen und so weit mit ihnen nach oben wanderst, bis die Beine parallel zum Boden ausgerichtet sind. Ziehe die unteren Rippen und den Bauch nach innen. Wenn du noch einen Schritt weiter gehen möchtest, strecke die Beine abwechselnd senkrecht nach oben.
Tipp: Nehme wahr, wie die Tatsache, dass oben und unten vertauscht sind, deine Selbstwahrnehmung verändert. Lasse dich darauf ein, unsicher zu sein und nicht genau zu wissen, was „parallel zum Boden“ bedeutet. Sei dir aber auch deiner Kraft bewusst, die sich diese Herausforderung meistern lässt.
ANNETTE SÖHNLEIN und ELENA LUSTIG sind durch Chakra Yoga so kreativ geworden, dass es für ein ganzes Buch gereicht hat: „Innen.Außen“. Ihre wichtigste Botschaft lautet: „Schaffe mit Hilfe von Yoga aus eigener Kraft das Leben, das du führen möchtest.“ Annette und Elena unterrichten als Team und alleine Yoga in Berlin und an anderen schönen Orten.
Fotos: Anne Smith