Provokant und polarisierend

DHARMA PUNX

Nach einem Selbstmordversuch erwacht Noah Levine in einer Gummizelle. Seine vorangegangene Sinnsuche führte ihn über Alkohol, Drogen und Gewalt direkt hinter Gitter.Dort beginnt Noah nach einem Telefonat mit seinem Vater halbherzig zu meditieren und dessen Lehren zu folgen. Trotz vieler Rückschläge fallen die Samen dieser Lehre auf fruchtbaren Boden – und eine spirituelle Entwicklung nimmt ihren Lauf. „Dharma Punx“ ist weniger ein Buch über einen Genesungsprozess oder den Buddhismus. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich von einem jungen, unbedarften Skate-Punk zu einem gewalttätigen Heroinsüchtigen, zu einem buddhistischen Meditationsschüler und letztlich zum Lehrer entwickelt hat. Sympathisiert man mit dem Autor, ist das Buch sicher interessant zu lesen. Mir war es oft zu trotzig und sperrig geschrieben, außerdem teilweise nicht tiefgründig genug. „Dharma Punx“ ist mittlerweile übrigens eine Bewegung, die durch das Buch inspiriert wurde. In Deutschland finden regelmäßig Treffen der Dharma Punx Berlin statt.

Fazit : Der Titel klingt sehr verlockend, am Ende bekam ich allerdings mehr Punk als Dharma. Meine Prognose: Das Buch über den ehemals drogensüchtigen Punkrocker und inkarnierten Buddhisten wird polarisieren.

Laura Hirch

„Dharma Punx. Weg ins Leben“ von Noah Levine (Aurum Verlag, ca. 18 Euro)

Zurück ins Leben

YOGA IS

Suzannes Leben scheint perfekt. Bis sie nach dem Tod ihrer geliebten Mutter in eine tiefe Sinnkrise stürzt. Um die Trauer zu verarbeiten, lässt sie ihren gesamten Alltag hinter sich, widmet sich intensiv der Yogapraxis und bricht gemeinsam mit einer Freundin nach Indien auf. Sie praktiziert bei diversen Lehrern, führt tiefgreifende Gespräche und als sie nach einem Unfall, der sie selbst beinahe das Leben gekostet hätte, neue Energie in sich aufsteigen fühlt, kehrt sie in ihre Heimat zurück, um zu erforschen, warum Yoga alles umkehren und neue Optionen im Leben eröffnen kann. Yogalehrer und bekannte Yogis wie Krishna Das, David Life, Seane Corn, Baron Baptiste oder Ana Forrest kommen zu Wort – und am Ende dieser wunderbaren Dokumentation steht die Erkenntnis, dass Yoga dabei helfen kann, Trauer zu verwandeln und inneren Frieden zu finden.

Fazit: Yoga is – ein Weg, Wahrheit, Glück, Transformation und vieles mehr; auf jeden Fall aber ein Film, der berührt.

„Yoga Is – A Transformational Journey. Ein lebensverändernder Film über die Kraft des
Yoga“ von Suzanne Bryant (Busch Media Group, ca. 15 Euro, ab 2.8.2013 auf DVD erhältlich)

Ramana Maharshi: Der Weise vom Berg

Die Inder verehren ihn als Heiligen und in der westlichen Welt gilt er als einer der größten Weisen, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat: “Sei, was du bist”, lautet Ramana Maharshis klare und kraftvolle Botschaft. Seine Unterweisungen sind eine Einladung, den Pfad der Selbstergründung zu beschreiten – eine aufregende Reise ins eigene Herz.

Wie ein auf dem Rücken ruhender Hanuman hebt sich die Silhouette des Arunachala in der Morgendämmerung ab. Von Lichtfäden durchzogene Wolkenstränge ziehen über den langen Kamm hinauf zur Spitze, die in Nebel gehüllt ist. Shiva zeigt sich bedeckt. Der heilige Berg der Hindus, dessen Bedeutung die des Kailash noch übersteigt, gilt als Manifestation des Gottes Shiva. Der Legende nach soll er in Form einer Feuersäule den Göttern Brahma und Vishnu erschienen sein. Der „Hügel des Lichts“ oder „Hügel der Morgenröte“, was Arunachala übersetzt bedeutet, bezieht sich auf das göttliche Licht Shivas, das den Berg wie eine Aura umgibt. Angezogen von dieser besonderen Kraft machen sich alljährlich Millionen von Menschen auf den Weg, den heiligen Berg zu umrunden oder zu besteigen: als spirituelle Übung, als Bitt- und Bußgang unter Shivas Obhut. Wer sich auf den rot-weiß markierten Pfad begibt, darf hoffen, dass Sünden verziehen und Wünsche erfüllt werden, dass Karma gelöscht und Befreiung erlangt wird. Die Pilgerstadt Tiruvannamalai am Fuße dieses heiligen Berges befindet sich inmitten eines energetischen Zentrums: Seine drei Kraftkoordinaten sind der 980 Meter hohe Arunachala, die vor mehr als 1500 Jahren an seinen Ausläufern errichtete Anlage des Arunacalesvara-Tempels, der als eines der bedeutendsten Shiva-Heiligtümer Südindiens gilt, und Ramana Maharshi. Dieser große Seher lebte von 1879 bis 1950 und gilt als einer der bedeutendsten Weisen des 20. Jahrhunderts. Der von ihm gegründete Ashram ist mittlerweile ein Mekka für Sinnsucher aus der ganzen Welt.

DIE JUNGEN JAHRE
Venkataraman Iyer, der später als Ramana Maharshi bekannt werden soll, wird am 30. Dezember 1879 als zweites von vier Kindern in Tiruchulli in Südindien geboren. Sein Vater, ein kluger und großzügiger Mann, arbeitet am Gericht, seine Mutter ist eine tief spirituelle Frau. Als der Vater am 18. Februar 1892 stirbt, zieht die Familie zu verschiedenen Verwandten – Venkataraman und sein älterer Bruder kommen zum Onkel nach Madurei. Das, was später seine Erweckung genannt wird, vollzieht sich in mehreren Episoden: Als er zum ersten Mal vom Berg Arunachala hört, hat er so etwas wie eine Vorahnung, und als ihm bei seinem Onkel ein Buch mit den Lebensgeschichten der 63 Tamil-Heiligen in die Hände fällt, überkommt ihn eine überwältigende Freude. Die Erzählungen der Entsagung, die zur Vereinigung mit dem Göttlichen führt, inspirieren ihn zu Ehrfurcht und Nachahmung. In dieser Zeit erwacht in ihm jener Bewusstseinsstrom, den er und seine Schüler später als ‚Meditation’ bezeichnen. Nur wenige Monate später, mit etwa 16 Jahren, führt dieser Bewusstseinsstrom zur Selbstverwirklichung. Wieder geschieht es im Haus seines Onkels: eine plötzliche Todesangst überkommt ihn. Doch statt sich ihr auszuliefern, fragt er sich, was genau dabei ist, zu sterben, während er fühlt: „Ich sterbe.“ Ist dieser Körper das „Ich“? Um dies zu ergründen, macht er sich steif wie eine Leiche und hört auf zu atmen. Dabei nimmt er keine Todesangst wahr, sondern unabhängig vom Körper die ganze Kraft des „Ich“ als universales, unsterbliches Selbst. Diese Erkenntnis des Selbst als unsterbliches Bewusstsein wird zum Kern seiner Lehre. „Das ‚Ich’-Empfinden gehört zur Person, zum Körper und Verstand. Wenn ein Mensch zum ersten Mal sein wahres Ich erkennt, erhebt sich etwas anderes aus der Tiefe seines Seins und nimmt von ihm Besitz. Dieses Etwas ist hinter dem Geist. Es ist unendlich, göttlich und ewig. Solange ein Mensch sich nicht auf diese Frage nach dem wahren Selbst einlässt, werden ihn Zweifel und Ungewissheit ein Leben lang begleiten. Was nützt es, über alles Bescheid zu wissen, wenn du nicht weißt, wer du selbst bist?“ (Aus: Gespräche mit Paul Brunton).

Der junge Erleuchtete eckt an. Ihn interessieren weder die Schule noch seine Freunde, das frühere Ego ist verschwunden. Stattdessen meditiert er und hält sich mit Hingabe im Tempel auf, um seiner Seele neuen Halt zu schenken. Den Erwartungen an einen heranwachsenden Sohn aus bürgerlicher Familie entspricht dieses Verhalten natürlich nicht. Als sein älterer Bruder ihn schimpft, er führe sich wie ein Sadhu auf, genieße jedoch die Annehmlichkeiten eines häuslichen Lebens, weiß Venkataraman, dass er sich nun auch äußerlich lösen muss. Er entledigt sich jeden Besitzes und macht sich auf den Weg zum heiligen Berg Arunachala. Später wird er diesen Berg in Anlehnung an Sri Shankara, der ihn als Berg Meru bezeichnete, das Herz der Erde und den spirituellen Mittelpunkt der Welt nennen.

AM BERG ARUNACHALA
In den Hallen und an den Schreinen des Arunacalesvara-Tempels beginnt die zweite Phase seiner Selbstverwirklichung: der vollkommene Rückzug von der äußeren Welt. Monatelang verbringt er in meditativer Versenkung, in Samadhi. Dabei nimmt er weder das Ungeziefer wahr, dass sich ihm in die Haut frisst, noch den Wechsel von Tag und Nacht. Während dieser Zeit muss ihm ein junger Swami Nahrung in den Mund legen, da er nicht darauf reagiert, wenn man etwas vor ihn stellt. Später wohnt er in verschiedenen Höhlen am Arunachala und immer mehr Menschen suchen seine stille Gegenwart. Damit beginnt allmählich die dritte Phase, die ein halbes Jahrhundert dauern soll und in der er für „alle, die zu ihm kamen, ein strahlend helles Licht“ ist. (Arthur Osborne)

Als Ramana Maharshi die Erfahrung des reinen Seins, der Identität mit dem Absoluten im Alter von 16 machte, wusste er noch nichts von den heiligen Schriften der Hinduisten. In Tiruvannamalai kommt er jedoch mit der Lehre des Advaita- Vedanta in Kontakt. Da erkennt er, dass er das Gelesene wie die alten Rishis [die Seher der Veden, Anm. d. Red.] bereits intuitiv immer schon wusste. Advaita bedeutet Nicht-Zweiheit und meint, dass nur das Absolute existiert. Es ist die einfachste und zugleich tiefste Lehre, die letzte Wahrheit jenseits der Komplexität der Kosmologie. Was wir für unser „Ich“ halten, ist nichts als ein Konstrukt unseres Egos – unterschiedliche Rollen, die wir spielen und die wir für die Wirklichkeit halten. Mit diesen Rollen erschaffen wir unsere persönliche Wirklichkeit und unser Leid. Das, was wir für Individualität halten, ist Maya, Illusion. „Das Wirkliche ist immer, was es ist. Wir müssen nur damit aufhören, das Unwirkliche für wirklich zu halten.“ Finde das „Selbst“ hinter der „Ich-Konstruktion“ und du findest Stille, Frieden, Glück. „Deine Aufgabe ist es, zu sein – und nicht dieses oder jenes zu sein.“ Um diese Bewusstseinsebene zu erreichen, empfiehlt er die Methode der Selbstergründung. „Erforsche unaufhörlich die Frage ‚Wer bin ich?’“, lehrt Ramana Maharshi. „Das wirkliche Ich oder das Selbst ist nicht der Körper noch einer der fünf Sinne, noch die Sinnesobjekte, noch die Handlungsorgane, weder Prana, noch der Geist und nicht einmal der Zustand des Tiefschlafs, in dem dies alles nicht erkannt werden kann. Wenn du alles zurückgewiesen hast, indem du dir sagst: ‚Das bin ich nicht’, ist das, was übrig bleibt, das Ich, und das ist Bewusstsein.“

BHAGAVAN SRI RAMANA MAHARSHI
Etwa zehn Jahre, nachdem er seine Familie verlassen hat, um 1907, erklärt einer der glühendsten Anhänger, Ganapati, dass Swami Venkataraman künftig als Bhagavan Sri Ramana Maharshi bekannt sein soll. Maha-Rishi bedeutet: der große Seher, der Weise. Von 1916 bis zu ihrem Tod im Jahr 1922 lebt auch Ramana Maharshis Mutter etwas oberhalb der Höhle am Arunachala, im Skanda-Ashram. Der Schrein, den der große Weise seiner Mutter nach ihrem Tod bauen lässt, bildet den Mittelpunkt des heutigen Ashram-Geländes. Dass Ramana Maharshi im Westen bekannt wurde, verdanken wir einem Engländer namens Paul Brunton (1898-1981). Der Journalist und Buchhändler, der seinem eigenen Bekenntnis nach aus einer Welt kommt, „in der die Tragödien des Lebens weit stärker empfunden werden als in dieser friedlichen Dschungeleinsamkeit“, trifft im Januar 1931 als erster Westler auf den weisen Mann. Neugierig und skeptisch zugleich betrachtet er Ramana Maharshi, wie dieser auf seinem Bett liegt, nur mit einem weißen Lendentuch bekleidet und umgeben von Jüngern. Er fragt sich, ob da einer vielleicht nur Guru spielt. Je länger er der schweigenden Vorstellung beiwohnt, um so mehr spürt er eine magnetische Anziehungskraft, die all seine Fragen, die er sich bei der Reise zu Ramana Maharshi ausgedacht hat, hinfällig werden lässt: „Es scheint jetzt keine Rolle mehr zu spielen, ob sie gestellt werden oder nicht, wie es auch keine Rolle mehr zu spielen scheint, ob ich die Probleme, die mich bisher beschäftigt haben, löse oder nicht. Ich weiß nur, dass nahe bei mir ein steter Strom der Ruhe fließt, dass ein tiefer Friede mein Innerstes erfüllt und mein von Grübeleien zermartertes Gehirn anfängt, zur Ruhe zu kommen. (…) Mit plötzlicher Klarheit erkenne ich, dass der Verstand sich seine eigenen Probleme schafft, die er dann zu lösen versucht. Für jemanden, der wie ich so hohen Wert auf den Verstand gelegt hat, ist dies eine wahrhaft überraschende Erkenntnis.“ (Paul Brunton: Von Yogis, Magiern und Fakiren).

Ramana Maharshi verlässt in den 54 Jahren, die er bis zu seinem Tod am 14. April 1950 in Tiruvannamalai lebt, den Ort niemals. Er wechselt die Tempel, die Höhlen, doch niemals mehr entfernt er sich vom Arunachala. In dem 1922 erbauten Ashram besitzt er bis zu seiner Krebserkrankung nie ein eigenes Zimmer oder eine abgeschlossene Wohnung. Die Menschen strömen in Scharen zu ihm – mit intellektuellen oder existenziellen Problemen, mit Wünschen und Hoffnungen. Jeder kann jederzeit zu ihm in die Halle kommen. Die alles durchdringende und transformierende Kraft der schweigenden Belehrung [Upadesa, Anm. d. Redaktion] ist sein Markenzeichen und er beeindruckt durch seine innere Stille, Bescheidenheit und Freundlichkeit. Mit seinen mündlichen Unterweisungen, die er in späteren Jahren einführt, beschreitet er methodisch den Weg der Erkenntnis [Jnana, Anm. d. Red.]: Allein durch Konzentration auf die Selbstergründung sei das Ego zu überwinden und das Selbst zu verwirklichen.

SEI, WAS DU BIST
Bücher hat Ramana Maharshi allerdings nie geschrieben. Es existieren jedoch zahlreiche Niederschriften seiner Schüler, erschienen als „Gespräche des Weisen vom Berge Arunachala“. Als Hauptwerk gilt indes das von seinem Bibliothekar David Godman herausgegebene Kompendium seiner Unterweisungen: „Sei, was du bist!“ Vor dieser Aufforderung des großen Weisheitslehrers zerbröseln die Wellness-Botschaften unserer heutigen Zeit – „Das gönne ich mir“, „Das bin ich mir schuldig“ – zu dem, was sie sind: Plattitüden einer Konsumwelt und Ausdruck eines unreflektierten Selbstbewusstseins. Wer hingegen den Schlüssel zum Glücklichsein sucht, dem sei die Lehre von Ramana Maharshi ans Herz gelegt. Ihr zu folgen, erfordert Übung, jahrelang. Selbstverwirklichung gibt es nicht zum Nulltarif. Allerdings weist Ramana Maharshi ausdrücklich darauf hin, dass „zwischen Arbeit und Weisheit kein Gegensatz besteht, im Gegenteil: Wer in der richtigen Weise meditiert, dessen dadurch hervorgerufener Geistesstrom wird in das Tagwerk einfließen.“ Die Dämmerung bricht in Indien schnell und unvermittelt herein. Shiva, der sich in der Form des Berges sichtbar gemacht hat, bleibt auch in der Dunkelheit zu erkennen. Sein Licht erhellt jede Finsternis. „Arunachala“, so Ramana Maharshi, „ist das Herz der Welt, ist Shiva selbst. So wie wir uns mit dem Körper identifizieren, so identifiziert sich Shiva, die Höchste Wahrheit, mit dem Berg. Es geschieht aus Liebe zu denjenigen, die ihn zu erkennen suchen, dass Shiva sich in der Form eines Berges sichtbar macht. Der Sucher findet Rat und Trost in seiner Nähe.“ ✤

Irene Nießen besuchte Tiruvannamalai 2007 und 2010. Sie arbeitet als Journalistin und Yogalehrerin in Frankfurt am Main.

Yogasequenz zum Podcast #90 Yogapraxis mit Kindern: Entdeckt gemeinsam die Zauberinsel der Tiere – mit Leila Oostendorp

kinderyoga mit leila oostendorp zauberinsel titelbild

Jeden zweiten Sonntag im Monat gibt es bei uns im YogaWorld Podcast die Praxisreihe, in der ausgewählte Yogalehrende dich durch eine Asana-, Meditations- oder Pranayama-Praxis führen. In Folge #90 hatten wir Leila Oostendorp mit einer ganz besonderen Praxis zu Gast, nämlich Kinderyoga. Die Folge ist geeignet für alle Kinder egal welcher Altersgruppe. Auch die Eltern, Geschwister oder Freunde sind herzlich eingeladen, mitzuüben und sie auf eine Reise zur “Zauberinsel der Tiere” zu begleiten. Wir wünschen euch viel Spaß und eine tolle gemeinsame Zeit!

Dieser Artikel ersetzt natürlich nicht das Hören des Podcasts. Aber hier zeigen wir dir zur Veranschaulichung Leilas Yogasequenz in Bildern:

Dein Lieblingstier hilft beim Schneidersitz

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Der Hund

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller
© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Der Affe

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Der Löwe

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Der Esel

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Das Tigerbaby

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Partnermassage

© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Models: alle Yogis und Yoginis des © Kinder Yoga Welt Institut


© KiYoMaMu Kinder Yoga Musik Verlag, Leila Kadri Oostendorp & Philipp Stegmüller

Leila Kadri Oostendorp ist die Gründerin des Kinder Yoga Welt Instituts und bietet seit 2008 gemeinsam mit ihrem Team Kindern und Teenies durch Yoga einen Ort, sich selbst zu entfalten, zu wachsen und sich sowohl körperlich als auch geistig zu entwickeln. Mit diesen Gedanken hat sie 2013 eine neue Lernmethode für den Yogaunterricht mit Kindern entwickelt und mit dem Kinder Yoga Musik Verlag KiYoMaMu veröffentlicht. Seitdem folgt Leila dem Ruf ihres Herzens, als Yoga- und Entspannungspädagogin, sowie als Ausbilderin für Kinder- und Teenies-Yogalehrer*innen einen Beitrag zu leisten, die Erde etwas friedlicher, freundlicher und schöner zu gestalten.

“Ganz wichtig für mich ist, dass die Kinder am Yoga Spaß haben und ganz spielerisch und ohne Leistungsdruck die Übungen ausführen.”

Ihre Erfahrung und ihr Wissen im Kinder-, Teenies- und Familien-Yoga teilt Leila auch als vierfache Autorin in mehrsprachigen Yogabüchern sowie seit 2012 als Leiterin einer (kostenlosen) Kinder-, Teenies- und Familien-Yoga Lehrer*innen Online Community.

Mehr zu Leila Oostendorp und ihrer Arbeit unter www.kinderyogawelt.de (KYWI), www.kinderyoga-musik.de (KiYoMaMu Verlag) und auf Instagram @kinderyogaweltinstitut

Was kann Yoga wirklich?

The Science Of Yoga

Dieser Frage geht der Journalist William J. Broad in seinem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch „The Science of Yoga“ nach, das in den USA 2012 eine heftige Kontroverse ausgelöst hat, weil es unter anderem auf die Gefahren des Yoga hinweist. Dieses Werk bringt aber vor allem auf unterhaltsame und lehrreiche Weise Ordnung in die beinah unüberschaubare Anzahl von Theorien über Yoga und seine Wirkungen. Anhand kleiner Anekdoten wird die teils graue Theorie zum leichten und lebendigen Lesevergnügen. Dabei verliert der Autor, der selbst seit Über 40 Jahren regelmäßig Yoga übt, aber nie die Forschung und deren Erkenntnisstand aus dem Blick. Er klärt fundiert über die Vor- und Nachteile auf, wobei die positiven Effekte definitiv Überwiegen. Aber ja, Yoga birgt auch Risiken in sich, die Broad neutral unter die Lupe nimmt. Warum er sich diese Arbeit gemacht hat, für die er so stark kritisiert wird? Weil Yoga „eine zu große Unternehmung ist, um Unachtsamkeit und versehentliche Fehler hinzunehmen.“

Fazit : Ein wichtiges Buch, das viel erklärt und die Augen öffnet – ein Muss für alle wissbegierigen Yogis.

„The Science of Yoga. Was es verspricht – und was es kann“ von William J. Broad (Herder, ca. 22 Euro)

Gute Beziehungen

Für gesunde Beziehungen ist ein direktes Feedback durch das Gegenüber entscheidend,
da man sich selbst meist nicht unvoreingenommen genug sieht.

Der andere muss dabei nicht unbedingt ein Mensch sein – die Götter helfen allerdings nur bedingt weiter, denn die sind entweder ohnehin perfekt und fehlerfrei oder sie antworten nicht. Außerdem taugen sie nicht als Beziehungsvorbild, weil sie unsterblich sind und daher viel zu viel Zeit haben, ihre Angelegenheiten zu klären oder sich ewig zu streiten (wie man von den griechischen und indischen Göttern weiß). Wir Menschen müssen dagagen in relativ kurzer Zeit zu einem guten Ende kommen. Auch unsere beschränkten Kräfte zwingen uns dazu, unsere Beziehungen zur Mitwelt halbwegs in Ordnung zu halten. Aus yogischer Sicht leben wir nicht nur zu unseren Mitmenschen in Beziehung, sondern zur gesamten belebten und unbelebten Natur. Deswegen muss man nicht gleich pauschal behaupten, alles hinge mit allem zusammen, aber wir können beim genauen Hinsehen die Folgen unserer Handlungen (und Unterlassungen) sowie bestimmte Wechselwirkungen beobachten. Unsere Wahrnehmung für die gesamte Mitwelt zu verfeinern, sich zu sensibilisieren und aufnahmefähig für (neue) Erkenntnisse zu werden, ist im Yoga Programm. Aus dem Mehr-Sehen und dem Sich-in-Bezug- Setzen entsteht fast zwangsläufig der Wunsch, etwas leiser aufzutreten, einfacher und behutsamer zu leben. Das Begreifen der Zerstörung unserer natürlichen Umwelt durch die menschliche Zivilisation lehrt Demut. Wer nicht altmodisch von „Demut“ oder „Behutsamkeit“ sprechen möchte, kann diese Idee auch modern „Postwachstumsökonomie“ oder „Sharing Economy“ nennen. Oder man betreibt gleich „Transformationsdesign“ statt die Dinge einfach zu ändern … In jedem Fall ist klar, dass der Mensch in ständiger und enger Beziehung zur Erde steht, egal, ob er das will und weiß.

Mitgefühl und Verantwortung
Was viele von uns offenbar vergessen haben, ist zum Beispiel die schlichte Tatsache, dass menschliches Leben zu hundert Prozent von Pflanzen abhängt. Eine Ecke weiter sieht es nicht besser aus: Unsere Beziehungen zu Tieren sind kaputt. Wir finden nach wie vor bestimmte Tiere süß und haustiertauglich, während andere Tiere mit großer Selbstverständlichkeit gegessen, gejagt oder gequält werden. Die Massentierhaltung ist sicherlich eines der größten Verbrechen, das wir Menschen täglich begehen – von einer guten Beziehung mit Tieren kann jedenfalls nicht die Rede sein. Aus Sicht des Yoga ist eine vegane Lebensweise hier der einfachste und schnellste Ausweg. Dem hilfesuchenden Einspruch, dass das doch nirgends wörtlich in den gängigen Yogaschriften steht – als ob es nur dadurch ein gutes Argument wäre – möchte ich mit der Anregung begegnen, über solch zentrale Yogabegriffe wie Ahimsa (Nichtverletzen), Maitri (Freundlichkeit) und Karuna (Mitgefühl) nachzudenken. Mitgefühl bedeutet nicht, nur manchmal etwas zu fühlen, sondern ist ein Gefühl stetiger Verbundenheit. Das verlangt Verantwortung und die Sensibilität, sich in andere Wesen hineinversetzen zu können. Wer Yoga ernst nimmt, kommt daran nicht vorbei.

Die Pointe der Beziehungsidee im Yoga ist ja gerade, gesunde Beziehungen nicht nur auf Menschen und den engsten Umkreis von Freunden und Familie zu beschränken, sondern umfassend zu verstehen. Aber wie können gesunde Beziehungen zwischen Menschen funktionieren? Wie gesagt, die Kompetenz der Götter ist in dieser Frage begrenzt. Die yogische Tradition kennt dagegen gleich zwei gegensätzliche Wege, sich in Beziehung zu setzen: den Weg des Asketen, des Einsiedlers, auf der einen und den des Haushälters und Familienvaters auf der anderen Seite.

Mitten im Leben
Traditionell wird Yoga eher mit dem keuschen Asketen in Verbindung gebracht. Interessant ist aber, dass praktisch alle wichtigen Lehrer des neuzeitlichen Yoga Familienväter waren oder sind – Rama Mohan Brahmacharya, T. Krishnamacharya, B. K. S. Iyengar, Sri Pattabhi Jois, T. K. V. Desikachar. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass das Leben und die Beziehungen in der Familie und unter Freunden den Yogi auf seinem Weg nicht behindern. R. Sriram lehrt zum Beispiel, dass die Qualität unserer Beziehungen immer auch die Fortschritte auf dem Yogaweg zeigt. Oder umgekehrt gesagt: Unsere Beziehungen sind Prüfsteine für die Qualität der Yogapraxis. Körper- und Atemübungen sind eben nicht alles im Yoga. Dagegen müssen sich hier die oft zitierten Yamas aus den Yoga-Sutren wirklich bewähren: rücksichtsvoller Umgang mit allen Geschöpfen (Ahimsa), Freisein von Habgier (Asteya), richtige Kommunikation und Aufrichtigkeit (Satya), Mäßigung in all unseren Handlungen (Brahmacharya) sowie Genügsamkeit (Aparigraha). Diese Prinzipien meinen nicht nur das Zwischenmenschliche im kleinen Umfeld; sie haben auch eine gesellschaftliche Dimension.

Die passende Übersetzung auf diese Stufe lautet dann zum Beispiel Toleranz, Kooperation und Solidarität. Besonders beeindruckend lehrte dies der schweigende Eremit Swami Nirmalananda (1925-1997). Obwohl er abgeschieden von der Welt an der südlichen Spitze Indiens in den Bergen unter einem Schweigegelübde lebte, stand er in regem Kontakt zur Außenwelt und schrieb täglich mehrere Stunden Aufrufe zur Gewaltlosigkeit an Politiker aller möglichen Länder oder diskutierte schriftlich mit seinen Schülern. Mit den Tieren und Pflanzen um seinen Ashram herum lebte er sowieso in Frieden, wie David Life in dem Buch „Yoga der Befreiung“ beschreibt: „Swamiji hatte Ahimsa in einem solchen Ausmaß verinnerlicht, dass alle Wesen in seiner Gegenwart sanft und freundlich waren. Die Tiere des Waldes waren seine hingebungsvollen Gefährten. Jeden Tag seines Lebens bezog er reine Freude daraus, die vielen Wildvögel zu füttern, die regelmäßig seinen Ashram besuchten.“

 

 

 

Love-Special: Interview // Veit Lindau

Liebe deinen Nächsten – und dich selbst

Keine Wohlfühlmaßnahme, sondern radikale Lebenskunst: In seinem Buch „Heirate dich selbst“ beschreibt der Autor und Coach Veit Lindau die Selbstliebe als „aktiven Umweltschutz“ und Weg zu wahrer Größe. Denn wie können wir vom Partner etwas erwarten, das wir uns eventuell selbst nicht zugestehen?

Anderen Menschen zu dienen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Um dies erfolgreich tun zu können, muss man allerdings zuerst sich selbst Liebe, Zeit, Aufmerksamkeit und Mitgefühl schenken. Denn ist der eigene Akku leer, ist es kein Egoismus, sondern eine Handlung der Selbstliebe, erst einmal für sich selbst zu sorgen. Ein integraler Ansatz von Selbstliebe, wie ihn Veit Lindau in seinem Buch „Heirate dich selbst“ vertritt, schließt die Integration unserer Schattenseiten mit ein. Dazu gehört, Frieden mit den eigenen Schwächen zu schließen und mit dem Üben von Liebe und Mitgefühl zunächst bei uns selbst zu beginnen. Ansonsten wechseln wir lediglich das Schlachtfeld: An die Stelle des Kampfes um materielle Güter und den beruflichen Aufstieg in der Leistungsgesellschaft tritt ein spirituelles Ideal. Durch Yoga wollen wir immer liebevoller, freier und besser gelaunt werden. In solch einer Welt der Wohlfühl-Spiritualität haben negative Gefühle keinen Platz. Angst, Trauer, Ohnmacht und Schmerz, die uns mehr über uns selbst lehren können als manche angesagte Yogastunde, werden einfach verdrängt. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Die Unfähigkeit, einen authentischen Kontakt zu den eigenen Emotionen herzustellen, bringt uns dazu, unsere eigenen Schattenseiten auf andere zu projizieren. Und wir wundern uns darüber, warum es unserem Beziehungspartner, dem Arbeitskollegen oder Schüler immer wieder so gut gelingt, den Finger in unsere Wunden zu legen. Im Yoga heißt die Fähigkeit der Innenschau „Swadhyaya“. Sie ist die Voraussetzung für echte Selbstliebe. Sie bezeichnet die Fähigkeit, einen aufrichtigen Kontakt zu sich selbst herzustellen, in sich hineinzuspüren und sich zu fragen: Was will ich wirklich? Indem wir Dinge nicht automatisch tun, weil wir es so gewohnt sind, sondern uns bewusst für oder gegen etwas entscheiden, üben wir Selbstliebe. Durch die vielen kleinen Handlungen des Alltags erschaffen wir unser eigenes Leben. Je präsenter wir dabei sind, desto mehr wird dies unseren eigenen Werten und Vorstellungen entsprechen.

YOGA JOURNAL: Was hat dich inspiriert, das Buch „Heirate dich selbst“ zu schreiben?
VEIT LINDAU: Primär meine eigene Erfahrung. Ich habe irgendwann festgestellt, dass zu meinem Glück nichts fehlte. Alles war und ist da. Doch vor dieser Erkenntnis stand mir immer etwas im Weg: ein tiefer, raffiniert verborgener Selbsthass. Der hatte all die schönen Momente, Wege, Methoden vergiftet, die ich bis dahin erlebt habe – Sex, Meditation oder auch Yoga. Ich erfuhr einfach alles, was ich tat, mit einer unglaublichen Härte. Selbst das Backen eines Kuchens wurde zur Bewährungsprobe. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – das habe ich nie infrage gestellt. Erst das Leid, dann die Erlösung … Bis ich irgendwann feststellte, dass diese Härte im Grunde genommen nichts weiter war als die Abwesenheit von Liebe. Dadurch habe ich es auch meinen Mitmenschen sehr schwer mit mir gemacht, insbesondere denen, mit denen ich nah zusammen war.

Was genau verbirgt sich hinter dem Titel?
Dazu muss ich sagen, dass ich mit Heirat etwas stark Positives assoziiere, weil ich durch die Ehe mit meiner Frau sehr viel Heilung und paradoxerweise auch Freiheit gefunden habe. Heiraten ist für mich nicht an den staatlichen Akt gebunden. Es ist eine Form von heiligem Commitment. Ich finde es unfair, wenn wir mit der Erwartung in eine Beziehung gehen, vom Partner etwas zu bekommen, was wir uns selbst oft nicht geben. Wir lehnen beispielsweise bestimmte Aspekte an uns ab, erwarten aber, dass der andere sie annimmt. Wir verraten uns selbst, lassen uns im Stich und fordern vom anderen ewige Treue. Das ist absurd. Fairer ist es, sich selbst zuerst aufrichtig und bedingungslos zu heiraten – zuerst diese tiefe Verbindung mit sich selbst einzugehen, bevor man sich jemand anderem zumutet.

Welche Missverständnisse treten beim Thema Selbstliebe häufig auf?
Eines der häufigsten Missverständnisse ist, dass Selbstliebe mit Sich-gut-Fühlen gleichgesetzt wird. Dafür werden auch viele spirituelle Konzepte missbraucht. Selbstliebe geht über Wohlfühlambitionen hinaus. Es ist eine radikale Lebenskunst, sich wirklich zu verstehen, sich optimal zu entfalten und der Welt konkret zu schenken. Manche Menschen in der spirituellen Szene werfen gerne mit Plattitüden um sich wie „Alles ist Liebe“, „Alles ist im Fluss“ oder „Alles ist eine Illusion“. Oft haben sie sich jedoch nicht die Zeit genommen, sich intensiv und genau mit bestimmten Kernfragen auseinanderzusetzen: Was ist denn dieses Ego wirklich, auf dem alle so gerne herumhauen und versuchen, es loszuwerden? Oder was sind denn meine genauen Werte – was verstehe ich unter Freiheit, was verstehe ich unter Erleuchtung und praktiziere ich das tatsächlich?

Nehmen wir mal das Ego: Was unterscheidet Egoismus von Selbstliebe?
Ich würde sagen, es ist der Grad der Bewusstheit. Ich halte Egoismus für eine völlig gesunde Phase in unserer Entwicklung. Ich bin überzeugt davon, dass ein Kind, das ungestört die Phase des Egoismus durchleben kann, irgendwann die Phasen der Ethnozentrik, der Weltzentrik und sogar der Transzendenz entwickelt. Gibt es hier Störungen, kann jedoch das passieren, was Ken Wilber als die Prä-/Trans-Verwechslung beschreibt: Wir versuchen etwas zu transzendieren, was wir noch nie hatten. Wenn ich beispielsweise in den frühen Phasen meines Lebens den Wert von Regeln nicht erkannt habe, weil ich nicht natürlich und angemessen an sie herangeführt wurde, kann es sein, dass ich später spirituelle Konzepte benutze, um zu begründen, dass Regeln nichts wert sind. Doch letzten Endes bin ich nichts anderes als ein unreifes Kind in einem erwachsenen Körper, das schlaue Floskeln benutzt, um zu tun, was es will. In dem ich mir vormache, reifer zu sein, als ich bin, blockiere ich meine Entwicklung. Bildhaft gesprochen: Der Erstklässler, der der Meinung ist, er gehöre in die Abiturklasse, schafft jede Menge Konfusion für sich und sein Umfeld. Integrität des Bewusstseins bedeutet für mich, die Schulklasse der Evolution, in die ich wirklich gehöre, in Frieden annehmen zu können. So bedeutet radikale Selbstliebe eben nicht, immer das zu tun, was ich tun will oder was sich gut anfühlt, sondern das Angemessenste.

Wie kann ich Klarheit erlangen, um nicht in diese Falle zu tappen?
Ich glaube, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss. Auch ich habe Phasen erlebt, in denen ich mich für erleuchtet gehalten habe, nur weil ich einige gnadenvolle Einblicke in die Vollkommenheit des Lebens geschenkt bekam. Irgendwann musste ich – widerwillig und peinlich berührt – realisieren, dass ich meine irdischen Hausaufgaben noch nicht erledigt hatte. Dieses Erwachen hat wehgetan, aber es hat mir auch Boden unter den geistigen Füßen gegeben. Es waren meine weltlichen Probleme, die mich gnadenlos darauf hinwiesen, dass etwas nicht stimmte: Beziehungsprobleme, finanzielle Schwierigkeiten – die üblichen Zen-Meister! Lange Zeit dachte ich, dass ich all diese Probleme habe, weil die Welt noch nicht so weit ist, wie ich mit meinen Idealen. Das war ein guter Witz. Irgendwann holt dich dein Schatten ein und dir dämmert: All diese nervenden Hindernisse wollen dir nichts Schlechtes. Sie weisen dich auf etwas hin.

Welche Rolle spielten dabei deine Beziehungen?
Eine sehr wichtige. Ich kann nur jedem Menschen empfehlen: Wenn du es ernst meinst mit spiritueller Transformation, mache deine engsten Beziehungen zu Prüfsteinen für deine wahre Reife. In alten Traditionen lief das deshalb so: Wenn du als 25-jähriger Mann zu einem spirituellen Meister kamst, hat er dich nicht unterrichtet, sondern abgewiesen – mit dem freundlichen Ratschlag, erst einen Job zu finden, eine Frau zu heiraten und Kinder großzuziehen. Das ist die Phase, in der wir das Ego klären, festigen, reinigen. Es ist die Phase der Verantwortung. Wenn wir versuchen, das zu überspringen, erinnert uns die Welt bis zu unserem Lebensende schmerzhaft daran, dass etwas nicht stimmt. Ich kenne 60-jährige Männer, die sich immer noch weigern, erwachsen zu werden. Das ist manchmal komisch, aber oft traurig anzusehen.

Was ist unter den praktischen Übungen, die du deinen Lesern in „Heirate dich selbst“ empfiehlst, deine Lieblingsübung zum Thema Selbstliebe?
Bei vielen Indianerstämmen in Nordamerika gab es die Tradition, sich vorzustellen, der Tod säße einem permanent auf der linken Schulter. In jedem Augenblick des Lebens kann man seinen Tod fragen: „Was ist jetzt die beste, kraftvollste Art, diesen Moment zu verbringen?“ Seit ich zwölf war, ist der Tod zu einem kostbaren und vitalen Lebensberater für mich geworden. Wenn ich mich dabei ertappe, dass ich verkrampfe – zum Beispiel, weil ich einen Fehler gemacht habe – dann erinnere ich mich an diese Übung. Ich frage meinen Tod: „Was ist die beste Art, damit umzugehen?“ Und sogleich sehe ich die Dinge aus einer nüchternen und übergeordneten Perspektive. Es wird sofort klar, wie absurd es ist, sich angesichts seines Todes damit zu stressen, nicht vollkommen zu sein, ein paar Pfund zu viel auf den Hüften zu haben oder gerade eine Niederlage eingefahren zu haben. Diese Perspektive führt mich automatisch in einen Zustand von Entspannung und Selbstfreundlichkeit. Das bedeutet nicht, dass angesichts des Todes alles egal wird. Doch es wird absolut klar, um was es wirklich, wirklich geht: auf eine entspannte und freundliche Weise deine beste Version in der Gegenwart zu leben.

Mehr Informationen zu Veit Lindau und seiner Arbeit gibt es unter www.veitlindau.com und
www.heirate-dich-selbst.de.
Sein Buch „Heirate dich selbst“ ist 2013 im Kailash Verlag erschienen.

Ein Paar Verrückte

Befreite Seelen und ein Paar Verrückte

Das Konzept der romantischen Liebe halten Sharon Gannon und David Life für überbewertet. Ihre Beziehung basiert auf Zusammenarbeit und Mitgefühl – für die Gründer des Jivamukti Yoga eines der besten Gefühle überhaupt.

YOGA JOURNAL: Sharon und David, wie lange kennt ihr euch schon?
SHARON GANNON: Wir trafen uns 1983 in New York City das erste Mal.
DAVID LIFE: Dreißig Jahre dieses Lebens sind eigentlich ziemlich schnell vergangen. Als Yogis müssen wir spezifischer benennen, von welchem Leben wir sprechen. Sharon und ich haben zwar keine speziellen Erinnerungen an frühere gemeinsame Leben, aber ein Gefühl, dass wir da weitermachen, wo wir das letzte Mal aufgehört haben.

Wart ihr schon immer ein Paar?
SHARON: Ein Paar [sic] Verrückte – ja. Ein verheiratetes Paar – nein.
DAVID: Der Begriff „Paar“ oder „paar“ kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Darum weiß ich nicht so genau, wie ich darauf antworten soll. Lieber definiere ich den Begriff einmal: Es kann sich dabei um eine Mengenangabe handeln und sich auf zwei oder mehrere Einheiten beziehen. Ein paar Äpfel, ein paar Minuten … und dann spricht man noch vom „Paaren“ und meint damit einen sexuellen Akt, der normalerweise nur ein paar Minuten dauert (lacht) …

Versteht ihr euch als Liebespaar?
DAVID: Wir waren uns über die Jahre hinweg immer sehr nah, was uns wichtig ist. Wir finden aber auch, dass die romantische Liebe im Vergleich zu anderen Konzepten wie Zusammenarbeit oder Mitgefühl – eines der besten Gefühle – in unserer Kultur überbewertet wird. Manche Projekte gehen wir zusammen an, sind jedoch auch jeder für sich gleichsam produktiv. Bei gemeinsamen Projekten sind es unsere verschiedenen Ansichten und Meinungen genauso wie unsere Übereinstimmungen, die unsere kreativen Ergebnisse und Lösungen hervorbringen. Vielleicht trifft es die Antwort „ein Paar Verrückte“ wirklich am besten.

Wie integriert ihr yogische Prinzipien in eure Beziehung?
SHARON: Unser Zusammensein basiert auf Yoga. Es ist der Grund, weshalb wir zusammen sind. Wir unterstützen uns gegenseitig in unserer spirituellen Praxis. Wir befinden uns beide in einer äußerst verbindlichen Beziehung – mit Gott.
DAVID: Wir sind beide stark, was unsere spirituelle Praxis angeht, doch diese Praxis ist persönlich und privat. Wir respektieren die Praxiszeiten des anderen und helfen uns gegenseitig dabei, zu dienen. Auch unsere kraftvolle Dharma-Praxis teilen wir miteinander: als Sprecher und Vertreter für Yoga, Veganismus, Umweltschutz und Aktivismus haben wir die Jivamukti-Yogamethode und -schule in New York gegründet und betreuen noch immer unsere Schüler und alle anderen Center weltweit. Wir fühlen beide, dass eine funktionierende Beziehung nur zwischen zwei voneinander unabhängig glücklichen Menschen möglich ist, die
sich dafür entschieden haben, zusammen glücklich zu sein. Wenn eine Person von der anderen abhängig ist oder sich ohne sie nicht vollständig fühlt, steht das der Gleichheit im Weg, die solchen Prinzipien wie Zusammenarbeit oder Mitgefühl innewohnt.

Ihr lebt als Paar, das Brahmacharya [Enthaltung, Anm. d. Red.] als wichtiges Glied von Patanjalis Pfad praktiziert. Könnt ihr bitte etwas über eure Gründe, Erfahrungen, die Vorteile und Schwierigkeiten berichten, die damit in Zusammenhang stehen?
SHARON: Wir leben nicht als „Paar“ zusammen. Wir leben als Menschen zusammen, die Verzicht praktizieren, sich einer spirituellen Praxis verschrieben haben und keine Zeit für das Streben nach anderen Dingen haben. Da tauchen keine Schwierigkeiten auf, da wir uns von den normalen Erwartungen und Enttäuschungen befreit haben, die scheinbar die meisten Menschen in ihren Beziehungen plagen.
DAVID: Lass uns diesen Begriff erneut definieren, um Missverständnissen vorzubeugen. Brahmacharya ist Sanskrit, bestehend aus „Brahma“, dem schöpferischen Aspekt der hinduistischen Trinität Brahma, Vishnu und Shiva, und „Charya“, was unter anderem Fahrzeug oder Pfad bedeutet. Der Begriff bezeichnet also einen Weg, der zu Gott führt, und ein Fahrzeug, das sich dorthin bewegt. Man könnte auch sagen, dass sich das Wort auf den Umgang mit der kreativ-schöpferischen Energie bezieht, um Erleuchtung zu erlangen. Es steht mit allen Arten schöpferischer Partnerschaften in Verbindung und ist keineswegs ausschließlich für die Fortpflanzung unserer Spezies reserviert. Im klassischen Kontext wird als Brahmacharya-Lebensphase die von kleinen Kindern in Ashram-Schulen verstanden – eine Zeit, in der die schöpferische Kraft fürs Lernen und Wachstum verwendet wird. Im Sinne dieser Definition können wir behaupten, dass wir unsere gesamte schöpferische Kraft nutzen, um in diesem Leben Erleuchtung zu erlangen. Dahinter steht die Absicht, das Leid anderer zu mindern. Jeden Tag erfreuen wir uns daran, zu lernen, zu wachsen oder wieder mehr wie Kinder zu werden. Gründe haben wir viele dafür. Ganz besonders geht es uns jedoch darum, das Selbst in uns und im anderen wieder zu erkennen. Außerdem haben wir den Wunsch, das größtmögliche Maß an karmischen Rückständen in nur einem Leben zu verbrennen. Mit der direkten Unterstützung und Hingabe an die Verwirklichung durch den Lebenspartner ist das einfacher als im Rahmen normaler familiärer Pflichten.

Wie verwirklicht ihr diese Prinzipien in eurem Leben?
DAVID: Jedes Jahr verbringen wir einige Zeit zusammen in tiefem Rückzug in unserem „Wild Woodstock Forest Ashram and Sanctuary“. Normalerweise fasten wir dort und intensivieren unsere Sadhana. Wir stöpseln unsere Computer und Telefone aus und benutzen so wenig Elektrizität wie möglich. In dieser Stille versuchen wir, gemeinsam neue Grenzen auszuloten. Ein großer Vorteil ist, dass wir viele der „normalen“ Paar-Probleme umgehen, weil wir sie schlicht für irrelevant halten. Außerdem begegnen uns Spinnern nicht allzu viele „normale“ Probleme. Die Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind, entstehen vor allem dadurch, dass viele Leute annehmen, wir seien ein „normales“ Paar und sich nicht für unsere individuellen Bedürfnisse und Sehnsüchte interessieren. Meist sind sie vollkommen auf dem Holzweg, was ihre uns betreffenden Vermutungen angeht. ✤

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