“Gesundheit ist Reichtum. Geistiger Frieden ist Glück. Yoga zeigt den Weg.” Mit diesen Worten fasste Swami Vishnudevananda (1927-1993) seine über 30-jährige Arbeit zusammen. Dabei war es nie seine Absicht, einen Yogaweg mit der Bezeichnung “Sivananda Yoga” zu schaffen. Dies ergab sich aus den westlichen Yogastilen. Sowie aus dem Namen “Sivananda Yoga Vedanta Zentren”. Der von ihm gegründeten weltweiten gemeinnützigen Organisation.
1957 begann Swami Vishnudevananda im Auftrag seines Meisters Swami Sivananda (1887-1963), die Welt zu bereisen. Die “5 Punkte des Yoga”. Yogaübungen, Atemschulung, Tiefenentspannung in Savasana, vegetarische Ernährung und positive Denkanstöße aus der Vedanta-Philosophie mit Einführung in die Meditation. Swami Vishnudevananda bezog sich auf diese Darstellung des klassischen 8-Stufen-Lehrsystems nach Patanjali. “Simplify to clarify”. Also Erklären durch Vereinfachung, war ein wichtiger Teil seiner Unterrichtsmethode.
Ruhe und Besinnung
Als ich 1978 zum ersten Mal ein Sivananda Yoga Zentrum betrat, lagen die Grundprinzipien in der Luft. Eine ruhige Atmosphäre, geprägt von Räucherwerk. Gemischt mit dem Duft von Gemüse. In der kleinen Küche lief ein vegetarischer Kochkurs. Eine Gruppe von Schülern kam aus der Asana-Stunde und unterhielt sich mit dem Lehrer. Neben der Umkleide war ein Meditationsraum. Aus diesem drang eine intensive Stille. In den nächsten Monaten verstand ich, dass in dieser spirituellen Oase eine echte Yoga-Community lebte. Deren Mitglieder praktizierten schon frühmorgens. Denn sie hatten gemeinsam ein großes Projekt. Das spirituelle Vakuum in der urbanen Gesellschaft zu füllen.
Diene, liebe, gib, reinige dich, meditiere und verwirkliche.
Swami Sivananda
Diese Lehren sind die spirituelle Kraft der Sivananda Yoga Zentren. Sie inspirieren weltweit spirituell Suchende zu einem Leben in Nächstenliebe und Einheit.
Yoga-Energie der Einheit
In kurzer Zeit lernte ich die klassische Praxisreihe mit zwei Atemübungen, Sonnengebet und zwölf Haupt-Asanas. Dabei wurde viel Wert auf einen Ausgleich von Stellung, Atmung und Entspannung gelegt. Außerdem flossen eine Vielzahl von Asana-Variationen mit ein. Zur “Drop-in”-Yogastunde ohne Voranmeldung kamen viele verschiedene Teilnehmer. Nach der Endentspannung endete der abschließende Mantragesang mit einem gemeinsamen “Om Shanti – Om Frieden”. Dann lag da mehr als nur individuelles Wohlbefinden in der Luft. Die Yoga-Energie hatte alle zusammengebracht.
In der Zentrumsbibliothek fand ich Dutzende von Swami Sivanandas Büchern, damals noch hauptsächlich auf Englisch. In einfacher Sprache wurden dort die vier klassischen Yogawege erklärt. Am meisten beeindruckte mich Swami Sivanandas Kommentar der Bhagavad Gita. Darin flossen die scheinbar so unterschiedlichen Yogawege in ein praktisches Rezept für den Alltag zusammen. Handeln mit Verantwortung. Aber durch die Verhaftungslosigkeit den Blick auf das unveränderliche Bewusstsein gerichtet halten.
Ein Weltenbürger
Swami Vishnudevananda stellte nie seine indische Herkunft in den Vordergrund. Er benutzte Elemente des Hinduismus, um die Tiefe des Bhakti Yoga besser zu vermitteln. Sanskrit-Ausdrücke wurden nur benutzt, wenn sie für das Verstehen der Vedanta-Philosphie nötig waren. Durch seine Reisen gelang es ihm, Menschen verschiedener Religionen in gemeinsamer Yoga- und Meditationspraxis zusammenzubringen. Dabei verschmolz der kulturelle Hintergrund des Einzelnen mit einer tieferen menschlichen Kultur.
Swami Vishnudevananda nahm kein Blatt vor den Mund. So hielt er der westlichen Lebensart den Spiegel vor. “A king size cigarette leads to king size cancer.” “Der moderne Mensch stirbt mit 50 und wird mit 70 begraben.” Gleichzeitig hatte er Respekt vor der Disziplin und Ernsthaftigkeit der westlichen Yogaschüler. In Indien forderte er seine Landsleute heraus. “Meint nicht, ihr hättet Yoga automatisch aus eurer Kultur geerbt. Seid ihr bereit, mit Yoga wirklich sein Leben zu ändern? So tun es jetzt immer mehr Menschen im Westen.”
Swami Sivananda (1887-1963)
- Indischer Yogameister und Arzt
- Intensives Studium und Praxis von Yoga und Meditation in Rishikesh, Himalaya
- Gründung der “Divine Life Society” in Rishikesh (Ashram, der sich zu einer weltbekannten Yoga-Institution entwickelte)
- Veröffentlichung von über 200 Büchern zu allen Aspekten des Yoga
- Ausbildung von Yogameistern, die dem klassischen Yoga weltweit zu hoher Anerkennung verholfen haben (z. B. Swami Vishnudevananda, Swami Chidananda, Swami Krishnananda, Swami Satchidananda, Swami Venkateshananda)
- Gründung der “Yoga Vedanta Forest Academy” in Rishikesh (Modell für die Yogalehrer-Ausbildung im Westen)
- Persönliche Korrespondenz mit Yogaschülern auf der ganzen Welt
Yogalehrer für den Frieden
Aufgrund einer Vision entschloss sich Swami Vishnudevananda 1969, Yogalehrer als Friedensbotschafter auszubilden. Immer wieder betonte er: “Nur wenn man selbst die Kraft von Yoga als Mittel zum inneren Frieden erfährt und versteht. Dann kann man anderen helfen, dieses innere Potenzial freizusetzen.” Neben der vierwöchigen Yogalehrer-Grundausbildung entstand in den siebziger Jahren eine fortgeschrittene Ausbildung. In den achtziger Jahren schließlich ein Sadhana-Intensivkurs. Hierbei übt man schrittweise bis zu neun Stunden täglich Pranayama und Asanas.
Der von Swami Vishnudevananda gepflanzte Samen der Yogalehrer-Friedensmission ist mit heute weltweit jährlich über 50 Ausbildungen. Diese Arbeit findet immer noch ausschließlich auf ehrenamtlicher Ebene statt. Dadurch findet Yoga in allen denkbaren Gesellschaftsschichten Akzeptanz. Wer Yoga sucht, kann Yoga finden. Wie weit er kommt, hängt vor allem davon ab, mit welcher Einstellung sein Lehrer ihm zur Seite steht. Und welches Beispiel er mit seiner persönlichen Praxis gibt.
Ein Beitrag zum friedlichen Mauerfall
Dazu eine Begebenheit, die ich bei einem der letzten Besuche Swami Vishnudevanandas in Deutschland miterlebte. Als 1989 die Mauer fiel, war Swami Vishnudevananda begeistert. Er war im September 1983 mit einem Drachensegler selbst von West- nach Ost-Berlin geflogen. “Überwindet menschengemachte Grenzen nicht mit Bomben und Gewehren. Sondern mit Blumen und Liebe.” Eine Woche nach dem Mauerfall kam er nach Berlin. Denn er wollte den Präsidenten der DDR treffen. Der war gerade in einer Parlamentssitzung. Die Parteibürokraten teilten mit, dass ein Treffen mit Egon Krenz nicht möglich sei.
Was folgte, war eine meisterhafte Demonstration der Kraft von Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und Satya (Wahrhaftigkeit). Swami Vishnudevananda setzte sich auf den Bürgersteig vor dem Palast der Republik und meditierte. Nach einer Weile sprachen ihn die Wachsoldaten an. Er sagte er ihnen, dass er auch dem Präsidenten “zur baldigen Wiedervereinigung gratulieren” wolle. Nach längerem Warten erschien der Protokollsekretär der Regierung der DDR. Ihm übergab Swami Vishnudevananda eine signierte Kopie des “Großen illustrierten Yogabuches”. Er und fragte ihn, ob er das Buch dem Präsidenten überreichen würde. Der Protokollsekretär erwiderte einen diplomatisches “Ja”. Swami Vishnudevananda sah ihm daraufhin fest in die Augen: “Wirklich?” Sein Gegenüber wurde nervös. Er versprach, die Friedensbotschaft zu übermitteln. Bald darauf fuhr der dunkelblaue Präsidenten-Volvo aus dem Tor. Egon Krenz ließ den Wagen halten. Swami ermutigte ihn, für den Frieden die Öffnung aufrechtzuerhalten.
Für manche klingt das vielleicht nur wie eine Anekdote. Aber es könnte als Leitfaden für die sich schnell verbreitende Yogabewegung im Westen dienen. Yoga für viele, Yoga für alle? Ja, aber dabei bleibt die Aufmerksamkeit immer auf den Einzelnen gerichtet. Nur so zeigt Yoga die enorme Kraft, mit der man die eigenen inneren und äußeren Einschränkungen überwindet.
“Nur wenn man selbst die Kraft von Yoga als Mittel zum inneren Frieden erfährt und versteht, kann man auch anderen helfen, mit Yoga dieses innere Potenzial freizusetzen.”
Swami Vishnudevananda
Swami Sivadasananda, Yoga-Acharya, ist langjähriger Schüler von Swami Vishnudevananda. Dem Gründer der weltweiten Sivananda Yoga Vedanta Zentren. Er unterrichtet seit über 30 Jahren in den Sivananda-Yogalehrerausbildungen weltweit. Außerdem ist er einer der Leiter der Internationalen Sivananda Yoga Vedanta Zentren. Mehr Infos zu den europäischen Zentren findest du unter: www.sivananda.eu