Stefanie Rohr gibt dir Anregungen zur Arbeit mit den Koshas. Die Übungen stammen aus ihrem Übungskonzept Sammolahari, einer Kombination aus Kosha-Philosophie und taoistischer Energiearbeit.
Text: Stephanie Schauenburg / Tipps: Stefanie Rohr / Fotos: Elli Becker
Annamaya-Kosha – Physische Hülle

Das Sanskrit-Wort Anna bedeutet Nahrung. Entsprechend umfasst die “Nahrungshülle” all das, was durch Nahrung gebildet und erhalten wird: den physischen Körper. Obwohl er die einzige materielle Hülle ist, nehmen wir ihn oft nur diffus wahr: Anstatt zum Beispiel unsere Lungen zu spüren, “denken” wir sie. Anstatt aus dem eigenen Körper heraus Asana zu üben, ahmen wir eine Bewegungsvorlage nach. Der Grund: ein Großteil der Aufmerksamkeit ist in der mentalen Schicht gebunden.
Annamaya-Kosha in der Praxis:
Was ist nötig, damit du deinen Körper bewusst bewohnst? Der Schlüssel ist: achtsame Bewegung. Richte deine Aufmerksamkeit in Praxis und Alltag immer wieder auf deine konkreten, körperlichen Sinneswahrnehmungen: Beobachte nicht, bewerte nicht, spür nur hin.
Anregung von Steffi Rohr:
“In dieser Haltung kannst du dein physisches Zuhause auf vielschichtige Weise wahrnehmen: Spüre den Boden unter deinem vorderen Fuß und deinen hinteren Unterschenkel, dein Gewicht, den Halt. Nimm wahr, was geschieht, wenn du dein Becken sinken lässt: Wo ist Dehnung, wo ist Kraft? Was spürst du, wenn du einen Arm hebst und die andere Hand aufs Kreuzbein oder das hintere Bein legst? Versuche, nicht zu analysieren, sondern ganz in die Empfindung zu gehen.”
Pranamaya-Kosha – Hülle der Lebensenergie

Wenn du wahrnimmst, wie du atmest, um deinen Körper mit Sauerstoff zu versorgen oder wenn du spürst, wie beim Yoga-Üben Hitze in deinem Körper entsteht, dann bist du in Kontakt mit Pranamaya-Kosha, der “aus Energie gemachten Hülle“. Sie durchdringt den physischen Körper, reicht aber weit über ihn hinaus, zum Beispiel geschieht auch ein großer Teil der Kommunikation auf energetischer Ebene.
Pranamaya-Kosha in der Praxis:
Der Name sagt es bereits: Pranayama ist das klassische Übungsfeld, in dem wir uns mit unserer energetischen Hülle verbinden, Blockaden lösen und in unsere Kraft kommen. Aber auch mit dynamischer Bewegung, bewusster Kommunikation, Musik oder in der Verbindung zur Natur beeinflussen wir Pranayama-Kosha und bringen Energien in Fluss.
Anregung von Steffi Rohr:
“Eine meiner absoluten Lieblingsübungen zum Auftanken von Energie und zum Versprühen reiner Lebensfreude ist diese dynamische Bewegung aus dem Fersensitz. Richte dazu deinen Oberkörper auf und weite deinen Herzraum. Hebe einen Arm himmelwärts und breite den anderen zur Seite aus. Dann wechselst du zur anderen Seite und bewegst dich anschließend in eigenem Tempo und Intensität hin und her, gerne auch im Einklang mit dem Atem.”
Manomaya-Kosha – Mentale Hülle

Genau wie der physische Körper aus unzähligen Organen, Fasern und Zellen besteht, so ist auch die mentale Schicht wesentlich mehr als Intellekt: In der Manomaya-Kosha träumen und fühlen wir, wir bilden Meinungen, können uns erinnern, irren, streiten, ängstigen oder freuen. Manche Bewegungen in dieser Schicht sind flüchtig, andere erzeugen mit der Zeit tiefe Spuren und Muster (Samskara), die unsere Wahrnehmung und unser Verhalten bedingen.
Manomaya-Kosha in der Praxis:
Da diese Schicht bei den meisten von uns so vorrangig ist, geht es hier vor allem um Beruhigung, Klärung und ruhige Selbsterforschung. Der klassische Weg ist die Meditation. Aber es gibt auch viele andere wertvolle Praktiken.
Anregung von Steffi Rohr:
“Die Verbindung mit dem Meridianpunkt ‘Shen Men’ (Herz 7, ‘Tor des Geistes’) ist ein schöner Ansatz, um unsere Gefühle zu spüren und über sie zu sprechen. Zugleich ist er einer der effektivsten Punkte, um den Geist zu beruhigen und zu harmonisieren. Lege dazu deine linke Hand sanft auf dein Herz und stimuliere mit deinem rechten Daumen den Punkt: Er liegt in der Handgelenksfalte an der Außenseite des Gelenks.”
Vijnanamaya-Kosha – Hülle der Weisheit

Du bewegst dich in dieser Schicht, wenn du deiner Intuition folgst, wenn du kreativ bist oder in tiefstem Inneren weißt: Das ist die richtige Entscheidung. Genauso wenn du eine lebensverändernde Erkenntnis hast oder eine zündende Idee für ein scheinbar unlösbares Problem.
Vijnanamaya-Kosha in der Praxis:
Tiefere Einsicht entsteht fast immer aus der Stille. Deshalb ist auch hier die Meditation der klassische Weg. Kultiviere aber auch alles, was dich in deine Herzensqualität bringt und dich für deine innere Weisheit öffnet: ganz besonders Mantra und Mudra, Musik, Natur oder Tiere.
Anregung von Steffi Rohr:
“Das Lotus-Mudra steht für unsere individuelle Weisheit, Intuition und innere Schönheit. Indem wir unsere Hände wie eine sich öffnende Lotusblüte formen, öffnen wir uns für diese Weisheit und verbinden uns mit ihr. Lege dazu deine Hände auf Höhe des Herzens aneinander. Dabei berühren sich die Fingerspitzen zunächst wie eine Lotusknospe. Dann spreizst du die mittleren drei Finger auf. Wenn du magst, kannst du deine Blüte auch noch weiter öffnen und den Blick in sie hinein richten. Schließe dann die Augen und bleibe noch mindestens 10 Atemzüge.”
Anandamaya-Kosha – Wonnehülle

Wenn du still zufrieden bist oder die ganze Welt umarmen könntest, wenn du plötzlich dankbar bist, einfach nur weil du am Leben bist, und wenn du weißt: Es ist trotz allem gut, dann bist du in Kontakt mit deiner innersten, subtilsten Schicht. Diese Fähigkeit zum Glück, diese Liebe zum Leben ist immer da. Sie ist unsere eigentliche Natur.
Anandamaya-Kosha in der Praxis
Momente der Glückseligkeit kann man nicht “machen”, aber man kann sich für sie öffnen. Zum Beispiel, indem man Achtsamkeit, Dankbarkeit, Hingabe und Zärtlichkeit mit sich und seiner Umgebung kultiviert. Aber auch indem man sich Ruhepausen und stille Momente gönnt und sich mit Schönheit umgibt.
Anregung von Steffi Rohr:
“Es gibt kaum eine schönere kleine Geste, als uns tagtäglich einmal selbst zu umarmen oder unsere Hände ganz bewusst zu unserem Herzen zu legen und die Wärme, den Schutz und den Halt dieser kleinen Berührung zu spüren. In der Variante auf dem Foto kreuze ich die Hände und spüre meine Yin- und Yang-Energie. All das bist du, all das ist deine Lebendigkeit!”
Lies auch diesen Intro-Artikel zu den Koshas von Stephanie Schauenburg:
Wenn du mehr über die feinstoffliche Anatomie des Menschen lernen willst, dann hör die Folge 39 unseres Podcasts an. Darin spricht Anna Trökes über Koshas und Chakras und darüber, wie wir im Yoga mit ihnen unsere inneren Räume erfahren.