Interview mit Duncan Wong

Vor über 20 Jahren integrierte Duncan Wong Ashtanga Vinyasa Yoga, Kampfkunst, Thai-Massage und Tanz zu seinem Warrior-Flow-System „Yogic Arts“. Damals hat er Stars wie Madonna trainiert, heute lebt er zurückgezogen als Familienvater in einem Dorf in Japan. Eine Unterhaltung über Erdung im Spektakel, das wahre Ich und darüber, was Selfies mit Erleuchtung zu tun haben.

Deine Yogastunden ähneln oft einer Unterhaltungsshow. Spielst du da auf der Bühne eine Rolle?

Nach der yogischen Philosophie und auch nach meiner Erfahrung sind Körper und Geist bloß unsere Mittel, Geschenke, göttliche Energie. Der Ausdruck dieser Körper-Geist-Integration ist die Persönlichkeit. Die Rolle ist ein Mittel zur Inspiration, dafür wurde sie geschaffen, und nicht dafür, um uns damit zu identifizieren. Wenn jemand die Rolle nicht als Mittel des Dienens versteht, denkt man vielleicht: „Ich bin ein Star. Das bin ich.“ Aber wenn wir uns selbst wie ein Kanal für Information und Energie öffnen, können wir dienen. Wir schillern nur, um Menschen in die Gegenwart zu holen, um sie zu berühren.

Deshalb schießt du Selfies und zeigst gerne deine – durchaus beeindruckenden – Bauchmuskeln?

… danke. Ja, das macht doch Spaß! Wenn du Spaß hast, fühlst du dich wohl, sexy, dazugehörig und verbunden. Im Wort „Enlightenment“ (Erleuchtung) steckt „light“ (leicht): Mach’s dir leicht, hab Spaß! Es muss ein Vergnügen sein, ananda. In solchen Momenten hast du die Chance, wirklich etwas zu verändern. Indem du in die Tiefe der Seele und Spiritualität von Menschen gehst, kannst du ihre Fantasie anregen.

Wie gelingt das?

Entweder, indem du ihnen die richtige Technik einer Bewegung zeigst. Das führt zur korrekten Ausrichtung, die wiederum die Energie fließen lässt. Oder du lässt kleine Juwelen fallen: bestimmte Lehren etwa. Oder du sagst etwas Einfaches, aber Starkes, das die Menschen zum Nachdenken bringt. Dann können sie Yogi sein. Dann können sie erfahren, wie es ist, Spaß zu haben und sich nicht an Glaubenssätze wie „Ich bin hier, weil…“ oder „Ich bin so und so…“ zu klammern. Wenn wir diese Sätze loslassen und einfach nur zusammen sind, können wir zu denen werden, die wir wirklich sind.

„Sei wieder du selbst!“: Das sagst du sehr oft. Was meinst du damit?

Wir verbringen unsere Leben damit zu versuchen, wir selbst zu werden. DNA hat einen Riesenanteil – das weiß ich als Vater – aber die Essenz ist, dass es einen lebendigen Geist in einem physischen Körper gibt. Egal, wie alt oder jung wir sind, das sind immer wir. Eine weise Person, die mich jahrelang nicht gesehen hat, hat mich unlängst gefragt: „Hast du dich in den letzten 10 Jahren überhaupt verändert?“ Nein, nicht wirklich. Menschen verändern sich nicht. Wir passen uns an, an die Gesellschaft, unsere Umgebung, aber wir sind, wer wir sind. „Alles ist bereits in uns“ bedeutet eigentlich: „Du bist, wer du bist.“ Wenn Menschen mit Yoga anfangen, versuchen sie, ihre Yoga-stunden an ihr Leben und ihren Arbeitsplan anzupassen. Je tiefer wir aber gehen, desto mehr verändert sich unser Leben und passt sich der Praxis an: Wir essen weniger schweres Essen, wir haben weniger Drama, weniger Chaos – die Praxis wird unser Leben.

Das heißt, wir lernen und entwickeln uns zu diesem „Ich“?

Ja, bleib ewiger Schüler! Wir sind alle auf dem Meisterpfad und verbessern ständig, was wir bereits machen. Vor 10 Jahren wäre ich hier auf die Bühne gegangen und hätte Show gemacht, geschillert, brilliert und gedacht, das bin ich – und hätte mich selbst darin verloren. Es war aufregend, aber ich hatte keine Wurzeln. Der Baum war nicht geerdet. Deshalb hatte es weniger Bedeutung, es entstanden keine Herzensverbindungen. Es hat nicht funktioniert.

Was hat dich zum Umdenken bewegt?

Ich habe Schamanen besucht, viele Heilreisen gemacht, weise Gurus in indischen Höhlen und Therapeuten aufgesucht – weil ich gemerkt habe, dass ich völlig verrückt war. Und die Welt wusste, dass ich verrückt war. Am Höhepunkt meiner Popularität, als ich in allen Magazinen war, bin ich ausgestiegen. Ich wusste, dass ich es tun musste. Mich hat es aufgefressen, zu brillieren, ohne geerdet zu sein. Dann bin ich nach Asien.Ich habe viel praktiziert, in der Natur gelebt, mir eine Familie gesucht und von den Zen-Meistern in den Bergen gelernt. Sie unterrichten, indem sie dich einfach bei ihnen sein lassen, indem sie die Information ausstrahlen. So habe ich gelernt, wie man Energie teilt. Vor 10 Jahren hätte ich nur Show gemacht. Heute mache ich ein bisschen Show, dann bringe ich die Menschen wieder auf den Boden zurück und versorge sie mit Energie.

Das klingt, als hättest du in der Natur Asiens deine Wurzeln gefunden!

Ja, es war mein Heilbalsam! Einer meiner Ashtanga-Meister hat einmal gemeint: „90 Prozent aller Menschen leben auf 10 Prozent der Erde. In 25 Jahren werden wir – die Yogis – diese anderen 10 Prozent sein. Wir müssen zur Natur zurückkehren.“ Er hatte recht. Es hat 40 Jahre gebraucht, damit ich für den Wald bereit war. Natürlich müssen wir unsere Natur überall in jedem Moment finden. Darum geht es schließlich in der Praxis. Aber dennoch ist es viel besser, unsere Natur in der Natur zu finden, und wenn jemand nach einer Abkürzung auf dem Pfad sucht – falls es die überhaupt gibt – dann ist die nicht unbedingt in den Slums von Bombay zu finden. Sie könnte vielleicht im Himalajagebirge stecken. Ich bin mittlerweile sicher, dass unsere Umgebung unsere Erfahrung beeinflusst. Deshalb lebe ich mit meinen Kindern auch in der Natur.

A propos Kinder: Deine Zwillinge sind fast 6 Jahre alt. Was hat dich die Vaterschaft bislang gelehrt?

Du lernst, für jemand anderen zu leben. Mein ganzes Leben ist in ihren Händen. Jetzt achte ich mehr auf mich, um für meine Kinder am Leben zu bleiben. Um lang genug zu bleiben, um sie in die Unabhängigkeit zu schicken. Vielleicht Großvater zu werden. Und sie haben mich gelehrt, sie in allem und jedem zu erkennen. Ich sehe die Augen meiner Kinder in den Augen aller und ich erkenne, dass sie einfach nur das kleine Baby sind, das groß geworden ist und jetzt eine Umarmung braucht – es ist so einfach. Das habe ich gelernt.

2013 hast du in einem Interview gesagt, dass du gern in Rente gehen würdest …

Da habe ich wohl Witze gemacht. Mein Pfad war seit jeher der eines reisenden Yogis und Lehrers. Den versuche ich jetzt an die Vaterschaft anzupassen: Ich bin unterwegs und lehre und wenn ich zuhause bin, bin ich einfach nur Papa. Bis jetzt funktioniert es ganz gut! Im Moment entwickle ich ein Retreat-Programm für die Community in Kyoto. Ich habe alles, was man dazu braucht, in meiner Tasche: Ich weiß, wo es gutes Sushi gibt, wo Wasserfälle sind … Außerdem habe ich zwischen Osaka und Kyoto ein Yoga Zendo, einen gemeinsamen Ort für Yoga, Meditation und Martial Arts.

Du bleibst offensichtlich deinem Prinzip treu, verschiedene traditionelle Lehren zu vermischen?

Ja, ich mache das, was ich immer getan habe, am Anfang noch als Pionier. Vor 20 Jahren habe ich für die Einführung von „Warrior Yoga“ noch viel Widerstand geerntet. Heute ist das ganz normal. Heute vermischt jeder Yoga, Tanz, Kampfkunst, Musik… Und es ist auch okay, denn alles muss integriert werden und zusammenkommen, damit Yoga seinen Job erfüllen kann: als Heilbalsam und Rettungsanker an einem kritischen Punkt unserer Geschichte.

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