Herabschauender Hund im Handumdrehen

Der herabschauende Hund: Für viele Yogaübende ist die Ruhehaltung gar keine Ruhehaltung und für andere reine Routine. Aber in die Routine schleichen sich bekanntlich auch leicht Fehler ein. Es lohnt sich also, die Asana immer mal wieder genauer anzuschauen. Die Yogalehrerin und Gastautorin Annette Littmeier aus Berlin fasst für YOGA JOURNAL wichtige Details zusammen.

Wann haben Sie zuletzt eine Lampe angebracht oder Spinnweben von der Decke entfernt? Arbeiten mit den Armen über Kopf gibt man gerne an andere ab – sie sind einfach anstrengend. Vielen Menschen fällt es schwer, die Arme zu heben, ohne dabei Schultern und Nacken zu verspannen. Im nach unten schauenden Hund trifft diese Schwierigkeit noch auf eine zusätzliche Herausforderung: Adho Mukha Shvanasana ist nicht nur eine Arm-über-Kopf-Haltung, sondern dabei auch noch eine Stützhaltung, das heißt, man muss einen guten Teil des Körpergewichts auf die Achse Hände-Arme-Schultern stützen. Da leuchtet es ein, dass diese Achse gut ausgerichtet sein muss, damit die Stellung nicht zur Tortur wird, sondern wirklichen Nutzen bringen kann.

Adho Mukha Shvanasana – hier sollen wir uns ausruhen können

Denn eigentlich ist der Hund eine Ruhestellung, die das Nervensystem beruhigt. Die Umkehrposition des Oberkörpers bewirkt, dass sich das Zwerchfell Richtung Kopf bewegt. So wird das Ausatmen erleichtert, die verbrauchte Luft entweicht leichter und das erfrischt und schenkt neue Energie. Wenn Schultern, Arme und Hände gut ausgerichtet sind, kann sich zugleich der Brustkorb weiten und viel frische Atemluft aufnehmen. Der Herzschlag verlangsamt und beruhigt sich und auch die Organe werden entlastet.

Der herabschauende Hund – so geht er richtig

Idealerweise stehen im Hund Hände, Ellenbogen und Schultern in einer geraden Linie mit Rücken und Becken. Das ist aber alles andere als selbstverständlich: Menschen, die grundsätzlich eher flexibel sind, neigen dazu, die Integration der Arme im Schultergelenk zu verlieren, ihr Körper biegt sich nach unten durch. Wer in Schultern, Nacken und Rücken dagegen eher verkürzte Muskeln hat, bei dem stehen die Schultern vor und es ist eine Herausforderung, den Oberkörper überhaupt in die Streckung zu bringen. Gerade für diese Menschen ist die streckende Wirkung des Hundes sehr wohltuend. Für beide Personengruppen gelten die gleichen spiralförmigen Ausrichtungsprinzipien. Die Grund­regel lautet: Die Oberarme drehen nach außen, die Unterarme nach innen. Das klingt im ersten Moment kompliziert und ist bei gebeugten Armen leichter anzuwenden als bei gestreckten, auf denen noch dazu Gewicht lastet. Die Herausforderung besteht also darin, diese spiralförmige Ausrichtung überhaupt zu verstehen und sie dann auch bei der Streckung der Arme beizubehalten.

Das Gefühl für die Haltung bekommen

In zwei einfachen Vorübungen lernen Sie, wie das geht: Bei der ersten liegt der Rücken an der Wand, während Sie zwischen den Handkanten einen Yogablock halten und die gebeugten Arme langsam über den Kopf heben. So können Sie nicht nur genau sehen, ob und wie weit die Ellenbogen nach außen ausweichen, Sie nehmen auch wahr, welche feinen Auswirkungen die Bewegung auf die Schulterblätter und die Streckung der Wirbelsäule hat.
Diese Erkenntnisse nehmen Sie mit in die zweite Vorübung, den halben Hund an der Wand. Die Ausrichtung des Körpers entspricht hier schon genau derjenigen im nach unten schauenden Hund, nur schaut dieser Hund nach vorn und die Schwerkraft wirkt noch nicht so stark. Das ermöglicht es Ihnen, die Ausrichtung von Händen, Armen, Schultern und Rücken in Ruhe zu erforschen und einzuüben.

 

1 Armheben mit Block

Stellen Sie sich mit dem Rücken an eine Wand. Die Füße haben etwa 30 Zentimeter Abstand zur Mauer, die Knie sind entsprechend gebeugt.

Legen Sie Rücken und Hinterkopf an die Wand und stellen Sie einen guten Kontakt zwischen Rücken und Mauer her. Dabei achten Sie darauf, dass auch die Lendenwirbel und die unteren Rippen die Wand berühren. Dies soll sich während der Übung auch nicht ändern.

Nehmen Sie einen quer gehaltenen Block so zwischen die Hände, dass die Handkanten den Block berühren und die Handflächen nach oben zeigen. Dabei sind die Arme etwa in einem 90-Grad-Winkel angewinkelt. Beides initiiert eine Außenrotation in den Oberarmen, die für die Übung wesentlich ist.

Achten Sie darauf, dass Ihre Ellenbogen nur schulterweit voneinander entfernt sind und dieser Abstand während der nun folgenden Bewegung beibehalten wird.

Heben Sie die angewinkelten Arme an und führen Sie die Hände langsam über den Kopf Richtung Wand. Dabei sollten die Schultern gesenkt bleiben und die Schulterblätter die Wand berühren. Auch der gesamte Rücken behält seinen Kontakt zur Wand bei und der Abstand der Ellenbogen bleibt etwa schulterweit.

Heben Sie die Arme nur so weit, wie Sie diese Ausrichtung beibehalten können. Nur wenn es Ihnen leicht fällt, mit den Fingern die Wand zu berühren, strecken Sie die Arme nach und nach, dabei bleiben die Finger an der Wand.

Fällt es Ihnen schwer, die Arme zu heben, und weichen die Ellenbogen dabei nach außen aus, dann können Sie sich mit einem um die Oberarme gelegten Gurt unterstützen.

 

2 Nach unten schauender Hund an der Wand

Stellen Sie sich mit dem Gesicht zur Wand und legen Sie die Hände auf Hüfthöhe dagegen. Dabei zeigen die Mittelfinger senkrecht nach oben und die gesamte Handfläche bekommt gleichmäßigen Kontakt zur Fläche.

Treten Sie mit den Füßen so weit zurück, dass die Arme gestreckt sind und der Oberkörper waagerecht steht. Dabei achten Sie darauf, dass der Rücken nicht durchhängt: Dazu bewegen Sie den Bauchnabel und die untersten Rippen hoch Richtung Wirbelsäule. Die Sitzknochen ziehen Sie nach unten Richtung Füße und zueinander. Die Fußgelenke richten Sie senkrecht unter den Hüftgelenken aus, die Füße stellen Sie parallel zueinander.

Beugen Sie nun die Arme: Zunächst gehen die Ellenbogen zu den Seiten. Dann führen Sie sie nach unten, so dass sie schulterweit auseinander sind (Foto). Dadurch drehen sich die Oberarme nach außen. Weiten Sie die Region um die Schlüsselbeine – das rechte Schlüsselbein dehnt sich nach rechts aus, das linke nach links, der Brustkorb wird weit.

In dieser Ausrichtung beginnen Sie, die Arme langsam zu strecken. Dabei gehen Sie nur so weit, wie Sie die Weite im Brustkorb und die Außenrotation der Oberarme beibehalten können. Wahrscheinlich werden Sie die Arme nicht vollständig strecken können, Sie spüren aber die Muskelaktivität im oberen Rücken, insbesondere zwischen den Schulterblättern.

 

3 Nach unten schauender Hund

Setzen Sie im Vierfüßlerstand die Hände schulterbreit auf den Boden. Die Mittelfinger zeigen gerade nach vorne und sind parallel zueinander ausgerichtet. Erden Sie sowohl die Daumen- als auch die Kleinfingerballen fest am Boden. Auch die Fingerspitzen drücken sich aktiv gegen die Matte. So baut sich das Handgewölbe als stützende Basis auf.

Um nun den individuell optimalen Abstand zwischen Händen und Füßen zu finden, gehen Sie zunächst in die Brettposition: Die Zehenballen sind aufgestellt, der Körper bildet von den Fersen bis zu den Schultern eine gerade Linie. Von hier aus heben Sie das Becken in den Hund, ohne Hände und Füße zu versetzen. Die Füße sind hüftbreit und parallel, die Fersen müssen nicht den Boden berühren, die Knie dürfen gebeugt bleiben.

Herabschauender HundSchieben Sie nun den gesamten Körper etwas nach vorne, als ob Sie in die Liegestütze gehen wollten, und beugen Sie die Arme. Führen Sie die Ellenbogen wie in der vorigen Übung nach unten, hinten Richtung Füße und zur Mitte hin zusammen, so dass sie schulterweit vonein­ander entfernt sind. Dadurch drehen die Oberarme nach außen. Der Daumenballen bleibt währenddessen fest geerdet, das initiiert die Innenrotation der Unterarme. Weiten Sie auch hier wieder die Gegend der Schlüsselbeine – das rechte Schlüsselbein dehnt sich nach rechts aus, das linke nach links.
Entweder halten Sie diese Position einen Moment lang, oder Sie beginnen gleich, die Arme langsam zu strecken und den Körper wieder zurück in den Hund zu schieben. Dabei behalten Sie die Weite in Schlüsselbeinen und Schultern bei, wahren die Außenrotation der Oberarme und bleiben mit den Daumenballen fest am Boden verwurzelt.

Strecken Sie die Wirbelsäule in dieser Ausrichtung lang und bewegen Sie den Bauchnabel und die untersten Rippen Richtung Wirbelsäule, um den Rumpf von unten zu stützen. Mit der Zeit können Sie die einzelnen Bewegungen von Armen und Schultern kleiner machen und Ihre Ausrichtung immer weiter verfeinern.

 

Anette Littmeier Annette Littmeier unterrichtet seit 2006 Yoga in Berlin. Ihre Lehrerausbildung in Anusara Yoga bekam sie bei Lalla und Vilas Turske. Seither hat sie zahlreiche Fortbildungen bei renommierten Lehrern wie John Friend, Desiree Rumbaugh und Mark Stephens besucht. Nach einer Ausbildung in orthopädischer Yogatherapie, die auf spiraldynamischer Körperarbeit basiert, ist Annette Expertin für anatomisch korrekte und effektive Ausrichtung. In Einzelbehandlungen kombiniert sie therapeutisches Yoga mit Thai-Yoga-Massage. Da es ihr sehr am Herzen liegt, Yoga für alle Menschen zugänglich zu machen, bietet sie auch spezielle Kurse für füllige Menschen an. Yogalehrerin ist Annettes dritter Beruf: Sie ist gelernte Technische Assistentin, studierte Geografin und arbeitete für Umweltorganisationen. Das genaue Beobachten ist ihre Berufung. So sagt sie von sich: „Die Begegnung mit der Vielfalt von Landschaften und Pflanzen hat meinen Blick geschärft für die Feinheiten des menschlichen Körpers – die faszinieren mich ebenso sehr wie die Integration von Spiritualität und politischem Engagement.“  www.jangala-yoga.de


Fotos: Marcus Schäfer

 

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