Dies.Das.Asanas mit Jelena Lieberberg: Der betende Baum

In diesen bewegten Zeiten hat sich unsere Asana-Kolumnistin auf eine klassische Haltung besonnen, die wie kaum eine andere ein Gefühl von Verbundenheit, Stabilität und Zentrierung vermittelt: den Baum. Aber Jelena wäre nicht Jelena, würde sie nicht auch hier einen innovativen Dreh finden …

Im Baum (Vrikshasana) kannst du im gesamten Körper ein Gefühl von Standhaftigkeit entwickeln. Wir verwurzeln uns in dieser klassischen einbeinigen Balance über das Standbein nach unten und fühlen uns so mit der Erde und unserer Welt friedvoll verbunden. Genau wie ein Baum es tut, wenn eine leichte Brise oder auch ein stärkerer Wind durch seine Blätter und Zweige rauscht, stehen auch wir dabei nicht starr: Unsere Stabilität und Widerstandskraft entsteht im Gegenteil erst dadurch, dass wir uns lebendig bewegen lassen, dabei aber in
unserer Mitte bleiben und auf unsere Wurzeln vertrauen können.

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Hier kombiniere ich den Baum mit hinter dem Rücken aneinander gelegten Händen (Namaskarasana). Die betende Geste verstärkt noch die Wirkung des Baums: innehalten und einkehren, um sich der Verbundenheit bewusst zu werden – ganz konkret, indem du spürst, wie du jetzt hier an diesem Ort des Übens bist, aber auch sinnbildlich im Gefühl der liebevollen Verbundenheit mit allen Menschen und Wesen. Indem wir die Hände hier nicht vor dem Herzen, sondern hinter dem Körper aneinander legen, bringen wir den Fokus weg von der im Alltag vorherrschenden Ausrichtung nach vorn, wo wir aktiv und im Handeln sind. Wir spüren unsere Rückseite, dürfen uns selbst eine Stütze sein und uns daran erinnern, was uns im Leben im wahrsten Sinn des Wortes “Rückhalt” gibt.

Foto: Sofia Gomez Fonzo

Macht das Spaß?

Auf jeden Fall. Die kleine Veränderung, die Hände nicht wie üblich vor dem Herzen aneinander zu legen, sondern hinter dem Rücken, bringt eine neue Herausforderungen für die Balance, die aber für alle Level zugänglich ist. Gleichzeitig dehnt sieSchultern und Unterarme und weitet den Herzraum.

Muss ich das können?

Natürlich nicht. Aber wenn du gerne experimentierst, dann bietet diese Variante dir eine schöne Gelegenheit deine Praxis (oder auch zwischendurch mal schnell deinen trockenen Büroalltag) aufzulockern, deine Balance zu testen und deine Mitte zu stärken.

Was muss ich dafür tun?

Sehr feste Schultern werden sich für ein kleines Warm-up bedanken: Lasse Schultern und Arme locker kreisen und schwingen und übe die Armhaltung vorab im Stehen in den vorbereitenden Varianten (Fäuste gegeneinander drücken, Unterarme oder Ellenbogen umfassen). Zusätzlich mobilisierend wirken Gomukhasana-Arme (eine Hand greift hinter dem Rücken von unten die andere Hand, die von oben kommt – eventuell überbrückst du die Distanz mit einem Gurt).

Step by step in den betenden Baum

1 Beginne im hüftbreiten Stand. Falls du weißt, dass die Balance dir (heute) eher schwer fällt, stellst du dich mit einer Armlänge Abstand und dem Gesicht zur Wand und fixierst dort einen festen Punkt (Drishti) auf Augenhöhe.

2 Verlagere das Gewicht auf dein linkes Bein, verwurzle dich durch den Fuß nach unten und zentriere dich. Dann legst du den rechten Fuß an die Innenseite des linken Oberschenkels (mit oder ohne Zuhilfenahme deiner Hände) und drehst das gebeugte Knie nach außen. Schiebe die Ferse fest gegen den Schenkel und den Schenkel gegen den Fuß, um dich zu stabilisieren und den Fuß nicht abrutschen zu lassen. Falls das zu wackelig ist oder deine Hüften es nicht erlauben, kannst du den Fußballen am Boden lassen und die Ferse locker ans Fußgelenk des Standbeins legen. Fortgeschrittene können den rechten Unterschenkel auch in den halben Lotus legen.

3 Hebe nun beide Arme auf Schulterhöhe zu den Seiten, drehe die Handflächen nach hinten und führe die Hände zueinander. Wenn möglich, legst du die Handflächen vorsichtig und ohne ruckartige Bewegungen aneinander. Wenn das nicht geht, schiebst du die geballten Fäuste gegeneinander oder umfasst deine Ellenbogen.

4 Stabilisiere den Bauch, um nicht ins Hohlkreuz gezogen zu werden. Dann wachse in beide Richtungen: Über das Standbein schickst du deine Wurzeln in die Erde, gleichzeitig entfaltest du dich über deine Kopfkrone hinaus in den Himmel. Atme dabei möglichst so ruhig, als würdest du ganz einfach in Tadasana, der Berghaltung stehen. Wenn du sehr stabil und leicht
stehst, kannst du damit experimentieren, vorsichtig die Augen zu schließen. Nach 5-15 Atemzügen löst du die Haltung behutsam auf und wechselst zum anderen Bein.


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100. Ausgabe YogaWorld Journal

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