Pimp your Mind! Die 30-Tage-Niyamas-Challenge

Ohne Disziplin keine regelmäßige Praxis, kein Durchkommen durch Wachstumsschmerzen und ergo auch keine Veränderung. Extreme Disziplin ist Askese. Aber extrem ist nicht mainstream-tauglich – und auch nicht nötig. Aber schon im Kleinen gilt: Unser Schweinehund mag keine Disziplin. Er schnuffelt da, wo er will. Bellt, wann er will. Liegt verbotenerweise auf dem Bett und drängelt uns auf ein Gassi. Er denkt, er sei das Herrchen. Hundeflüsterer gesucht! Das erwünschte Ergebnis der Hundeschule ist, dass er gehorcht. Es geht nicht darum, das Leben des Schweinehundes zur Hölle zu machen. Wir wollen nur ein friedliches Zusammenleben ermöglichen.

Lesetipp: “Yoga und der innere Schweinehund” von Ralf Sturm

Unser Geist braucht auch eine Form positiver Bestärkung, deutlicher Ansagen und klare Leinenführung, um unseren neuen Ideale zu dem Yoga förderlichen Gewohnheiten zu machen: Runter von der Couch, rauf auf die Matte. Sitzenbleiben, bis der Timer piept. Empathisch bleiben, auch wenn’s mal schwer fällt. Die Energie der Disziplin bringt uns durch die Momente, in denen die intrinsische Motivation fehlt. Sie hilft uns, auch mal auszuhalten, Neues zu lernen, dranzubleiben, nicht aufzugeben. Und das geht ohne Rohrstock.

Cottonbro Pexels Meditation Dog
Foto: © Cottonbro via Pexels

Aktion 1: Eine tägliche Praxis. Such dir eine aus. Und dann: Tu es. Ohne Kompromisse und Ausflüchte. Das kann kurz sein oder ausgeprägt. Mit Anleitung oder ohne. Aber mach es!

Aktion 2: Eine Schreib- oder Kontemplationsaufgabe: Was ist Disziplin für dich? Ist sie angenehm, erzeugt sie zum Beispiel ein Gefühl von Ordnung? Oder fühlt sie sich unangenehm an, eng und unfrei? Wenn das Unangenehme überwiegt: Wie könntest du Tapas neu framen? Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie diszipliniert bist du? Es kann auch sein, dass du es übertreibst. Disziplin ist kein Selbstzweck, aber sie dient einem Zweck.

Aktion 3: Bodycheck. Wenn man sich diszipliniert, verhärtet sich manchmal alles. Versuche dich in diesen Situationen bewusst körperlich zu entspannen. Löse Disziplin von Härte. Bringe Disziplin in den Kontext von: Verbindung halten.

Tag 19 bis 24: SVADHYAYA

Wer liest, ist klar im Vorteil

„Durch Selbstlesen (der heiligen Texte) entsteht Einheit mit dem gesuchten Göttlichen.“

Patanjali, YS 2.44

Sva heißt selbst, Adyhaya das Lesen oder Rezitieren. Gemeint sind die Veden und Upanishaden und andere Yogatexte. Denn will man das Göttliche in sich finden, muss wissen, wonach man sucht. In den alten Texten steht es. Allerdings nicht unbedingt mit winkendem Zaunpfahl. Manchmal eher verborgen. Darüber nachdenken hilft nicht unbedingt, man muss darüber kontemplieren. Die Worte in sitzender Stille wirken lassen. Denn der Geist versteht es nicht. Dafür ist seine Sichtweise zu dual. Chanten der Originalversion geht auch, wenn man weiß wie. Dann trägt einen die Schwingung der Laute wie eine Welle in den Ozean des Seins.

Svadhyaya Niyamas Sincerely Media Unsplash
Foto: © Sincerely Media via Unsplash

Eine moderne westliche Interpretation des Begriffes Svadhyaya ist die Umkehrung der gängigen Übersetzung: vom “Selbststudium” zu “Studium des Selbst”. Hier muss man aufpassen, wirklich das Selbst mit dem großen S zu studieren. Sonst füttern man das mit dem Kleinen. Und das ist des großen Selbstes Feind, sagt die Bhagavad Gita.

Aktion 1: Schnapp dir dein Yogasutra, deine Gita oder was dich sonst anspricht. Nimm idealerweise eine Übersetzung, die direkt aus dem Sanskrit kommt und von einem oder einer Yogi*ni stammt. Aus deiner Lineage, wenn du einer angehörst. Dann lies jeden Tag ein Sutra oder einen Vers. Danach setz dich fünf Minuten in Stille und kontempliere diese Textstelle.

Aktion 2: Lies die Chandogya Upanishad: eine wundervolle Unterhaltung zwischen einem Lehrer und seinem Schüler, der gerne das Ewige, Absolute verstehen möchte.

Aktion 3: Bist ein Yogasutra-Typ? Oder eher Freund der Hatha Yoga Pradipika? Erweitere deinen Freundeskreis und lies einen Yogatext, den du noch nicht kennst. Es kann auch der eines moderneren Yogis sein.

Tag 25 bis 30: ISHVARA PRANIDHANA

Meditation auf das innere Licht

„Durch Meditation auf das innere Licht erreicht man Samadhi, Einheit.“

Patanjali, YS 2.45

Was Ishvara ist, erklärt Patanjali im ersten Kapitel: Es ist ein Wesen, das weder unter dem Einfluss von Klesha steht noch unter dem von Karma. Kleshas sind Hindernisse, all die typischen menschlichen Irrungen und Wirrungen, die uns den Blick vernebeln und in die Irre führen. Karma ist Handlung, im weiteren Sinn aber auch das Gesetz von Ursache und Wirkung: Jede Handlung hat eine Folge. Ishvara ist frei von all dem, absolut rein und – dank der fehlenden Wirkungen von Karma – auch ewig und frei von Wiedergeburt. In ihm ruht der Kern aller Weisheit. Jenseits von Zeit und Raum. Der Guru aller Gurus. Manche übersetzen Ishvara daher mit Gott oder dem Göttlichen. Sein Klang ist OM.

Anete Lusina Pexels
Foto: © Anete Lusina via Pexels

Pranidhana heißt, sich respektvoll zuwenden, auf etwas ausrichten oder sich meditativ vereinen. Ishvara Pranidhana bedeutet, sich auf das Ewige, Absolute, auf Brahman, Purusha, Shiva auszurichten. So lange, bis es einen findet. Butter bei die Fische! Wenn du die Aktion 2 zu Svadhyaya erledigt hast, wirst du wissen, dass der Geist Schwierigkeiten hat, das Nicht-Duale zu begreifen. Egal, wie viele Beispiele und Metaphern man ihm an die Hand gibt. Aber das Herz kann es, da es ja als Wesenskern auch in uns steckt. Selbsterfahrung ganz ohne Ego.

Lies mehr über Ishvara Pranidhana im Artikel “Tiefer eintauchen mit dem Yoga-Sutra” von Shiva Rea.

Aktion 1: Bei Ishvara Pranidhana geht es darum, das Ego-Ich dem universalen Ichgefühl zu opfern. Wer oder was war dein Ego-Ich als Kind? Wer oder was ist es heute? Notiere. Und dann frage dich, ob du etwas in dir spürst, das sich nicht verändert hat. Und trotzdem da ist…

Aktion 2: Chante das OM. Klingt easy. Ist es auch. Fühle das O gleichmäßig von der Kehle bis zu den Lippen und lass den Ton in die Nasenhöhle hoch. Eine lange, vibrierende Ausatmung. Das M ist einfach das Schließen des Mundes (du summst also nicht lange darauf herum…). Nach jedem OM fühle die Schwingung.

Aktion 3: Kontempliere Licht in allen seinen Erscheinungsformen. Und dann meditiere in dein inneres Licht hinein.


Sybille Schlegel

SYBILLE SCHLEGEL ist unsere Lieblingsautorin, wenn es um alltagstaugliche Texte zur Yogaphilosophie geht: So locker und leicht, so tief und wahr – einfach wunderbar! Live kannst du Sybille in Mainz erleben, im Hatha Vinyasa Parampara Studio, das sie gemeinsam mit Andreas Ruhula leitet. Mehr unter www.hathavinyasa.de und auf Insta @hathavinyasaparamparayoga

Titelbild: © Sincerely Media via Unsplash


Lies auch diesen spannenden Artikel zu den Yamas und Niyamas von Max Strom:

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