Woody Allen hat das Problem bereits mustergültig gelöst: „Unsterblich werden – und dann sterben“, lautet sein Rezept, welches für Filmstars ebenso wie für Erleuchtete zu gelte scheint. Viel profaner ist der Tipp des amerikanischen Sachbuchautors und Futuristen Ray Kurzweil, der sagt: „Live long enough to live forever.“ Seiner Ansicht nach steht die Wissenschaft kurz davor, unsere Gene in geeigneter Weise auf Unsterblichkeit zu programmieren. Es geht nun nur noch darum, die verbleibende Zeit zu überbrücken. Und zwar durch das Meiden von Risiken jeder Art und durch die konsequente Anwendung aller bereits jetzt verfügbaren lebensverlängernden Maßnahmen: Hormone, Spenderorgane, Mensch-Maschinen-Symbiosen. Dieses Konzept mutet irgendwie verzweifelt an, schiebt es doch das Unausweichliche zwar immer weiter hinaus, kann jedoch das Problem nicht lösen. Viele philosophische und eigentlich alle spirituellen Lehren beschäftigen sich mit dem menschlichen Tod oder allgemein dem Tod in der lebendigen Natur.
Leben und Tod gehören zusammen
Die östlichen Traditionen (aber nicht nur sie) kommen zu der Auffassung, dass Leben und Tod als Ganzheit zu sehen sind. Der Tod ist ein natürlicher Teil des Lebens und nicht sein Antipode. In buddhistischer Lesart ist alles Leben ständiger Veränderung unterworfen – das ist seine wesentliche Eigenschaft. Der Tod ist Ausdruck einer weiteren Transformation, bzw. eine natürliche Entwicklung, also auch hier keineswegs der Endpunkt der Existenz, sondern vielmehr ein Übergang. Davon abgesehen gleichen sich die Ideen und Erfahrungen über die Bedeutung des Todes in Ost und West in einem anderen wichtigen Punkt, der lange nicht so spekulativ und ungewiss bleibt, wie das Leben danach: Die (intensive) Beschäftigung mit dem Tod wird unser Leben bereichern. Der Gedanke an die eigene Vergänglichkeit oder gar die Meditation über unseren Tod, über Todesart und Todeszeitpunkt ermöglichen ein bewussteres, erfüllteres Leben. Verdrängung, Ablenkung, ein Leben voller Ausflüchte in materielle Reichtümer können nicht leisten, was ein ruhiger Geist vermag. Nämlich die Gewissheit zu schaffen, die Verantwortung für sein ganzes Leben einschließlich des Sterbens selbst zu übernehmen.
Der Endlichkeit bewusst werden
Die Angst vor dem Tod und die Ignoranz gegenüber dem Leben gehören zusammen. Sich dem Tod stellen, heißt das Leben ernst nehmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, bei dem sich die meisten abendländischen Philosophen sowohl mit den Yogis als auch den Buddhisten einig sind: Niemand muss seinen (natürlichen) Tod voller Angst oder als Höhepunkt von Leiden erleben. Es gibt zu Lebzeiten eine sinnvolle Vorbereitung und je nach Wunsch auch eine spirituelle Praxis, die uns „sterben üben“ lässt. Dahinter steht die Erfahrung, dass wir in der Regel in dem Geistes- und Gemütszustand sterben, in dem wir auch gelebt haben. Hektik, Gewalt, Stress in unserem Geist und in unserem Körper können wir am Ende nicht einfach abschütteln und dann auf ein friedliches Einschlafen hoffen.
Die Vergänglichkeit als Freund
Yoga und Buddhismus meinen, dass man den Tod meditierend betrachten und kennenlernen kann. In meditativer Hinsicht ist das die Stille und das „Nichts“, auf körperlicher Ebene bestimmte Atemübungen „ohne Atem“ oder die Totenstellung (Shavasana). Dadurch verlieren wir die Angst vor dem Tod oder werden ihm zumindest nicht gänzlich unvorbereitet begegnen. Das bedeutet aber nicht, dass wir von nun an unser Leben meditierend verbringen müssten. Der tibetische Meister Sogyal Rinpoche sagt: „Warum nicht über den Tod nachdenken, wenn wir wirklich inspiriert sind, entspannt und bequem im Bett liegen, im Urlaub sind oder wenn wir gerade gute Musik hören? Warum nicht über den Tod nachdenken, wenn wir glücklich sind, bei guter Gesundheit und voller Vertrauen?“ Am Ende dieses Prozesses wäre man in der Veränderung zu Hause und hätte sich die Vergänglichkeit zum Freund gemacht, wie er fortfährt. Man kann dies auch mit den Worten von Johannes „Jopi“ Heesters sagen, der, kurz vor seinem Tod nach dem ewigen Leben gefragt, antwortete: „Ewiges Leben ja – aber nicht für immer!“
Der Autor Michi Kern lebt und unterrichtet als Jivamukti- Yoga-Aktivist in München. Neben Yogastudios betreibt er diverse Clubs sowie Restaurants und studiert Philosophie.