Vieles ist in Griechenland immer noch Männersache – Yoga nicht. Aus weiblicher Perspektive sehen manche Dinge anders aus: Yogalehrerin Ekaterini Labropulu blickt von Deutschland aus auf die Entwicklungen in ihrem Heimatland.
Interview mit Christina Raftery
Ekaterini, du unterrichtest Yoga in München. Wie sieht es mit Yoga in deiner griechischen Heimatstadt aus?
Obwohl meine Heimatstadt Larissa 180.000 Einwohner hat, ist Yoga noch nicht sehr bekannt, ich kenne kein reines Yogacenter. Die Stadt Larissa bietet Yogakurse an, allerdings nur für Frauen – was ohnehin meist der Fall ist. Der Grieche Zorbas ist leider noch nicht so weit, ihn bekommen wir nicht auf die Matte, und die Männer, die tatsächlich Yoga üben, sind junge Leute, die ein wenig erweiterten Horizont haben. Insgesamt gilt Yoga als exotisch, dazu kommt die Krise: Zuerst müssen Miete und Lebenshaltungskosten sicher gestellt werden, dann erst kommen Körper und Geist. Doch Yoga wird mittlerweile wahr genommen, und mein Sohn hat in Larissa sogar eine griechische Übersetzung der Bhagavad Gita entdeckt.
Was sagt die griechisch-orthodoxe Kirche zu dieser Entwicklung?
Das ist ein heikles Thema. Neulich habe ich mit der Tochter einer langjährigen Freundin, die seit zwanzig Jahren als Nonne in einem Kloster in der Nähe von Athen lebt, telefoniert. Als sie hörte, dass ich Yogalehrerin geworden bin, sagte sie, ich zitiere: „Yoga ist eine Para-Religion. Sie wollen dich von Gott entfernen und sie sind Feinde der orthodoxen Kirche. Nach einem langem Disput über den Unterschied zwischen Religion und Philosophie kamen wir zum Glück zu der Einigung, dass nur ein Gott existiert.
Die orthodoxe Kirche polemisierte bis vor etwa drei Jahren in den Medien kräftig gegen Yoga. Dieses Neue und Unbekannte, das aus Fernost kommt, ist dem Patriarch äußerst suspekt. Es gab eine Zeit, in der der Pfarrer am Sonntag in der Kirche jedes Mal gepredigt hat, dass wir zusammen halten müssen und uns nicht vom Satan „Yoga“ verführen lassen dürfen. Durch die Krise ist das Thema „Yoga“ etwas in den Hintergrund getreten.
Du unterstützt unter anderem mit Sammlungen und Yoga-Events einen Kindergarten in Larissa, der von der Wirtschaftskrise stark betroffen ist. Welche Auswirkungen der Krise beobachtest du weiterhin generell und in deinem Bekanntenkreis? (Wie) kann Yoga hier helfen?
Weil die Eltern kein Geld mehr hatten, um ihre Kinder in eine private Einrichtung zu schicken, wurde dieser Kindergarten gegründet, der ausschließlich durch Spenden gefördert wird. Staatliche Kindergärten gibt es nicht! Eine befreundete Lehrerin sagte zu mir, sie könne in der Pause ihre Brote nicht mehr vor den Kindern essen, da diese nichts dabei hätten. Da habe ich eine Spendenaktion gestartet und den Erlös nach Griechenland geschickt.
Mein Land wird ärmer und ärmer. Trotzdem könnte Yoga helfen, unsere doch sehr materialistische Einstellung zu ändern. Yoga könnte helfen, den Weg nach innen zu finden.
Welche traditionellen griechischen Werte haben in deiner Biografie eine Rolle gespielt? Wie siehst du sie heute, auch aus yogischer Perspektive?
Ich komme aus einer patriarchalischen und tief religiösen Familie. Meine Eltern sind in der Türkei geboren und 1922 vertrieben worden. Meine Mutter hat mich mit 40 Jahren geboren, als neuntes und letztes Kind. Mein Vater hat mir schon früh zu verstehen gegeben, dass die Rolle einer Frau ist, Kinder auf die Welt zu bringen, dem Mann zu gehorchen und ihm den Haushalt zu führen. Deshalb musste ich mit vierzehn Jahren das Gymnasium abbrechen und heiraten. Mit fünfzehn habe ich meinen ersten Sohn bekommen. Mit sechzehn kam die Scheidung. Sechs Jahre später habe ich wieder geheiratet und mit 23 Jahren meinen zweiten Sohn auf die Welt gebracht. Mein Vater hat immer über mein Leben bestimmt, bis ich 1987 nach Deutschland ausgewandert bin.
Er hat mir Anstand, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein, Disziplin, Mut, Gehorsam und griechisches Traditionsdenken eingeimpft. Meine Mutter, eine Analphabetin, hat mir sehr stark das Vertrauen in Gott, Respekt, Moral, Schamgefühl, Bescheidenheit, Demut, Mitgefühl, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft vermittelt. „Tue Gutes und lass es gut sein“: Pures Bhakti Yoga.
Wie verlief deine erste Begegnung mit Yoga?
Als ich 1999 in Berührung mit Yoga kam, war mein Schamgefühl sehr stark ausgeprägt. Ich fand, dass das Yoga-Outfit viel zu viel Haut zeigte. Das Umziehen in Umkleideräumen war gegen meine Moral. Meine größten Probleme hatte ich mit körperlicher Berührung bei Korrekturen durch den Lehrer – so etwas durfte nur mein Mann. Und dann die Anweisung „Öffne dein Herz“: Sie widersprach Mutters Theorie, dass der Mann dich vom Bauchnabel bis zur Fußzehe kennen darf und vom Bauchnabel bis zum Kopf nichts wissen muss. Die Inhalte von Herz und Seele dürfe ich für mich behalten… Damals habe ich sie ausgelacht, aber heute denke ich, dass dies nicht ganz verkehrt ist.
Wenn ich meine Werte heute aus der yogischen Sicht betrachte, ähneln sie den Yamas und Niyamas. An sich selbst zu arbeiten, ist der Schlüssel für eine gesunde Lebenseinstellung und gute zwischenmenschliche Beziehungen.
Ein langjähriger Prozess, der mich unaufhörlich das eine lehrt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Ekaterini Labropulu unterrichtet in München Jivamukti Yoga.
Titelbild via unsplash.com // Margaret Barley