Mit langem Atem
Als Frontfrau der Band „Cultured Pearls“ wurde Astrid North Mitte der 1990er-Jahre zur bekannten Soulstimme. Längst hat sie sich auch als Solokünstlerin etabliert –mit Ausdauer, aber auch dank Yoga.
Magie auf der Bühne
Magisch ist dieser Moment, in dem Astrid North auf der Bühne im Hamburger Club „Knust“ steht. Mit geschlossenen Augen singt sie „How Beautiful You Are“ und jeder, wirklich jeder im Publikum fällt mit ein. „Es ist total schön, wenn die Leute so berührt sind“, sagt North, als sie einige Wochen später im Büro ihrer Booking-Agentur sitzt, um über ihr neues Album zu sprechen – und über Yoga, das die 43-Jährige fast noch länger als die Musik begleitet. Dennoch ist es die Musik, die North in den 1990ern als Frontfrau der Cultured Pearls bekannt machte. Songs wie „Sugar Sugar Honey“ und „Tic Toc“ haben bis heute nichts von ihrer Ohrwurm-Qualität eingebüßt, genauso wenig wie die Faszination, die von Norths tiefer Soulstimme ausgeht. Trotzdem dauerte es nach der Trennung der Cultured
Pearls 2003 noch fast zehn Jahre, bevor die Berlinerin solo debütierte und nochmals vier Jahre, bevor sie nun mit „Precious Ruby“ ihr zweites Album veröffentlicht.
Yoga und der lange Atem
Norths langer Atem ist nicht nur ein Zeichen von Ausdauer. „Ich habe eher das Problem, loszulassen“, gibt sie zu und lacht ihr sympathisch raues Lachen. Auch wenn die Mutter zweier Kinder durch ihre Yogapraxis gelernt hat, nicht alles hinterfragen zu müssen, sondern auch mal gut sein zu lassen − ganz leicht fällt ihr das nicht immer. 1998, lange bevor Asanas und Co. zum weltweiten Trend wurden, stand die Musikerin bereits auf der Yogamatte. Im Berliner Yoga-Institut lernte sie klassisches, von Iyengar inspiriertes Hatha Yoga kennen und konnte anfangs kaum einen Tag ohne. Natürlich ließ die Leidenschaft auch mal nach, gibt sie unumwunden zu, aber es sei immer noch ein Muss. Längst hat sich ihr Zugang zur Praxis verändert, seitdem ihre Lehrerin ihr mit Anfang 20 diverse Yogaschriften zum Lesen gab. „Damals konnte ich wenig damit anfangen“, erzählt sie. Meine Reaktion war eher: „Hä, wieso leide ich? Ist doch alles super“. Heute ist sie dankbar dafür, so früh in Kontakt mit den yogischen Sichtweisen gekommen zu sein und auch, sie abgelehnt zu haben. „Denn jetzt erkenne ich, dass eben doch etwas dran ist. Und dass es eine Entscheidung ist, wie es mir geht. Was nicht heißt, dass es mir immer blendend geht, aber ich habe unheimlichen Einfluss darauf.“
Zeit für Asanas
So geerdet und aufrichtig wie North im Gespräch wirkt, ist auch ihre Musik. „Precious Ruby“, der Titel ihres neuen Albums, ist von ihrer US-amerikanische Großmutter inspiriert, bei der North zeitweise aufwuchs. Um das Album zu finanzieren, griff die Musikerin auf die Unterstützung ihrer Fans zurück und deckte die anfallenden Kosten via Crowdfunding. Ein Schritt, der ihr nicht leicht fiel. „Ich habe auch aus Angst gezögert, das nicht zu schaffen“, gibt sie zu. Zwei Musiker-Kollegen überzeugten sie schließlich – einfach machen! A propos machen: Mit der Disziplin, sich täglich zu einer bestimmten Zeit auf die Matte zu stellen, sieht es North nicht allzu eng. „Am liebsten übe ich morgens ein paar Asanas, um den Körper zu wecken,“ erzählt sie, „aber ich bin da nicht so rigoros“. Stattdessen geht sie auch mal mitten am Tag in den Kopfstand, wenn ihr danach ist. Aber sie zeigt auch Ehrgeiz, wenn es darum geht, an einer bestimmten Haltung zu arbeiten. Dann wird der Timer gerne auf 10 Minuten und länger gestellt, um konzentriert in der Asana zu bleiben.Ein paar Minuten länger hat North auch gebraucht, als sie sich vor drei Jahren schließlich für die Ausbildung zur Yogalehrerin bei Eva Obermeier in Berlin entschied: – dort, wo ihr eigener Yogaweg einst begann. Nun berührt die Musikerin ihr Publikum nicht mehr nur von der Bühne aus, sondern inspiriert auch ihre Yogaschüler, ihrem langen Atem zu vertrauen.
Astrid North/ Foto: Kristin Schnell