Wie bei einem guten Film sei es mit dem Yoga: „Es spricht sich einfach rum“, sagt Michaela May. Sie und ihre Kollegin Ursula Karven setzen seit Jahrzehnten auf die Kraft der Praxis. Was sie außer Leichtigkeit und Fokus daran schätzen, erzählen die Schauspielerinnen im YOGA JOURNAL-Interview.
Frau May, Frau Karven, Sie waren gemeinsam im ZDF-Film „So einfach stirbt man nicht“ zu sehen. Haben Sie während der Dreharbeiten auf Mallorca auch zusammen Yoga geübt?
Ursula Karven: Merkwürdigerweise nicht, aber wir haben uns auf jeden Fall über Yoga ausgetauscht.
Michaela May: Ich bin ja lange nicht so versiert und in der Yogawelt integriert wie Ursula. Zwar habe ich mal ein Yogabuch geschrieben; das hatte man nach einem Fernsehinterview, in dem ich von meinen Yogaerfahrungen erzählt habe, sozusagen von mir eingefordert. Ich bin aber keine Lehrerin oder dergleichen, ich mache es einfach gerne. Und es macht viel mit mir.
Was schätzen Sie besonders daran?
MM: Ich bin ja durchaus lädiert, hatte einen Oberschenkelhalsbruch und auch das andere Bein mal verletzt. Bestimmte Sachen kann ich also nicht machen. Den Baum übe ich zum Beispiel auf einen Ellenbogen gestützt, weil die Ferse mich nicht mehr hält. Yoga besteht für mich darin, dass man das, was man kann, macht und das andere versucht zu verbessern. Ohne Yoga würde ich mich, glaube ich, nicht mehr so gut bewegen können wie das glücklicherweise der Fall ist.
Das Schöne und irgendwie Beruhigende am Yogagedanken ist ja, dass es in jedem Alter machbar sein wird.
MM: Ich bin mit meiner Yogalehrerin zu meiner damals 97jährigen Mutter gefahren. Sie hat Yoga im Sitzen praktiziert, auf dem Stuhl, Drehungen, Atemübungen, Armbewegungen. Das ging wunderbar. Yoga geht bestimmt in jeder Altersstufe, aber was zum Beispiel Ursula in ihren Videos macht, wird mir nie offenstehen.
UK: Das ist ja auch völlig egal. Ich bewundere auch andere Leute, schön, wenn man viele Haltungen meistern kann. Ich habe als eher steifer Mensch angefangen und benutze bis heute gerne Hilfsmittel. Ellenbogenstütze beim Baum finde ich super: Die gesunde Muskulatur stärken, die andere pieksen. Einfach immer weitermachen.
MM: Für mich ist wesentlich, die Beweglichkeit im Körper zu erhalten, und dadurch auch im Geist. In den letzten 20 Jahren ist Yoga interessanterweise ja richtig explodiert.
Sie beide praktizieren noch länger. Wie beobachten Sie die Entwicklung?
MM: Wahrscheinlich ist es wie bei einem guten Film: Es spricht sich rum.
UK: Mich fasziniert Indra Devis Geschichte: Bis in die 1950er Jahre war Yoga ja für Frauen verboten. Als für Krieger entwickelte Technik war es Männern vorbehalten. Die westliche Diplomatentochter Indra Devi lernte von Krishnamacharya, ist dann nach Hollywood gegangen und hat Filmstars unterrichtet. Der Ball war ins Rollen gekommen, wir Frauen haben es schnell gedreht. Jetzt folgen uns die Männer. In Los Angeles bilden sie manchmal schon die Mehrheit in den Klassen.
MM: Ich habe vor über 25 Jahren eine eigene Yogagruppe gegründet, die mein damaliger Mann immer belächelte. Kaum hatten wir uns getrennt, fing auch er mit Yoga an. Ja, jetzt ist Yoga keine esoterische Marotte mehr, sondern wird als ähnlich effektiv betrachtet wie Laufen und anderes Bodytraining.
Stichwort „Leistungsorientierung“?
MM: Na ja, ich selbst bin auch weit von Om und Räucherstäbchen entfernt.
UK: Ich mag beides. Ich finde gut, dass man Muskeln aufbaut und sich auch mal abreagieren kann. Rein meditatives Yoga ist mir zu langweilig. Ich glaube, du magst auch Vinyasa-Yoga, Michaela, oder?
MM: Genau.
UK: Inzwischen kann ich mich zum Beispiel aber auch mehr in Bhakti Yoga reinfühlen, dazu habe ich 30 Jahre gebraucht. Aber ohne Workout kann ich mich nicht „entkanalisieren“.
Auf welche Weise hat sich Yoga in Ihrem Leben etabliert?
MM: Aus meiner Yogagruppe ist ein sehr geschützter Raum geworden. Wir sind acht enge Freundinnen, darunter auch meine Schauspielkolleginnen Jutta Speidel und Despina Pajanou. Unsere erste Lehrerin war vor 25 Jahren eine Frau aus der Community um Rainer Langhans, heute ist es Sabine Eichinger. Nach der Stunde sitzen wir immer noch zusammen und besprechen die aktuellen Dinge des Lebens. Ich brauche diese Intimität. Beim Yoga wird so viel frei.Obwohl man nicht interagiert, verbindet die gemeinsame Chemie. Da finde ich die gleiche emotionale Wellenlänge wichtig.
UK: Mir wäre das fast zu viel. Ich liebe es, in Los Angeles mit 200 unbekannten Menschen Matte an Matte zu schwitzen. Ich gehe rein, gebe mein Bestes, nehme die Energie der anderen mit und gehe wieder. Das Gefühl dabei ist allerdings vermutlich das gleiche. Ein befreites Gefühl, das berühmte „yoga-stoned“.
Verzahnt sich Yoga auch mit Ihrer künstlerischen Arbeit?
UK: Bestimmt, aber eigentlich mit dem ganzen Leben. Ich spüre die Wirkung, wenn es mir gelingt, bei Blockaden ein Stück zurückzugehen, durchzuatmen und zu schauen, wie es weiter geht. Ich kann auch viel besser als früher zu meinen Bedürfnissen stehen und sie formulieren. Ich glaube, ich bin durch Yoga mutiger geworden.
MM: Ich spüre großen Effekt für die Konzentration und mich beim Spielen ausbeamen zu können, das Drumherum nicht mehr wahrzunehmen und im Augenblick zu sein. Da lege ich den Fokus auf mich selbst und meine eigenen Möglichkeiten, kann Erwartungen fallen lassen und immer wieder von einem Nullpunkt an neu beginnen.
Viele Schauspielschulen haben Yoga bereits im Lehrplan verankert.
UK: Ich bin der Meinung, dass es auch an der normalen Schule Einzug halten sollte, und verstehe nicht, dass es nicht schon längst der Fall ist. Warum? Die Wirkung ist doch wissenschaftlich erwiesen!
MM: Ich bin ausgebildete Kindergärtnerin, und schon damals habe ich mit den Kindern Übungen für die Sinne gemacht, so genannte Kim-Spiele, eine Art Vorstufe zum Yoga: Äußere Reize minimieren, in sich hereinspüren, was schmecke, rieche, höre, fühle ich.
UK: Von Kindern können wir uns auf jeden Fall viel abschauen. Es ist toll, wie sie sich beim Kinderyoga problemlos sofort einen Vulkanausbruch vorstellen können, in Bildern agieren, unverkopft und mit total offenen Kanälen. Und wie lange es bei uns dauert, bis wir unseren Laden da oben mal zum Stillstehen kriegen und die Gehirnschleifen stoppen …Yoga ist magisch.
Apropos „Magie“: Sie beide werden – völlig nachvollziehbar – oft nach „Rezepten“ für Ihr attraktives Äußeres gefragt. Schreiben Sie Yoga da eine Wirkung zu? Und spielt das überhaupt eine Rolle?
MM: Yoga sollte nicht ergebnisorientiert sein, nicht messbar.
UK: Na gut, dass es den Stoffwechsel hochfährt, mehr Zellen produziert werden, Herzkranzgefäße und Venen stärkt und die Cortisolausschüttung hemmt – darüber brauchen wir nicht reden. Natürlich ist es ein System, das jung erhält. Das bessere Aussehen ist das Geschenk, das dazu kommt. Ich werde da gerne wissenschaftlich, um von Mutmaßungen und Geheimrezepten wegzukommen: Gewisse Fakten passieren im Körper, hier sind die Studien, viel Spaß. Dass man bewusster und sensibler wird, mit Grenzen anders umgeht, dass man viel gibt und viel zurückbekommt – das ist das eigentliche Yoga. Die äußeren Effekte: Super, why not?
„Wahre Schönheit kommt aus der Mitte“ steht als Leitspruch auf Ihrer Website.
UK: Aha, das hat mein Team schön getextet. (lacht) Welche Mitte auch immer… Auf jeden Fall sind wir mit meiner Yogaartikel-Marke „Divine Flower“ gerade dabei, die Palette an Größen auszuweiten: Runde Frauen auf die Yogamatte!
In „So einfach stirbt man nicht“ sagt der Großvater zu seinem Enkel: „Frauen kriegen einfach alles hin, das war schon immer so und wird immer so sein.“ Das mit der Mitte, vor allem der Lebensmitte und dem Alter kriegen wir allerdings oft nicht so gut hin. Wie leben Sie mit den unvermeidlichen Veränderungen?
UK: Ganz ehrlich? Ich find‘s schwierig. Michaela ist da besser als ich. Ich hadere mit mir und bin unsicher. Meinen Kindern habe ich immer gepredigt, dass das einzige, worauf sie sich verlassen können, die Veränderung ist und man sie heiligen sollte. Wenn du etwas zu lange festhältst, erstarrt es. Dennoch finde ich es sehr anspruchsvoll, älter zu werden.
MM: Meine Lebensmitte ist durchaus ein paar Jahre her. Ich lege mich da einfach hinein und stelle fest, dass meine Kinder mir in puncto Schnelligkeit mittlerweile meilenweit voraus sind. Aber ich bin in meinem Leben viel und schnell Ski gefahren, habe viel Gas gegeben, daher vermisse ich eigentlich nichts. Gewisse Dinge reduzieren sich einfach, ich werde keinen „Iron Woman“ mehr machen. Ich habe Neues entdeckt und versuche, mir meine Neugier zu erhalten. Ich möchte positiv annehmen, was Neues kommt, nicht nur bemerken, was nicht mehr geht.
Was sind diese neuen Dinge?
MM: Ich fremdele etwas mit den sozialen Medien, will aber offener werden und nehme mir ein Beispiel an meiner Mutter, die mit 90 noch einen Computerkurs gemacht hat. Statt Skifahren gehe ich jetzt Schneeschuhwandern. Da bin ich auch auf dem Berg, aber angenehm allein, fern vom Getöse der Skilifte. Ich male, sammle Pilze, habe die High Heels gegen schöne flache Schuhe eingetauscht. Ich setzte mir keine unerreichbaren Ziele mehr, sondern Gelegenheiten, mehr wahrzunehmen.
UK: Ich sehe dich immer noch bei unseren Dreharbeiten in der Villa auf Mallorca barfuß über den Terrakottaboden huschen wie ein junges Mädchen. Es ist alles so relativ.
MM: Im Seniorenheim meiner Mutter habe ich zwei Arten von Menschen beobachtet: Die Meckerer und die Genießer. Ich habe mir vorgenommen, bei den Genießern zu sein.
In Ihrem Film ist viel die Rede von „starken“ Frauen. Was verstehen Sie darunter?
UK: Authentizität, wie auch immer sie ausfällt. Sich zu trauen, so zu sein, wie man ist. Ich bin streng erzogen, habe meine Bedürfnisse oft verleugnet und stattdessen immer versucht, so charmant wie möglich zu sein. Das ging sicher bis Mitte 30 so.
MM: Ich war schon immer eher der undiplomatische Typ. Ein starker Mensch hat für mich Wahrhaftigkeit als Basis, steht zu sich selbst und vertritt eine klare Haltung. Das gilt natürlich auch für Männer.
Glauben Sie, dass Yoga für alle da ist oder eher – wie oft kritisiert – etwas für Privilegierte, und sich daher breiter öffnen sollte?
UK: Eigentlich steht es mit Volkhochschulen und Initiativen doch allen offen. Müssen wir es wirklich noch weiter öffnen? Ich glaube, das passiert ganz von allein.
MICHAELA MAY (67) wurde in den 1970er-Jahren mit Helmut Dietls „Münchner Gschichten“ bekannt und ist seither eine der am besten beschäftigten deutschen Fernsehschauspielerinnen. Sie lebt in München und engagiert sich für die SOS-Kinderdörfer, die Welthungerhilfe sowie Mukoviszidose-Patienten.
URSULA KARVEN (54) ist als Schauspielerin, Model, Unternehmerin („Bellybutton“, „Divine Flower“) sowie Autorin von Yoga-Büchern und -DVDs erfolgreich. Nach Stationen in Los Angeles und auf Mallorca, wo sie eine Yogaschule betrieb, lebt die gebürtige Ulmerin heute in Berlin.
Ihr gemeinsamer Film, die Familien-Tragikomödie „So einfach stirbt man nicht“, wurde am 29. August 2019 im ZDF ausgestrahlt. Fotos: MARKUS WERNER, MARION VON DER MEHDEN