Mehr Herz als Verstand: Im Kamel darf man den Kopf ruhig ausschalten und sich zu Herzlichkeit inspirieren lassen – das Gefühlszentrum öffnet sich in dieser knienden Rückwärtsbeuge fast von alleine.
Wer das Kamel übt, der kniet (wie es der Namensgeber der Pose manchmal tut) auf den Schienbeinen am Boden. Das Brustbein wird zum Himmel gehoben, die empfindsame Vorderseite des Körpers vertrauensvoll geöffnet. Anstatt mit beiden Füßen fest auf der Erde zu stehen und zuversichtlich nach vorne zu schauen, entscheiden wir uns, in die Knie zu gehen und den Kopf in den Nacken zu legen. Nicht wissend, was uns erwartet. Um ein kraftvolles, leidenschaftliches Kamel zu praktizieren, braucht es etwas von allem: Neugier und Mut, Selbstvertrauen, Entschlossenheit, Hingabe, Achtsamkeit, dazu äußere Anspannung und innere Einkehr, manchmal ein bisschen Kühnheit, immer jedoch die Bereitschaft, (wenn auch nur kurz) das Herz über den Verstand siegen zu lassen.
Bringt Vorder- und Rückseite des Körpers ins Gleichgwicht
Als symmetrisch ausgeführte Übung ermöglicht es das Kamel, sich auf den Körper als Ganzes zu konzentrieren. Beide Körperhälften werden gleichermaßen gedehnt, gekräftigt und beansprucht. Als Rückwärtsbeuge kann die Asana Abhilfe schaffen bei einem Ungleichgewicht zwischen Körpervorder- und -rückseite. Wer den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, oft auf sein Mobiltelefon schaut, oder sich ständig vornüberbeugt, der braucht mit Sicherheit die herz-, schulter- und brustöffnende Wirkung.
Das Kamel bietet für Fortgeschrittene genau so viele Herausforderungen wie für Anfänger. Zu Beginn fordert es dazu auf, sich zu erden, ohne dafür die Füße oder Sitzknochen nutzen zu können. Im Knien fühlt man kaum den Untergrund, aber trotzdem setzt ein starkes Kamel eine standfeste Basis voraus. Dazu kommt: Im Kamel versuchen wir, das Herz dem Himmel anzunähern, dürfen aber nicht auf unsere gesamte Körpergröße zurückgreifen. Nach hinten, dort wohin die Reise geht, können wir nicht sehen. Man begibt sich also ein bisschen ins Ungewisse – und genau das macht das Kamel so spannend. Es verlangt den Übenden einiges ab, gibt aber dann zurück, was wir dringend brauchen: ein offenes Herz, einen freien Geist, tiefen Atem und die Erkenntnis, dass es auch rückwärts vorangehen kann.
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KATJA HOLZHEI unterrichtet Yoga und schreibt darüber. Seit 2006 in Werbung und Journalismus tätig, entdeckte sie im selben Jahr Yoga für sich. Die „Klassiker“ brachten sie in ihre erste Klasse: Rückenprobleme, ein bisschen Neugier und die Empfehlung einer Freundin. Nach ein paar Stunden stand für sie fest, dass sie selber unterrichten möchte. Ihr erstes Training im Herbst 2007 zertifizierte sie zur Bikram-Yogalehrerin. 2008 und 2009 folgten Ausbildungen bei Spirit Yoga Berlin und schließlich 2014 ein Training zur Thai-Yoga-Therapeutin in Kanada, wo Katja inzwischen lebt und Vollzeit als Yogalehrerin und Yogalehrer-Coach arbeitet. www.neuland-yoga.com