Um Trauer zu bewältigen, braucht man innere Kraft und Vertrauen. Diese Übungssequenz von Seane Corn zielt darauf ab, die Herzgegend mit aktiven Rückbeugen und Drehhaltungen zu weiten und sie dabei mit Energie zu versorgen. Gleichzeitig beruhigen tief entspannende Übungen aus dem Restorative Yoga das häufig erschöpfte Nervensystem und nähren Körper und Geist. Steigst du gerade erst ein? Schaue dir die Einleitung an, Yogamatte ausrollen und schon kann es für dein heilendes Herz los gehen.
Text & Sequenz: Seane Corn, Fotos: Joe Hancock
Versuche jeden Morgen zu üben. Möglichst in einer ruhigen, geschützten Atmosphäre. Beobachte deine körperlichen Wahrnehmungen und versuche sie zu benennen. Etwa mit Begriffen wie “müde”, “angespannt” oder “schwer”. Auch für deine Gefühle kannst du Worte finden, vielleicht “traurig”, “ängstlich” oder “wütend”. Beides hilft dir, jetzt zu heilen, anstatt sich gegen deine Empfindungen abzuschotten und umso länger zu leiden. Tiefes, bewusstes Ausatmen hilft dir beim Loslassen emotionaler Spannungen.
Anfangsmeditation
Finde eine bequeme, aufrechte Sitzhaltung. Währenddessen stehen die Hüften höher als die Knie (falls nötig setzt du dich erhöht auf ein Kissen). Schließe die Augen und lege die Handflächen im Anjali-Mudra vor dem Herzen aneinander. Atme ruhig und tief. Nach einer Weile formulierst du im Stillen eine Intention für diese Praxis. Seane Corns Formulierung dafür ist folgende:
“Möge diese Praxis mich mit meinem Körper in Verbindung bringen. Mich im Hier und Jetzt erden und meine Trauer heilen. Ich bitte um Klarheit und um die Kraft, all jene begrenzten Überzeugungen loszulassen, die mich davon abhalten, mich zu verändern und zu wachsen. Möge sich mein Herz öffnen, um jenseits des Verstandes zu schauen, bedingungslos ja zu sagen und ohne zu zögern zu lieben.”
1. Anjaneyasana (tiefer Ausfallschritt)
Aus dem Stand machst du mit dem rechten Bein einen weiten Ausfallschritt nach hinten. Setze die Fingerspitzen beidseits des vorderen Fußes auf und strecke die Wirbelsäule lang. Nach 4 tiefen Atemzügen legst du Knie und Fuß des hinteren Beins am Boden ab. Mit einer Einatmung hebst du den Rumpf. Richte das Becken möglichst gerade nach vorn aus, bevor du die Hände hinter dem Körper verschränken. Mit der nächsten Einatmung streckst du die Arme nach hinten und weitest die Brust. Richte den Blick sanft geradeaus und atme 4 bis 5 Mal tief. Dabei richtest du die Aufmerksamkeit auf mögliche Spannungsgefühle in der Brust und stellst dir vor, wie diese Aufmerksamkeit den Blutfluss in der Herzgegend verstärkt. Über den herabschauenden Hund wechst du die Seiten.
2. Hoher Ausfallschritt mit Drehung
Setze aus dem herabschauenden Hund das linke Bein nach vorn in einen hohen Ausfallschritt. Die rechte Hand bleibt am Boden, wenn du nun den linken Arm heben und den Rumpf aus mittlerer und oberer Wirbelsäule heraus zur Seite drehen. (Einfachere Alternativen: Setze die rechte Hand wie abgebildet erhöht auf einen Block oder stütze den rechten Unterarm auf dem linken Oberschenkel auf.) Strecke dich durch die rechte Ferse lang nach hinten, ziehe die Brust lang nach vorn und halte das Becken gerade, um der Haltung Stabilität zu verleihen. Der Blick folgt 5 Atemzüge lang sanft der gehobenen Hand und Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auch hier auf die Herzgegend. Erneut wechselst du die Seiten über den herabschauenden Hund.
3. Shalabhasana (Heuschrecke)
Verschränke in der Bauchlage die Hände hinter dem Rücken und strecke die Beine lang nach hinten aus. Verwurzele das Schambein fest am Boden, bevor du mit einer Einatmung Beine, Brust und Hände heben. Strecke die Zehen nach hinten und die Brust nach vorn. Der Nacken bleibt möglichst weich, der Blick geht sanft nach vorn. Nach 3 tiefen Atemzügen machst du eine kleine Pause in Bauchlage oder in der Stellung des Kindes, dann wiederholst du die Übung. Sie wirkt der Tendenz entgegen, die Schultern schützend nach vorn zu ziehen und die Brust eng zu machen – eine typische Körperreaktion auf seelischen Schmerz. Nach der Wiederholung entspannst du eine Weile in der Stellung des Kindes.
4. Setu Bandha Sarvangasana (Schulterbrücke)
Stelle in der Rückenlage die Füße in hüftbreitem Abstand unter den Knien auf. Mit einer Einatmung hebst du langsam das Becken und verschränkst die Hände hinter dem Rücken. Rolle die Schulterblätter zueinander hin und weite die Brust. Dabei schließst du die Augen und atmest 4 Mal tief und langsam ein und aus. Nach einer kurzen Pause mit zur Brust gezogenen Knien wiederholst du die Übung zwei weitere Male. Danach ziehst du erneut die Knie zur Brust. Die Schulterbrücke ist eine Einladung, zugleich stark und verletzbar zu sein. Außerdem erhöht sie den Blutfluss zu Gehirn und Drüsen, die Hormonhaushalt und zentrales Nervensystem steuern.
5. Krokodil (intensive Drehung in Rückenlage)
Lege in der Rückenlage das rechte Bein über das linke und lassen Sie beide Beine nach links sinken. (Wenn das unangenehm für den unteren Rücken ist, stelle beide Füße auf und lassen die Knie nur locker zur Seite kippen.) Breite den rechten Arm zur Seite aus, die linke Hand legst du locker auf das rechte Knie, der Kopf sinkt weich nach rechts. Bei dieser und den folgenden Übungen steht bewusstes Loslassen und Entspannen im Vordergrund. Dazu schließt du die Augen und lauschst deinem Atem. Nach 8 bis 10 Atemzügen kehrst du mit einer Einatmung zur Mitte zurück. Pausiere kurz mit zur Brust gezogenen Knien, dann wechselst du zur anderen Seite.
6. Sanfte Drehung auf dem Bolster
Setze dich seitlich auf die Matte und platziere ein Bolster so, dass ein Ende deine linke Hüfte berührt. Drehe dich zu der Kissenrolle hin und lege Rumpf und Kopf darauf ab. Wenn du die rechte Wange nicht weich und mühelos ablegen und wirklich bequem liegen können, unterpolstere die Haltung mit zusätzlichen Kissen. Schließe zudem die Augen und lege die Arme entspannt am Boden oder auf dem Bolster ab. Die Haltung veranlasst das Nervensystem, in den Ruhe- und Verdauungsmodus zu gehen. Sie erdet den Körper und beruhigt den Geist. Bleiben Sie mindestens 2 Minuten lang liegen, bevor du dich behutsam wieder aufrichten und die Seiten wechseln.
7. Pashchimottanasana (Vorwärtsbeuge im Sitzen, mit Bolster)
Setze dich mit nach vorn ausgestreckten Beinen auf die Matte und platziere das Bolster längs auf deinen Beinen. Lass die Wirbelsäule mit einer Einatmung noch einmal ganz lang werden, bevor du dich ausatmend nach vorn auf das Bolster sinken lassen. Der Kopf dreht dabei zu einer Seite, die Arme liegen entspannt längs der Beine am Boden. (Wenn das zu viel Spannung an den Beinrückseiten oder am unteren Rücken verursacht, lege Kopf und Arme statt dessen auf der mit einem Kissen gepolsterten Sitzfläche eines Hockers ab.) Entspanne dich jetzt tief und ruhig atmend mindestens 1 Minute lang mit geschlossenen Augen.
8. Shavasana (Endentspannung mit Bolster)
Mit einer Einatmung richtest du dich aus der Vorwärtsbeuge wieder zum Sitzen auf. Platziere die Kissenrolle hinter dich längs auf der Matte. Lege anschließend Rücken und Kopf auf dem Bolster ab. Damit der Nacken weich bleibt und sich der gesamte Körper entspannen kann, erhöhe auch hier die Liegefläche nach Bedarf durch weitere Kissen. Die Arme sinken währenddessen schwer zu den Seiten, die Augen sind geschlossen und du atmest tief und weich. Bleibe mindestens 2 Minuten liegen. Dann rollst du dich seitlich vom Bolster, stellst die Füße auf und lässt den Rücken mehrere Atemkreisläufe lang am Boden ankommen.
9. Abschließende Meditation für ein heilendes Herz
Kehre nun zurück in die bequeme Sitzhaltung. Die Augen sind geschlossen, die Hände vor dem Herzen aneinander gelegt und du lauschst eine Weile auf deinen Atem. Dann formulierst du erneut eine Intention wie zum Beispiel diese:
„Den höheren Mächten dankend bitte ich zugleich um Kraft für meinen Weg der Heilung. Möge ich mitfühlen-der und liebevoller werden. Nicht trotz meines Verlustes und meiner Trauer, sondern dank dieser Erfahrung. Möge ich Dankbarkeit empfinden für mein Leben und den Segen der darauf liegt und weiterhin liegen wird. Und möge ich keinen Moment meines Lebens für selbstverständlich halten, sondern diesen und jeden Moment würdigen. Möge ich Vertrauen in den Heilungsprozess finden und wahren können. Dann möge ich mich seinen Lehren anvertrauen und erfahren dürfen, wie er mein Herz für eine tiefere Liebe öffnet.“
SEANE CORN ist nicht nur als Yogalehrerin international bekannt, sondern auch als Aktivistin, ganz besonders durch die von ihr gegründete Organisation „Off the Mat into the World“. Vor der Kamera stand für diese Sequenz ANI JACKSON, eine Yin-Yogalehrerin aus Colorado.