Meditation unter Wasser – Yoga und Big-Wave-Surfen

Wenn sich Loly Rehder durch Wellen so hoch wie Mehrfamilienhäuser kämpft, ist sie in ihrer eigenen Welt und nimmt das Toben um sich herum als Stille wahr. Yoga und eine besondere Atemtechnik schenken der Big-Wave-Surferin diese Ruhe und haben ihr vielleicht schon das Leben gerettet, wenn mal wieder tonnenweise Wasser über ihrem Kopf zusammen brach. Im Interview mit Redakteurin Anika Kedzierski verrät sie, wie sie trotz Ängste ruhig bleibt.

“Es ist wie eine Meditation unter Wasser, die dir zu verstehen gibt, wer du wirklich bist”

Sobald sich Wassermassen zu gigantischen Wellen auftürmen und alle an den Strand flüchten, beginnt für Loly Rehder erst der Spaß. Den Surfer-Lifestyle sieht man der 27-Jährigen schon auf die Entfernung an: gebräunte Haut, lange, vom Salzwasser geformte Locken und das Board lässig unter den Arm geklemmt. Kein Wunder: Das Wellenreiten wurde ihr schon in die Wiege gelegt. Bereits im Kindesalter hat sie ihrem Vater beim Big-Wave-Surfen zugeschaut und davon geträumt, eines Tages in seine Fußstapfen zu treten. Mit dreizehn wagte sie sich dann zum ersten Mal aufs Brett und ist seitdem nicht mehr aufzuhalten.

Adrenalin und Meditation

„Viele halten Big-Wave-Surfer für verrückte Adrenalinjunkies”, lacht die Peruanerin. Dabei komme es bei den extremen Bedingungen im Wasser vor allem auf die mentale Einstellung an: „Wenn sich direkt vor dir riesige Wasserberge bis zum Horizont aufbäumen, willst du zunächst nur deinem Instinkt folgen und um dein Leben in die andere Richtung paddeln. Bewahrst du aber die Ruhe und entscheidest dich bewusst, dein Board Richtung Welle zu drehen, bist du ihr schon einen Schritt voraus.” Beim Surfen ist sie konzentriert bis in die Zehenspitzen, schließlich riskiert sie im Ozean regelmäßig ihr Leben. „Der Ernstfall ist das Wipe-Out, bei dem du von der brechenden Welle abgeworfen und mit Gewalt unter Wasser gedrückt wirst – ähnlich wie in einer Waschmaschine beim Schleudergang”, erklärt Loly, die schon öfter Nasenspülungen der brutalen Art bekommen hat. Ihre Ängste sind immer präsent und trotzdem bleibt sie ruhig – hier kommt ihre Yogapraxis ins Spiel. „Am Anfang nutzte ich die Asanapraxis lediglich, um Kraft, Balance und Beweglichkeit zu trainieren. Mit wachsendem Ehrgeiz stieg auch die Höhe der Wellen – da reichte ein starker Körper allein nicht mehr aus. Ich musste auch mein Bewusstsein trainieren”, so die Surferin.

Atemstillstand

Um sich für die lebensbedrohlichen Wassergiganten zu wappnen, praktizierte sie zur Vorbereitung auch Meditation und Pranayama. „Als ich anfing zu meditieren, merkte ich schnell, dass mir die mentale Einstellung und der ruhige Geist auch beim Surfen zugutekommen.” Beim Yoga übt sie kurze Ein- und lange Ausatmung um ihre Herzfrequenz herunterzufahren und unter den Wellen zu überleben. Um die gesamte Kapazität ihrer Lungen auszuschöpfen, nutzt sie den dreiteiligen Atem. Außerdem greift sie auf Apnoe zurück, eine Technik des Atemstillstands, die Freediver nutzen um mit einem Atemzug mehrere Meter in die Tiefe zu tauchen. „Apnoe hilft dir über die Angst, mehrere Minuten ohne Luft auszukommen. Viele scheitern nur an der Panik vor dem Atemreiz und nicht am Sauerstoffmangel“ meint Rehder, die mittlerweile 3,5 Minuten die Luft anhalten kann – ein großer Vorteil, wenn mal wieder tonnenweise Wasser über ihrem Kopf zusammenbricht. „Unser Gehirn verbraucht beim Denken sehr viel Sauerstoff. Daher musst du bewusst entspannen und den Gedanken eine Pause verordnen. Es ist wie eine Meditation unter Wasser, die dir zu verstehen gibt, wer du wirklich bist – ähnlich wie beim Yoga”. Loly beherrscht den Atemstillstand mittlerweile so gut, dass sie Apnoe für Surfer unterrichtet.

In den Monsterwellen vertritt Loly die Frauenpower meist alleine. „In diesen Extremen pendelt die Mischung aus Adrenalin und Testosteron auf einem hohen Level. Als Frau fühle ich mich verantwortlich, mehr Balance in die Wellen zu bringen und meine weibliche Kraft, das Yin, gegen die dominante maskuline Seite, das Yang, zu stellen.” Mit ihrem pinken Surfbrett und den meist sehr mädchenhaft gestalteten Neoprenanzügen hat sie für diese Aufgabe die perfekten Partner an ihrer Seite.

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