Luisa Harisch ist zweifache Mama und Yogalehrerin. Aus eigener Erfahrung weiß sie: Eine Schwangerschaft verändert die eigene Yoga-Praxis. Im Interview hat sie uns erzählt, worauf schwangere Yoginis achten müssen, was sich in ihrem Körper verändert und warum Yoga so gut zur Geburtsvorbereitung ist. //anzeige
Liebe Luisa, was hat dich zum Schwangerschaftsyoga gebracht?
Meine eigene erste Schwangerschaft. Ich habe zu diesem Zeitpunkt schon sehr lange unterrichtet, kannte mich gut aus. Aber in Punkto Schwangerschaft und Yoga hatte ich kein fundiertes Wissen. Also habe ich mich direkt zu einer Ausbildung angemeldet. Es war so toll die Ausbildung zu erleben als ich selbst schwanger war und alles genau ins Detail spüren zu dürfen. Es ist sehr wichtig, sich auszukennen, wenn man schwanger ist und ganz viel Yoga macht, oder wenn man Schwangere unterrichtet. Es gibt so viel zu beachten: Man kann viel richtig machen, aber man kann auch einiges falsch machen und genau das sollte während dieser faszinierenden Phase nicht passieren.
Worauf müssen Schwangere bei ihrer Yoga-Praxis denn achten?
Da gibt es schon einige Aspekte: keine Bauchlage mehr, keine intensive Dehnungen mehr. Durch die Weichmacher-Hormone Relaxin und Östrogen, wird nicht nur der Beckenboden weicher, es werden auch die Sehnen und Bänder gedehnt und die Verletzungsgefahr ist höher. Schwangere sollten keine ausgeprägten Rückbeugen machen, das kann zu einer Überdehnung der Mutterbänder führen. Auch keine Übungen für die gerade Bauchmuskulatur, keine intensive Dehnungen oder Twist, kein Detox während der Schwangerschaft, keine Umkehrhaltungen, die eine Verletzungsgefahr hervorrufen können, wie der Handstand oder Kopfstand. Schwangere sollten keine Sprünge mehr machen, um den Beckenboden zu schonen. Gegen Ende der Schwangerschaft kann es sein, dass die Frauen nicht mehr in der Rückenlage verweilen können. Schuld ist das Vene Cava-Kompressionsyndrom. Wird es dir in Rückenlage schwindelig oder schlecht, dann ab in die linke Seitenlange und ein Kissen zwischen die Knie. All das gilt ca. ab der 12. Woche.
Gibt es auch Regeln für die Atemübungen?
Ja, die gibt es. Es sollten nur Atemtechniken angewandt werden, die nicht in der Fülle oder Leere bleiben. Du solltest also immer im Fluss atmen, auf deine Intention hören, Pausen machen wenn es zu viel ist. Die Schwangerschaft ist eine Zeit, in der weniger mehr ist.
Du bist ja selbst Mama – wie hat sich dein Yoga durch deine Schwangerschaften verändert?
Durch die Schwangerschaften und die Hausgeburten habe ich einen ganz neuen Zugang zu meinem Körperbewusstsein erlangt. Ich kann voller Stolz sagen, dass ich so dankbar für meinen Körper bin. Wahnsinn, was er in diesen Phasen geleistet hat. Ich wertschätze ihn seitdem sehr. Natürlich habe ich jetzt nicht deswegen keine Wehwehchen mehr und natürlich denke ich auch über Äußerlichkeiten nach. Aber dann halte ich für einen Moment inne und bin wieder voll bei mir. Mein Yoga ist jetzt viel bewusster. Ich spüre mehr, ich achte mehr auf mich und ich nehme wahr.
Kannst du mir ein Beispiel geben?
Super Beispiele sind die Sexualität und der Beckenboden. Ich habe noch mehr Zugang dazu bekommen und beides, vor allem die Sexualität, hat sich dadurch verbessert, ist intensiver geworden. Ich spüre mehr, ich weiß genau was ich will oder nicht und kann auch mehr loslassen. Ich glaube darin liegst auch der größte Unterschied zwischen “normalem” Yoga und Schwangerschaftsyoga: in der Achtsamkeit – man achtet viel mehr auf sich, seinen Körper und vor allem auf den Babybauch.
Der Fokus verschiebt sich von der “perfekten” Asana hin zum Spüren …
Ja genau. Es geht nicht mehr darum ‘wie tief komme ich in eine Dehnung’, ‘welche verrückte Asana kann ich noch machen, um nachher ein cooles Instagram Bild zu haben’ oder ‘wie lange halte ich es im Kopfstand aus’. Meine schwangeren Frauen sind viel mehr im Gefühl und bei sich – sie erlernen neue Atemtechniken, um sich auf die Geburt vorzubereiten. Sie spüren in sich herein: Wie fühlt sich die Atmung an und was verändert sich dadurch? Was machen Asanas, die vor allem die Beckengegend auf die Geburt vorbereiten mit mir. Es sind oft kleine und sanfte Übungen die einen enormen Unterschied machen. Die Frauen erlangen ein neues Gefühl für Bewegung! Man kann sich so genial mit Yoga in der Schwangerschaft auf die Geburt vorbereiten und man merkt einen Unterschied.
Du meinst beim Geburtsvorgang selbst?
Absolut, denn Yoga findet nicht nur auf, sondern auch abseits deiner Yogamatte statt. Wenn du zum Beispiel mit Journaling beginnst, kannst du deine Geburt visualisieren oder auch manifestieren. Sage dir bestimmte Affirmationen immer wieder vor und verinnerliche sie. Integriere Dankbarkeitsübungen in deinen Alltag, schreibe einen Brief an dein Baby – es gibt da einige Tools, die dich mental auf die Geburt vorbereiten und dich positiv durch deine Schwangerschaft bringen.
Dazu gehört auch die richtige Atmung. Ich erinnere mich gut, wie ich den Geburtsschmerz durch gezieltes Atmen besser aushalten konnte.
Und auch darauf bereitet dich Yoga vor, du lernst bewusst und tief zu atmen. Gerade in der Eröffnungsphase ist die tiefe Bauchatmung wundervoll. Du atmest nach unten zu deinem Baby und stellst dir vor, du schiebst dein Baby mir jeder Einatmung tiefer zum Muttermund. Bei den Presswehen liegt der Fokus dann auf der Ausatmung, da kann es hilfreich sein laut auszuatmen und zu tönen, etwa auf A-U-O. Sobald du deinen Fokus von dem “Schmerz”, weg zur Atmung lenkst, passiert schon rein mental etwas. Du schafft einen Switch, von etwas Negativen zum Positiven. Und körperlich bist und bleibst du bei dir – du kannst die Atmung als Anker nehmen.
Wie wirkt Yoga denn auf das Baby im Bauch? Entspannt die Atmung auch das Ungeborene?
Oh ja, das tut es! Denn all das was die Mama spürt, spürt auch das Baby. Wenn du Glückshormone ausschüttest, gelangen diese über die Nabelschnur zum Baby. Wenn du entspannt in Savasana liegst, merkt das dein Baby und kann vielleicht auch entspannen. Wenn du gestresst bist und Adrenalin ausschüttest, bekommt das auch dein Baby ab, deswegen achte besonders gut auf dich während deiner Schwangerschaft.
Und wenn mein Baby da ist? Wann darf ich nach der Geburt wieder mit Yoga beginnen?
Grundsätzlich gilt: Nach einer vaginalen Geburt nach 6-8 Wochen, nach einem Kaiserschnitt nach 10-12 Wochen. Wichtig ist aber: Jede Frau, jede Geburt und jedes Wochenbett ist individuell. Deswegen sollte man immer individuell entscheiden, am besten Rücksprache mit der Hebamme und/oder der*m Frauenärztin*arzt halten
Kommen wir zur Rückbildung: Trainiere ich beim postnatalen Yoga auch meinen Beckenboden?
Ja, denn es ist sehr wichtig, den Fokus darauf zu richten. Du musst den Beckenboden wie eine Art Fundament sehen. Wenn da etwas nicht stimmt, stimmt auch am Haus etwas nicht. Die Base muss gut funktionieren und dann tut es auch der Rest. Deswegen tut Yoga deinem Körper ja auch schon während der Schwangerschaft so gut: Eine regelmäßige Praxis beugt Rückenschmerzen vor, fördert deine Atmung, Mobilität und Flexibilität. Sie hilft vor allem im Beckenbereich bei einer schnelleren Rückbildung, denn du lernst deinen Beckenboden kennen und lernst ihn zu entspannen. Du hast weniger Wassereinlagerungen, vermeidest Plattfüße, hast weniger Gelenkschmerzen und du bist einfach entspannter und gelassener.
Vor allem letzteres scheint bei dir gut funktioniert zu haben: Du hast während deiner Schwangerschaft mal eben dein eigenes Yogaklamotten-Label mit “OH HI MOM” gegründet.
“OH HI MOM” habe ich aus meinen eigenen Needs heraus gegründet. In beiden Schwangerschaften war ich stets auf der Suche nach einer Leggins, die ich auch zum Yoga anziehen kann und die nachhaltig ist. Also dachte ich, ich mache selbst eine. Seit diesem Jahr gibt es nun die Hose in meinem Online Shop. Sie wird nachhaltig in Europa produziert. Es gibt eine Leggins und eine Pockethose für den Alltag, jeweils in zwei Farbvarianten. Das tolle an den Hosen ist: Du kannst sie auch nach der Rückbildung tragen. Man schlägt den verlängerten Bauchgurt um und hat einen Nierenwärmer gewonnen. Es sind Hosen zum wohlfühlen, die dich durch diese besonderen Phasen begleiten sollen.
Und damit die nicht langweilig wird, hast du auch noch die e-Books “Yoga in der Schwangerschaft” und “Yoga nach der Geburt” geschrieben?
Die e-Books sind entstanden, weil manche Frauen nach meinen Workshops noch Infos etc mitnehmen wollten. Mittlerweile verkaufe ich diese auch ohne den Workshop. Die E-Books verschaffen Schwangeren einen guten Einblick in die Thematik “Schwangerschaft & Yoga”. Auch viele Yogalehrerinnen kaufen die Books, um sich zu informieren, falls sie mal eine Schwangere unterrichten. Außerdem können sich Schwangere oder frisch gebackene Mamis nach der Geburt auf meinem Youtube-Kanal passende Yoga-Videos ansehen und einfach schon mal mitmachen.
Yogalabel, e-Books, Youtube-Videos – du bist selbst zweifache Mami. Wie schaffst du das Alles?
Ich liebe einfach was ich tue. Für mich fühlt es sich nicht nach Arbeit an. All die Energie die ich in diese Arbeit stecke, kommt zweifach zurück. Aber klar, es gibt es auch Rahmenbedingungen die stimmen müssen: Da ist an erster Stelle mein Mann, der mir wirklich den Rücken frei hält und mir immer wieder Zeit verschafft, in der ich arbeiten kann. Ich bin gut organisiert und wenn ich arbeite, dann sehr fokussiert. Klar habe auch ich Tage, an denen mir alles über den Kopf wächst. Aber dann habe ich meinen Anker, die Yogamatte. Nach einer Yogasession bin ich geerdet und entspannt.
Bald ist die Elternzeit vorbei. Wie geht es für dich dann weiter? Was steht auf dem Plan?
Oh ich habe immer ganz viele Pläne und Ideen. Aber im Fokus stehen ganz klar gerade meine Kinder. Wenn es die Zeit irgendwann zulässt, würde ich gerne ein Buch über Yoga und Schwangerschaft schreiben. Ich selbst habe erlebt, was es für einen wundervollen Unterschied macht, sich ganzheitlich mit Yoga auf die Geburt vorzubereiten. Das möchte ich anderen Frauen auch ermöglichen und ihnen Mut, Offenheit und Vertrauen schenken.
Mehr Infos zu Luisa findest du auf luisaharisch.com, Youtube und auf @luisaharisch