Früher war er Produktionsleiter bei MTV und sein Alltag eine Party. Heute verkörpert Percy Johannsen das Lebensgefühl des bayrischen Fünf-Seen-Landes – auf und jenseits der Yogamatte sowie auch als SUP-Yoga-Pionier und Autor seines neu erschienenen Buches “Yoga Unlimited”/ Kailash Verlag.
Für den Gründer des Namasté Yogastudios in Herrsching und des gleichnamigen Yoga Festivals ist Yoga eine Lebenseinstellung, in guten wie in schlechten Zeiten. Offen und berührend hat er uns seine Lebensgeschichte erzählt.
Lieber Percy, zunächst einmal: Was hat es mit der „Brezn-Meditation“ auf sich?
Die Brezn-Meditaion soll eine Erinnerung daran sein, dass alles in unserem Leben Yoga sein kann, auch der Weg zum Bäcker und wie wir den Menschen in unserem Alltag begegnen.
Was hat dich zu „Yoga Unlimited“ motiviert bzw. was hat dir in anderen Büchern zum Yoga-Lifestyle gefehlt?
Es war, wie alles in unserem Leben. Dieses Buch entstand sicher nicht aus einem Mangel an Yoga Büchern, vielmehr war aus der Fülle: Der Intention aufzuzeigen, wie wir Yoga in unseren Alltag integrieren können – von der Matte in die Welt.
Kannst du deinen persönlichen Zugang zur Praxis in ein paar Sätzen/Schwerpunkten zusammenfassen?
Ich übe mich darin, jede Herausforderung körperlicher, geistiger oder welcher Natur und wo auch immer, auf der Matte und im Alltag mit und durch Yoga zu meistern. Hinzu kommt, dass ich es unglaublich liebe, meinen Körper zu spüren – und ganz besonders: zum Sonnenaufgang meine Asana Praxis zu zelebrieren. Durch die Musik habe ich inzwischen auch einen unmittelbaren Zugang gefunden. Ich bin den ganzen Tag immer wieder am Singen und Chanten und richte mich so immer wieder aus.
„Yoga Unlimited“ setzt auf eine Ausdehnung der Praxis auf das gesamte Leben: Warum und wo setzen wir uns hier selbst oft Grenzen?
Aus Gewohnheit, weil wir gerade keinen freien Kopf haben – oder kein offenes Herz, weil wir wieder vergessen haben, wie wundervoll das Leben ist. Yoga ist ja auch eine Erinnerung an den Reichtum des Lebens, den wir wahrnehmen können, wenn wir einwilligen. Und diese Erinnerung würde ich eben gern ausdehnen von der Praxis im Yogastudio oder auf der Matte zu Hause in die weite Welt hinein. Klar brauchen wir auch Grenzen. Sie schaffen Orientierung und Ordnung, nur sollten wir uns immer wieder der Unendlichkeit unseres Geistes bewusst werden. Die scheinbaren Grenzen regelmäßig hinterfragen, erweitern und oder auflösen. Oft ist zu beobachten und auch bei mir stelle ich immer wieder fest. Wir hetzen von Meeting zu Meeting, von Yoga Workshop zu Yoga Workshop in die Yoga Stunde hupen noch und schimpfen über den Vordermann, machen unsere Sessions und hetzten heim zu Mann/Frau und Kind. Das alles könnten wir schöner haben. Und wie das gehen könnte, das erzähle ich in meinem Buch auch.
Der Pressetext beschreibt dich folgendermaßen: „Als Shootingstar (…) verkörpert Percy eine neue, lebenszugewandte und zeitgeistige Generation von Yogis“. Stimmst du dem zu? Wie nimmst du – auch als Organisator des Namasté Festivals – die moderne „Yogaszene“ wahr bzw. siehst dich als Teil von ihr?
Auf jeden Fall bin ich – wie alle andern auch Teil einer Bewegung und Yoga ist mein Leben oder ein großer Bestandteil davon. Wenn es so etwas wie eine Szene gibt dann ist es eine wundervolle bunte Gesellschaft von Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, sich selbst und anderen zu begegnen, jeder auf seine Art in Liebe und Achtsamkeit. Davon abgesehen glaube ich, dass jeder ein „Star“ ist, spätestens dann, wenn er/sie seinem „little Guru vertraut.“ Der spielt eine zentrale Rolle in meinem Buch, aber er wohnt dort nicht: In jedem von uns existiert diese tiefe Gewissheit: Wir sind alle mit allen und allem verbunden. Jeder Mensch hat seinen Little Guru. Die Frage ist nur: Hören wir seine Stimme? Als ich die Stimme meines Little Guru zum ersten Mal hörte, war es wie Nachhausekommen. Und ich erinnerte mich daran, dass ich sie als Kind schon einmal gehört hatte, aber dann ist sie irgendwann verloren gegangen, wenn auch nie. Die Verbindung zu deinem Little Guru ist unaufkündbar und für immer.
Zum Buch: Mit dem Atem geht’s gleich im ersten Kapitel los. Dein Leib- und Magenthema?
Zumindest ist es das erste was wir lernen, ohne Hilfe von außen, wenn wir in diese Welt inkarnieren. Ohne Atem kein Leben. Wir beginnen das Leben mit einem Atemzug und wir beenden es mit einem, dem letzten Atemzug. Wenn wir uns das immer mal wieder bewusst machen, verändern wir schon sehr viel. Es sind ja oft die Kleinigkeiten, die die größten Wirkungen zeigen.
Nochmal zum Little Guru: Wo finden wir ihn und was kann er für uns tun?
Ich würde die Frage gern umdrehen: Was kannst du für ihn tun? Denn was du für ihn tust, tust du für dich. Und das ist nur scheinbar das Gleiche. Davon abgesehen muss der Little Guru nicht bei jedem Menschen so heißen. Was sind schon Namen? Du kannst ihn auch Intuition nennen oder innere Stimme, höhere Weisheit, der Freund, der es am besten mit mir meint. Meine Kinder nenne ich übrigens auch gerne little Guru´s, vor allem, wenn sie es schaffen, mich aus der Ruhe zu bringen oder mich daran erinnern präesent im Jetzt zu sein und zu mir und meinen Worten zu stehen. Ach ja, und wo wir ihn finden, den Little Guru: Jeder findet ihn. Ich kann dir jetzt keinen Platz sagen wie: Dritte Rippe, zwei Zentimeter diagonal zum Meridian XYZ. Schnauf mal. Atme bewusst. Geh in dich. Dann spürst du, wo dein Little Guru wohnt.
Dein Alltag ist von mehreren „Little Gurus“ bestimmt. Was bedeuten dir innere und äußere bzw. ganz reale Kinder?
Kinder sind für mich der Spiegel meiner selbst oder eben auch der Spiegel unserer Gesellschaft. Ich selbst allerdings bin noch immer gern auch ein Kind, wenn es um die Neugier auf das Leben, die Spontanität und das Infragestellen von Grenzen geht. Und natürlich spiel ich gern und lasse von meinen Kindern inspirieren – wie unkompliziert und praktisch sie sind, wie zentriert, loyal und vollkommen im Jetzt – einfach wunderbar!
„Eine Methode ist nur gut, wenn sie sich in Krisen bewährt“: Du schreibst sehr offen und berührend über deine Lebensgeschichte(n), gerade über Verluste. Wie konnte dir Yoga hier helfen?
Meine Frau Diana und ich haben unsere Tochter Zara bei der Geburt … verloren, nein eben nicht verloren. Yoga hat uns durch diese Zeit getragen und die Gewissheit in uns gestärkt, dass wir für immer mit ihr verbunden sind. Es war ein bisschen wie die praktische Prüfung nach all der Theorie. Hilft dir Yoga wirklich in deinem Alltag? Kann Yoga dich durch Krisen führen? Bietet dir Yoga Antworten auf die entscheidenden Lebensfragen: Ja, ja, ja! Davon erzähle ich in meinem Buch. Öfter hilft mir Yoga heute allerdings – zum Glück – bei kleineren Alltagsnervereien. Zum Beispiel, wenn dir die Räumlichkeiten am See, die du für dein Yogafestival gemietet hast, zu dem sich schon Hunderte von Leuten angesagt haben, zwei Wochen vor Beginn gekündigt werden. Und dann? Hilft: atmen und Yoga. Es ist dann übrigens ein sehr schönes Festival geworden, und ich bin überzeugt davon: Weil ich vertraut habe, dass sich alles im Guten fügen wird.
„Feiere das Leben, immer und überall“ – gerne auch mal exzessiv ;)?
Die Bedeutung von exzessiv hat sich in meinem Leben gewandelt. Exzessiv bedeutet ausgelassen, unbändig, wild – die Kraft, diese Energie zu nutzen, tief in unser Inneres einzutauchen, diese exzessiven Seiten in uns zu erkennen, zuzulassen, zu leben – und das, obwohl in unserer gesellschaft Gesellschaft gerne alles in Bahnen gelenkt und kontrolliert werden will. Wer auf dem letzten Namsté Festival war, hat gesehen, dass wir nicht nur Mantren singen und im Kreis sitzend OM chanten.
Du bist Deutschlands bekanntester SUP-Yogi und hast mit zum Trend beigetragen. Dieser Trend hat sich mittlerweile fest auf den Gewässern etabliert. Was trägt zu seiner Langlebigkeit bei?
Einer der größten Meister aller Zeiten … die Natur! Es ist ein Erlebnis, in Verbindung mit der Natur und ganz besonders in die Verbindung mit dem Element Wasser einzutauchen. Ich kann es nur jedem ans herzen Herz legen, sich für die Kraft der Natur zu öffnen und SUP Yoga auszuprobieren, sowohl in einer gemeinsamen Stunde als auch allein, im Einklang mit den Elementen dieser Erde.
Deine Wurzeln liegen jedoch im klassischen Raja Yoga. Wo liegt für dich der Spagat zwischen Tradition und Moderne? Ist es überhaupt ein Spagat?
Das faszinierende Faszinierende an Yoga ist ja genau, dass es eine uralte Tradition ist, die heute nach wie vor aktuell und anwendbar ist. Wenn ich ans SUP Yoga denke, haben am Anfang auch sehr viele gesagt, was ist dass denn jetzt wieder für ein modernes Zeug … braucht es das denn … und mittlerweile gibt es fast keinen See mehr, an dem nicht auf dem Wasser geyogt wird. Wie der Spagat für mich aussieht, davon kann sich jeder gerne ein Bild bei einer SUP Yoga Stunde bei mir machen.
Als Mann trägst du den spirituellen Namen „Shakti“. Wie kam es hierzu?
Nach meiner Ausbildung habe ich um einen Namen gebeten, um einen neuen Lebensabschnitt einzuleiten und dem mehr Kraft zu verleihen. Anfangs war ich zugegebenermaßen etwas irritiert, doch jetzt stehe ich dazu und erkenne die Absicht dahinter. Der Name verhilft mir dazu, mir meiner Kraft und Herkunft bewusst zu sein, und auch meine weibliche Seite zu leben.
Am Mittwoch, den 7. September, 19:00 Uhr findet auf LitLounge.tv ein Webinar mit Percy statt, zum Thema: ‘Wie Sie den Yoga-Spirit in den Alltag holen können.’
Mehr zum Event auf Facebook: https://www.facebook.com/events/1747206892219737/
oder direkt auf LitLounge.tv: https://www.litlounge.tv/online-event/yoga-unlimited
Fotos: (c) Stefan Eisend