Alles im grünen Bereich

Klar können Sie Basilikum & Co auch im Supermarkt kaufen. Aber nichts bringt so viel Geschmack und Frische in die Küche wie selbst angebaute Kräuter! Das Beste: Es ist nicht schwer, ein guter Kräutergärtner zu werden.

Als ich 13 Jahre alt war, kam ich eines Nachmittags heim und bemerkte, dass der Wacholderbusch vor unserem Küchenfenster verschwunden war. An seiner Stelle stand ein großer Blumenkübel und davor meine Eltern, die gerade beratschlagten, wie man auf dem lehmigen Boden wohl am besten einen Kräutergarten anpflanzen könnte. Damals verstand ich nicht, warum sie sich partout den Stress antun wollten, extra ein Beet für frische Kräuter anzulegen – immerhin zogen wir damals schon erfolgreich unser eigenes Gemüse im Garten. Aber im Laufe der nächsten vier Jahre erzog mich meine Mutter zusehends zu einem wahrhaften Kräuterfan, indem sie mich beinahe täglich raus in den Garten schickte, um frische Kräuter holen – sei es für Pasta Primavera oder gegrillte Kartoffeln. Das ganze Jahr über lernte ich, wie frische Kräuter eigentlich simple Gerichte bereichern können: Im Frühjahr rupfte ich Kapuzinerkresse, um Salate aufzupeppen; im Sommer pflückte ich Thymian für Tomatentörtchen; im Sommer schnippelte ich Salbei für Butternuss-Risotto; und im Winter schnitt ich Rosmarin für Gemüseeintöpfe.

Mehr Geschmack, mehr Vitamine

Manche Leute sind der Ansicht, frische Kräuter wären nur was für die gehobene Küche, ein zusätzlicher, zeitaufwändiger Arbeitsschritt; vielleicht denken sie, alltägliche Hausmannskost mit frischen Kräutern aufzuwerten, sei nur Sterneköchen vorbehalten. Für mich jedoch stellen frische Kräuter, vor allem die, die ich selbst angebaut habe, die simpelste Methode dar, einem Gericht Geschmack und Charakter und zu verleihen. Und sie sind dabei mehr als Staffage: Die meisten Gartenkräuter enthalten wertvolle Vitamine in hoher Konzentration. Wenn Sie das nächste Mal Pesto selber machen, fügen Sie der Mischung aus Basilikum, Olivenöl und Pinienkernen einfach eine Tasse frische Petersilie hinzu – das entspricht in etwa dem Vitamin-C-Gehalt einer ganzen Orange, dem Eisengehalt von vier Tassen rohem Spinat und dem Vitamin-A-Gehalt einer Tasse frisch geschnittener roter Paprika. Aufgrund ihres natürlich niedrigen Natriumgehalts bei gleichzeitig hoher Würzkraft, können frische Kräuter auch dazu beitragen, die eigene Küche geschmacksintensiv zu gestalten, ohne auf Unmengen von Salz zurückgreifen zu müssen. Kartoffelpüree mit frisch gehacktem Schnittlauch schmeckt beispielsweise auch mit wenig Salz richtig lecker.
Heute pflanze ich in meinem kleinen Garten stets eine Vielfalt von Kräutern, unter anderem Basilikum, Dill, Rosmarin, Thymian, Kresse, Petersilie und Salbei. Wie ich meine Kräuter verwende, kommt ganz darauf an, was mir gerade einfällt, wenn ich beim Gemüseschneiden oder Nudelkochen aus dem Küchenfenster auf mein kleines Beet schaue. Eine Beobachtung, die ich in meinem eigenen Kräutergarten machen konnte: Pflanzen, die zur selben Zeit reif sind, passen erstaunlich oft geschmacklich gut zueinander – Tomaten und Basilikum beispielsweise oder Steinobst und Anis-Ysop.

Grüne Zauberkräfte

Auch wenn wir beim Thema „Kräuter“ mittlerweile sofort ans Kochen denken, haben Kräuter traditionell auch eine andere Funktion. „In der menschlichen Geschichte hatten Kräuter auch immer etwas Magisches“, erklärt Michael Castleman, Autor des Buches „The New Healing Herbs“. „In unserer modernen Welt haben Kräuter vor allem eine kulinarische Bedeutung und finden nur noch in der Küche statt. Aber in früheren Zeiten hatten sie eine viel weiterreichende Bedeutung.“ Jahrtausende lang wurden etwa Rosmarin, Lorbeer oder Dill als Parfüm, Konservierungsstoff oder als Bestandteil religiöser Rituale und Zeremonien genutzt. Die aromatischen Pflanzen schätzte man nicht nur wegen ihres Geschmacks und ihrer Bedeutung in der Ernährung, sondern auch für ihre anti-mikrobiellen und medizinischen Eigenschaften. „Unsere Vorfahren betrachteten Kräuter in etwa so wie wir heute ein iPhone: kleine, vielseitige Dinger, mit denen man alles Mögliche anstellen kann“, so Castleman. „Man hat sie so mannigfaltig eingesetzt, dass sie oft als Geschenk der Götter betrachtet wurden.“ Verantwortlich für all die Kräfte der Kräuter sind die darin enthaltenen ätherischen Öle, flüchtige Verbindungen, die nicht nur für Geschmack und Aroma der Pflanzen verantwortlich sind, sondern auch für deren medizinische Wirkung. Indem man die Kräuter kocht, trocknet oder einfriert, verlieren sie die Kraft dieser ätherischen Öle, weswegen man nach Möglichkeit auf frische (und auch frisch geschnittene) Kräuter zurückgreifen sollte.

Eine fast heilige Beziehung

Auch wenn Sie keinen Platz für einen richtigen Kräutergarten haben, müssen sie dennoch nicht auf frische Kräuter verzichten: Jeder kann sich in der eigenen Wohnung eine kleine Kräuteroase einrichten. Und auch draußen beim Spazierengehen kann man Kräuter finden – vorausgesetzt, man weiß, wo man zu suchen hat. Beobachten Sie, was in der Natur geschieht, und versuchen Sie, sich mit ihr in Einklang zu bringen! So kann das Anpflanzen und Ernten von Kräutern sogar zu einer Praxis der Aufmerksamkeit werden. Ich pflege eine fast heilige Beziehung zu Kräutern, die ich selbst angebaut und gehegt habe. Der Majoran-Busch, der letztes Jahr noch ein kleiner Setzling war, inspiriert mich zu einem neuen Lieblingsgericht für den Sommer: Risotto mit frischen Erbsen, Majoran und Käse. Wenn ich mich beeile, kann ich schnell rausflitzen und ein bisschen Majoran abschneiden, während der Reis drinnen köchelt, bis er die richtige Konsistenz hat. Das Risotto ruht, während ich den Majoran grob hacke, um ihn dann unterzurühren. Zum Essen setze ich mich auf meine Veranda und schmecke den süßen Majoran, der ein paar Minuten zuvor noch in meinem Garten stand. Das ist der Geschmack, der meine Mahlzeit zu etwas Besonderem macht.

Tipps für Kräutergärtner

Das Tolle an Kräutern ist: Man braucht für sie keinen riesigen Garten. Im Gegenteil: man kann ihn auf ganz wenig Raum einrichten (im Notfall genügt sogar eine Fensterbank!), die meisten Kräuter können ohne Probleme zusammen an einem Platz angebaut werden, da sie unter denselben Bedingungen gedeihen.
Kräuter aus dem Mittelmeerraum (z.B. Thymian oder Oregano) fühlen sich in der prallen Sonne wohl. Die meisten anderen (z.B. Dill, Bärlauch oder Kresse) sind mit einem sonnigen bis halbschattigen Standort zufrieden. Ausnahmen: Waldmeister und Bärlauch gedeihen auch an Schattenplätzen.
Manche Kräuter – z.B. Salbei, Rosmarin oder Lavendel – gedeihen in trockener Erde. Für alle anderen ist es besser, sie regelmäßig zu gießen und darauf zu achten, dass die Erde nicht völlig austrocknet.
Wichtig: Schneiden Sie die Kräuter erst direkt vor ihrer Verarbeitung. Denn je länger sie vor dem Kochen liegen, desto mehr ätherische Öle und somit Geschmack verlieren sie.
Verwenden Sie Kräuter am bestean grob gehackt. So entfalten sie ihre Wirkung in einem Gericht am besten.

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