Den Handstand ohne Wand zu üben, ist der beste Weg, sagt Andrea Ferretti. Wie das geht und welche Vorübungen in den Handstand helfen, erklärt Alexandria Crow.
Sie hat anhand ihrer Turn- und Yogaerfahrung exklusiv für das YOGA JOURNAL eine Übungssequenz entwickelt, die Körper und Geist die korrekte vertikale Ausrichtung vermittelt. Gleichzeitig stärkt sie gezielt jene Körperbereiche, die unerlässlich sind um den freien Handstand zu lernen. Ganz wichtig dabei: viel üben!
Umkehrhaltungen sind fordernd und auch ein bisschen beängstigend. Anhand der folgenden Sequenz kannst du mit der Zeit den freien Handstand (Adho Mukha Vrikshasana) lernen. Und das ganz ohne Wand, mitten im Raum. Wichtig dabei: Übe eine Zeit lang mit einem Partner, der dir sagt, ob Knöchel, Hüften und Hände senkrecht übereinander ausgerichtet sind. Denn häufig bewirken solche Ausrichtungsfehler, dass du vornüber kippst. Diese verbale Korrektur reicht in den meisten Fällen aus, Hilfestellungen solltest du lieber einem erfahrenen Yogalehrer überlassen. Um sicherzugehen, dass deine Kraft für die Handstandpraxis ausreicht, solltest du Chaturanga Dandasana (viergliedrige Stabstellung) oder Adho Mukha Shvanasana (nach unten schauender Hund) etwa 5 Minuten lang halten können.
Vorbereitung für den Handstand
Aus Balasana (Kindeshaltung) mit nach vorn ausgestreckten Armen hebst du die Ellenbogen, drückst die Handflächen gegen die Matte und aktivierst die Arme etwa 10 Atemzüge lang. Dann hebst du das Becken und hältst 10 Atemzüge lang Adho Mukha Shvanasana (nach unten schauender Hund). Wandere des Weiteren mit den Füßen Richtung Kopf und bleibe 10 Atemzüge lang in Uttanasana (Vorwärtsbeuge aus dem Stand) mit gebeugten Knien. Dabei umfasst du die Ellenbogen mit den Händen. Zum Aufrichten legst du die Hände an die Hüften und hebst den Rumpf mit einer Einatmung. Anschließend übst du drei Mal den Sonnengruß.
> Hinweis
Ausrichtung und Präzision funktionieren am besten, wenn man noch fit und nicht schon erschöpft ist. Der Kraftaufbau hingegen erfolgt gerade am Rande der Erschöpfung. Daher sollten Sie sich in dieser Sequenz achtsam zwischen diesen Punkten bewegen.
1. Stehendes L
Stell dich mit etwa einer Beinlänge Abstand vor eine Wand und richte Tadasana (Berghaltung) ein. Hebe das rechte Bein hüfthoch und streck es gerade aus, sodass der rechte Fuß in einer Linie mit der rechten Hüfte flach an der Wand aufsetzt. Das Bein steht jetzt waagerecht, die Zehen zeigen senkrecht nach oben. Vergewissere dich, dass das Standbein direkt unter der linken Hüfte ausgerichtet ist. Zwischen den beiden Oberschenkelknochen sollte ein rechter Winkel entstehen. Strecke die Arme neben den Ohren und schulterbreit nach oben aus. Dann drehst du die Handflächen so zur Decke, als ob du im Handstand stündest. Verinnerliche diese Ausrichtung möglichst genau, sie bildet das Grundmuster für die folgenden drei Übungen. Nach 5 Atemzügen wiederholst du das Ganze mit dem linken Bein.
> Tipp: Manchmal muss man ein bisschen rumprobieren, bis man den richtigen Abstand zur Wand gefunden hat: Fuß und Hüfte des gehobenen Beins sollten auf einer Höhe (also waagerecht) stehen, Fuß und Hüfte des Standbeins sind senkrecht übereinander ausgerichtet.
2. Halben Handstand lernen
A ) Beide Füße an der Wand
Stelle dich mit dem Rücken an die Wand und setze deine Fingerspitzen dort am Boden auf, wo im stehenden L der hinterste Punkt deiner Fersen stand. Hebe das Becken zu einem etwas enger gestellten nach unten schauenden Hund. Wander mit einem Fuß nach dem anderen an der Wand nach oben, bis sich beide Füße auf Hüfthöhe befinden und dein Körper ein auf dem Kopf stehendes L bildet. Setze anschließend die Füße dicht nebeneinander und strecke die Beine aktiv, dabei zeigen die Kniescheiben zum Boden. Schiebe währenddessen die Hände mit ihrer gesamten Fläche gegen den Boden und drehe die Armaußenseiten zur Wand hin. Die Sitzbeinknochen streben zur Decke. Nach 10 Atemzügen löst du dich aus der Haltung und entspannst Arme und Schultern in Uttanasana (Vorwärtsbeuge aus dem Stand) mit gebeugten Knien.
B ) Ein Bein nach oben ausgestreckt:
Richte den halben Handstand wieder wie oben beschrieben ein. Dann streckst du das linke Bein zur Decke. Dabei führt die Innenseite des linken Oberschenkels die Bewegung an, um das Becken in seiner geraden Ausrichtung zu halten. Wenn du das Gefühl hast, dass sich die gesamte linke Seite vom Hand- bis zum Fußgelenk in einer geraden Linie befindet, halte inne. Strebe mit dem linken Fußballen zur Decke. Nach
5 Atemzügen setzt du das linke Bein wieder ab und hebst das rechte. Anschließend entspannst du erneut in Uttanasana.
> Tipp: Mach dir in der Haltung mit dem nach oben gestreckten Bein bewusst, wie sich deine Schultern im Verhältnis zu den Händen anfühlen. So entwickelst du ein Bewusstsein dafür, wie sich die senkrechte Ausrichtung anfühlt.
3. Halben Handstand lernen mit einem Zeh an der Wand
Setze jetzt die Hände etwas weiter von der Wand weg auf und richtest dich erneut im halben Handstand ein, bei dem das linke Bein zur Decke ausgestreckt ist. Schiebe dich nun mit dem rechten Fußballen so weit von der Wand weg, bis nur noch dein großer Zeh die Wand berührt. Nach 5 Atemzügen senkst du das Bein wieder und wiederholst das Ganze mit dem rechten Bein in der Luft.
>> Tipp: Aktiviere die unteren Bauchmuskeln. So lässt sich die Balance besser halten.
4. Dreibeiniger Hund
Aus Adho Mukha Shvanasana (herabschauender Hund) hebst du dein rechtes Bein etwa hüfthoch. Dabei führst du die Bewegung mit der Innenseite des Oberschenkels und hältst die beiden Beckenknochen parallel zum Boden. Wenn möglich, hebst du das Bein weiter, bis es mit dem Arm eine Linie bildet. Auch diese Stellung gibt dir ein gutes Gefühl für die korrekte Ausrichtung von Schultern, Rumpf und Beinen im Handstand. Nach 5 Atemzügen senkst du das Bein wieder und wiederholst die Übung mit links.
> Tipp: Vermeide es, das gehobene Beine nach außen zu rotieren und halte das Becken gerade ausgerichtet. Nur so kannst du im Handstand das Gleichgewicht halten.
> Vorbereitung: Aus Balasana (Kindeshaltung) mit nach vorn ausgestreckten Armen hebst du die Ellenbogen, drückst die Handflächen gegen die Matte und aktivierst die Arme etwa 10 Atemzüge lang. Dann hebst du das Becken und hältst 10 Atemzüge lang Adho Mukha Shvanasana (nach unten schauender Hund). Wandere danach mit den Füßen Richtung Kopf und bleibe 10 Atemzüge lang in Uttanasana (Vorwärtsbeuge aus dem Stand) mit gebeugten Knien. Dabei umfasst du die Ellenbogen mit den Händen. Zum Aufrichten legst du dann die Hände an die Hüften und hebst den Rumpf mit einer Einatmung. Anschließend übst du drei Mal den Sonnengruß.
5. Beinheben aus der Bretthaltung
Aus dem nach unten schauenden Hund richtest du zuerst die Bretthaltung ein. Prüfe, ob deine Handgelenke sich wirklich direkt unter den Schultergelenken befinden. Fersen und Steißbein sind dafür nach hinten geschoben, Schambein und Brustbein nach vorn. Halte das Brett aus der starken Mitte stabil, wenn du nun den rechten Fuß etwa 10 Zentimeter vom Boden abhebst. Der innere Oberschenkel führt die Bewegung an, der Fußballen strebt weg vom Kopf. Die rechte Körperhälfte befindet sich jetzt vom Rumpf bis zum Fuß in derselben Position wie im Handstand. Nach 5 Atemzügen schiebst du das Becken nach hinten und kehrst zurück in den dreibeinigen Hund, bevor du den Fuß wieder absetzt. Aus dem nach unten schauenden Hund nimmst du wieder die Bretthaltung ein und wiederholst die Übung mit dem linken Bein.
> Tipp: Nutze diese Stellung, um Kraft in den Armen aufzubauen und die Schulterausrichtung bewusst wahrzunehmen.
6. Handstand-Hüpfer
Vorbereitung: Komm in den nach unten schauenden Hund und verringere den Abstand zwischen Händen und Füßen auf etwa ein Drittel der normalen Weite. Schiebe währenddessen deine Schultern leicht nach vorn, sodass du dich etwa 5 Zentimeter vor den Handgelenken befindest. Das richtet den Oberkörper korrekt aus, wenn du dich vom Boden abstößt. Hebe dein bevorzugtes Bein so hoch wie möglich, dabei führt der innere Oberschenkel die Bewegung an, um das Becken in seiner geraden Ausrichtung zu halten.
Sich vom Boden wegdrücken: Beuge das Standbein und drück dich mit dem Fußballen vom Boden ab. Das gebeugte Bein fungiert als Feder, die dir hilft, beide Beine über den Kopf zu heben. Dein Ziel ist es nun, das Becken über die Schultern zu bringen und das gehobene Bein annähernd senkrecht nach oben auszustrecken. Dafür hältst du das Sprungbein gebeugt und nah am Bauch. Wiederhole das Ganze mindestens 5 Mal.
> Tipp: Auch wenn es schwer fällt – hole auf keinen Fall mit dem gestreckten Standbein Schwung!
7. Handstand lernen
Mit der Zeit und genügend Übung wirst du dich mit einem ausgestreckten und einem gebeugten Bein in die Schwebe heben können. Sobald das klappt, versuche, das gebeugte Knie langsam zu strecken und den Fußballen Richtung Decke zu schieben. Lass dir dafür Zeit und gehe ganz behutsam vor – das gebeugte Bein bildet ein stabilisierendes Gegengewicht, es verhindert, dass du über die Senkrechte hinaus kippst. Mit wachsender Muskelkraft wirst du dich immer weniger vom Boden abstoßen müssen, um die Beine zu heben.
> Tipp: Verlagere das Gewicht sachte zwischen Handballen und Fingern, um die perfekte Balance zu finden. So hast auch du es geschafft, den Handstand zu lernen. Du hast jetzt gelernt, auf den Händen zu stehen.
Fotos: Allen Birnbach; Model: Alexandria Crow // Titelbild: Cottonbro via Pexels