Das Magazin // Juli + August 2011

Viel Glück

 

„Drei Worte genügen“, -behauptete Christopher Peterson, einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Glücksforschung, als man ihn fragte, ob er in zwanzig Zeilen die Erkenntnisse seiner Arbeit zusammenfassen könnte. Sein Fazit: „Andere Menschen zählen.“

Sehen Yogis das genauso? Interessanterweise spielen in jedem der Beiträge zu unserem großen Titelthema „Was macht glücklich?“ andere Menschen eine Rolle. So stellt gleich auf den ersten Seiten der yogabegeisterte Philosophieprofessor und Jesuit Dr. Michael Bordt fest, dass soziale Beziehungen eine der wichtigsten Zutaten für ein gelungenes Leben sind (Seite 24). Die Grande Dame des deutschen Yoga, Anna Trökes, spricht darüber, wie man dank Yoga gelassener auf seine Umwelt reagieren kann (Seite 28). Bei Marsha Wenig, der Yoga-Kids-Gründerin, tragen vor allem die kleinen Menschen zum Lebensglück bei (Seite 30). Und Jivamukti-Ikone Patrick Broome erhielt just an jenem Tag, an dem sein Sohn zur Welt kam, die Diagnose: Krebs. Wie er damit umgegangen ist und ob eine Krankheit ein Hindernis für ein erfülltes Leben sein muss, lesen Sie auf Seite 32.

Dass man mit Yoga andere glücklich machen kann, ist der Leitgedanke in unserem bewegenden Bericht über das Earthchild Project in südafrikanischen Townships (Seite 66). Yoga wird hier zum Vehikel für Vertrauen, Liebe und Respekt in einer schier ausweglosen Situation.

Außerdem wartet in der Ausgabe Juli + August 2011 eine ganz besondere Geschichte auf Sie: Autor Christian Pähler hat für uns den Dalai Lama besucht und interviewt. Für diesen sind Meinungsfreiheit und freie, demokratische  Wahlen entscheidend für eine glückliche Gesellschaft (mehr dazu ab Seite 38).

Unsere Übungsstrecken sollen Ihnen helfen, auch an heißen Tagen voller Leichtigkeit und Freude Yoga praktizieren zu können, zum Beispiel mit der fließenden Sequenz für zuhause oder am Strand ab Seite 97.

 

Einen wunderschönen Sommer

wünscht Ihnen das YOGA JOURNAL–Team

Titelthema Glück – Dorka Gryllus über künstlerische Freiheit

Die Schauspielerin Dorka Gryllus (“Soul Kitchen”, “Schicksalsjahre”) wuchs in Budapest, Ungarn, auf. Dort besuchte sie die Schauspielschule und arbeitete als Film- und Theaterschauspielerin. Ende der 90er Jahre entschied sie sich aus beruflichen und persönlichen Gründen nach Deutschland zu ziehen, wo sie bereits einen Film gedreht hatte. Welche Rolle Freiheit und Heimat für das Lebensglück der 38-jährigen spielen, erzählt sie hier…

“In der Kunst ist Freiheit das Allerwichtigste. Ich wurde in Ungarn geboren – ein Land, wo man zu Zeiten des Kommunismus nicht immer sagen durfte, was man denkt. Für einen Künstler ist es schrecklich, wenn seine Möglichkeiten beschränkt sind. Meine Mutter ist Regisseurin. Sie macht bis heute jeden Morgen eine halbe Stunde Yoga – zum einen, weil es ihrem Rücken gut tut und ihre chronischen Schmerzen dadurch komplett verschwunden sind. Zum anderen half und hilft Yoga ihr aber auch, sich eine innere Freiheit und Unabhängigkeit zu bewahren. Auch ich praktiziere Yoga seit ich acht Jahre alt bin. Nicht regelmäßig – in meinem Leben gibt es eigentlich keine Regelmäßigkeiten, denn ich bin viel mit meiner Band rotfront unterwegs oder drehe -, aber es tut mir und meiner Seele einfach gut.

Es gibt auch heute noch einige Dinge in Ungarn, mit denen ich nicht einverstanden bin. Heute hat man allerdings – im Gegensatz zu früher – die Freiheit, dagegen zu protestieren. Ungarn ist ein kleines Land und man hat vor allem in der Filmbranche dort nicht so viele Möglichkeiten. Das liegt daran, dass die Sprache nicht so verbreitet ist wie etwa die deutsche. Es werden zwar tolle Sachen produziert, aber eben nicht besonders viel. Vor ein paar Jahren hatte ich eine schwierige Zeit. Da ich schon einen Film in Deutschland gedreht und deutsch gelernt hatte, ging ich nach Berlin. Inzwischen liebe ich die Stadt. Dort leben Menschen aus allen Ecken der Welt. Es ist eine freundliche, freie Stadt, die sehr offen ist für andere Kulturen. Trotzdem bleibt Ungarn immer meine Heimat. Ich fahre oft dorthin, auch weil meine Familie dort lebt. Wenn dort etwas schief geht, berührt mich das viel mehr, als wenn in Deutschland etwas schief geht. Eine Mutter kann man sich nicht aussuchen, eine Frau schon. Ungarn ist meine Mutter, Deutschland meine Frau. Ich habe in Berlin meine Freiheit und kann meine Kunst ausleben. Das macht mich glücklich.”

(Protokoll: Simone Schreyer, Foto: Anita Pocsik)

Worauf müssen Veganer achten?

Vegan? Das ist doch ungesund! So lautet ein gängiges Vorurteil. Ob eine tierleidfreie Ernährung wirklich jedem zu empfehlen ist, auch Schwangeren und Kindern, lesen Sie hier.

Der Entschluss, tierische Produkte zu vermeiden, hat verschiedene Motive. Meist sind sie ethischer Natur. Tierrechte, Umweltschutz und Kampf gegen Hunger sind vermutlich die häufigsten. Wer sich mit den Grausamkeiten der Tierindustrie auseinandergesetzt hat, dem wird es nicht nur schwerfallen, bedenkenlos Fleisch zu konsumieren, sondern auch Milch, Milchprodukte und Eier. Aber ist diese Lebensweise auch gesund?

Schadet eine vegane Lebensweise der Gesundheit?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt in ihren Beratungs-Standards von 2009, dass Mangelerscheinungen vermieden werden können, wenn ein Veganer über „ein gutes, umfangreiches Ernährungswissen“ verfügt. Die schwangere Alicia Silverstone jedoch würde von der DGE eindringlich gewarnt werden: „Bei voll gestillten Säuglingen und Kleinkindern vegan ernährter Mütter konnten in Einzelfällen schwere neurologischen Störungen und Störungen der Blutbildung festgestellt werden.“ Da die Nährstoffversorgung bei manchen Bevölkerungsgruppen unzureichend sein könnte, rät die DGE Schwangeren, Stillenden und Kindern aus Vorsorgegründen generell von einer veganen Kost ab.

Anders sieht das die Tierrechtsorganisation PETA, die mächtig die Werbetrommel für die rein pflanzliche Kost rüht. Für Jedermann, egal ob alt oder jung, schwanger oder krank. Veganismus als gesundheitliches Risiko zu sehen – solche Einschätzungen könnten nur Ärzte abgeben, die schlecht informiert sind. Dagegen spricht Dr. med. Ernst W. Henrich in seiner ärztlichen Analyse und Bewertung im Namen von PETA von „der gesündesten Ernährung“ und bringt zahlreiche Studien und Aussagen von Wissenschaftlern als Belege dafür. Veganismus senke das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und an Krebs zu sterben und mindere das Risiko für Diabetes und Übergewicht, kann man in seinem Informationspapier lesen. Eine Meinung, die von vielen Experten geteilt wird. So kommt die Deutsche Vegan Studie 2005 zu dem Schluss: Mit einer veganen Ernährung ist ein Lebensstil verbunden, der als gesundheitsfördernd angesehen werden kann. Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Claus Leitzmann, der damals die Studie miinitierte, sagte in einem Interview: „Richtig praktiziert ist eine gesunde vegane Ernährung in jeder Altersphase möglich.“ Doch nicht uneingeschränkt. Denn ein weiteres Studienergebnis lautet: Eine erhöhte Zufuhr von Kalzium, Eisen, Jod, Vitamin B12 und alpha-Linolensäure ist anzustreben.

Text: Silvia Schaub

Wer sich überlegt, auf eine vegane Ernährung umzustellen, kann sich www.peta.de die Broschüre „Einfach vegan! Starter Kit“ runterladen oder bestellen.

Zupacken ohne Rückenschmerzen

Im Frühjahr fallen traditionell eine Menge Aufgaben in Haus und Garten an. Hier müssen Fenster geputzt, dort Unkraut gejätet werden. Diese Asanas wirken ausgleichend.

Haben Sie einen Garten oder Balkon, den Sie liebevoll pflegen? Dann kennen Sie das bestimmt: Arbeit in der Natur mit Erde und Pflanzen macht zwar Freude – aber was, wenn Rückenschmerzen, verspannte Schultern und steife Hüften einen dazu zwingen, Däumchen zu drehen statt den grünen Daumen zu schwingen?

Damit es dazu gar nicht kommt, empfiehlt die Yoga-Lehrerin Veronica d’Orazio in ihrem bislang nur auf Englisch erschienenen Buch „Gardener’s Yoga“ (Sasquatch Books, ca. 16 Euro) drei verschiedene Übungsreihen: Die erste Yoga-Session wärmt den Körper vor der Gartenarbeit sanft auf und bringt Beweglichkeit genau dorthin, wo sie am nötigsten ist – in Hüften, Leisten, Schultern und unteren Rücken. Die Yoga-Pause zwischendurch lockert die Wirbelsäule mit einigen einfachen Stehhaltungen. Und wenn Schaufel und Gießkanne nach getaner Arbeit schließlich weggelegt werden, rät d’Orazio zu einer Verwöhnsequenz im Liegen. Dabei werden die Spuren der Anstrengung mit Hilfe der Schwerkraft weggezaubert, die Gärtnerin verbindet sich mit ihrem Atem und sich selbst und ist danach bestens eingestimmt für eine Meditation im Freien – und den Rest des Tages.

YOGA JOURNAL-TIPP:

Diese Übungssequenzen eignen sich nicht nur hervorragend für Hobbygärtner, sondern auch für eifrige Heimwerker und für alle, die große Putztage im Haus planen. Jeder, der körperlich anstrengende Arbeiten durchführt, wird von diesen kleinen Yoga-Einheiten profitieren. Probieren Sie es aus!

Teil I: Aufwärm-Übungen

Suchen Sie sich einen schönen Platz auf dem Rasen, der Terrasse oder im Haus, wo Sie den Rücken mit sanften Yoga-Übungen aufwärmen beweglich machen können. Achten Sie dabei auf Ihren Atem. „Der Atem ist wie ein Fluss, dem man folgen kann, um den Körper zu öffnen und die Gedanken zu bündeln“, sagt die Buch-Autorin Veronica d’Orazio. „So lassen Sie schon etwas wachsen, bevor sie überhaupt mit der Arbeit beginnen: Achtsamkeit.“

Apanasana (Knie-an-die-Brust-Haltung)

Diese Übung dehnt sanft den unteren Rücken und die Hüften. Zugleich werden die Muskeln rund um die Knie aufgewärmt – eine gute Vorbereitung auf Arbeiten in der Hocke. Legen Sie sich auf den Rücken und ziehen Sie die Beine an, die Hände sind über den Knien verschränkt. Atmen Sie ganz natürlich und lassen Sie dabei Hüften und Schultern zu Boden sinken. Achten Sie darauf, dass Nacken, Kreuzbein und Wirbelsäule möglichst flach auf dem Untergrund ableigen. So wird der Rücken für 7 bis 10 tiefe Atemzüge auf seiner gesamten Länge gedehnt.

Katze-Kuh

Katze-Kuh mobilisiert die Wirbelsäule in ihrer natürlichen Rundung und regt die Flüssigkeitsversorgung der Bandscheiben an. Das macht den Rücken beweglich und geschmeidig. Sie beginnen im Vierfüßerstand, Hände unter den Schultern, Knie unter den Hüften. Ziehen Sie den Nabel sanft nach innen und strecken Sie den Rücken vom Scheitel bis zum Steißbein in die Länge. Beim nächsten Einatmen schieben Sie das Steißbein nach oben, lassen den Bauch nach unten sinken und heben den Kopf. Atmen Sie tief durch den gesamten Körper. Beim Ausatmen machen Sie den Rücken rund, ziehen den Nabel kräftig nach innen und lassen den Kopf sinken. Üben Sie in fließenden Bewegungen für 10 bis 12 Atemzüge.

Baddha Konasana (gebundene Winkelhaltung)

Um die Beininnenseiten und Hüften für die Garten- und Hausarbeit vorzubereiten, empfiehlt sich eine sanfte Hüftöffnung. Sitzen Sie aufrecht und legen Sie die Fußsohlen aneinander, die Knie fallen auseinander und ziehen nach unten. Wenn sich das für Ihre Knie äußerst unangenehm anfühlt, legen Sie auf jeder Seite ein Kissen oder eine gefaltete Decke unter. Hängen Sie die Zeigefinger an den großen Zehen ein und ziehen Sie die Brust sanft nach vorn über die Füße. Lassen Sie den Rücken möglichst gerade dabei und Ihren Brustkorb nach vorne geöffnet. Dies ist wichtiger, als sich tief nach unten zu beugen. Nehmen Sie sich 7 bis 10 Atemzüge Zeit. Mit jedem Einatmen strecken Sie den Rücken lang, mit jedem Ausatmen geben Sie ein bisschen nach und sinken tiefer in die Haltung hinein.

Text: Kate Vogt

Den ganzen Artikel lesen Sie in unserer Mai/Juni-Ausgabe 2011.

Das Glück der Erdung

Verbindung aufnehmen und sich tragen lassen: Yoga und Reiten können sich perfekt ergänzen.

Also gut, dann bin ich heute also einmal Leitstute. Ich muss authentisch handeln und mir durch klar vermittelte Entschlossenheit das Vertrauen eines Lebewesens verdienen, das etwa 600 Kilo schwerer ist als ich.

Was meinen bisherigen Kontakt mit Pferden betrifft, kann man durchaus von der klassischen Variante sprechen: Von etwa acht bis vierzehn Jahren bildeten sie ein Zentrum meines Lebens, mit allem was dazu gehört – von Hufeisen-Bettwäsche über Pferdeposter und Stall ausmisten gegen Reitstunden bis hin zur einschlägigen Mädchenliteratur („Bille und Zottel“). Zu dieser Schwärmerei gehörte – wie ich heute weiß – auch ein Missverständnis über das Reiten: Zu gern überließ ich damals dem Pferd die Initiative und vor allem die Richtung, in die es mich trug. Zu sehr widerstrebten mir die von konventionellen Reitlehrern geforderten Aktionen wie „Hilfengebung“ durch Peitsche, Sporen und insgesamt eher ruppigem Auftreten.

Einen komplett anderen Ansatz verfolgt die Münchner Yogalehrerin Selina Gullery. Die unter anderem von Shiva Rea und Twee Merrigan ausgebildete gebürtige Irin bietet gemeinsam mit der Reitlehrerin Jeannette Reichert im bayerischen Voralpenland Workshops zum Thema „Yoga und Pferde“ an. Mit romantischer Projektion auf das stärkere Tier oder auch der Auffassung vom Reiten als „Sport“ haben diese Coachings nichts zu tun, eher mit Ausgeglichenheit, Koordination, Konzentration, das Erspüren des eigenen Körpers und die volle Präsenz im Augenblick. Dadurch solle die natürliche Autorität gefördert werden, der das Gegenüber, also das Pferd, freiwillig und gern folgt. Klingt nach Yoga? Nicht zufällig. Also auf zum Workshop auf dem idyllischen Hofgut Schörghof nahe bei Weilheim.

„Das Pferd ist ein Herdentier, genau wie der Mensch“, erklärt Jeannette Reichert, die Zusatzausbildungen zur Rhetorik-Trainerin und zum Schauspiel-Coach vorweisen kann und in Bad Wörishofen ihre eigene Reitschule betreibt. Wie in jedem gruppendynamischen Prozess zähle hier die Rangordnung. Oberste „Führungskraft“ in der Pferdeherde sei die Leitstute, die „graue Eminenz, die sich das Vertrauen der anderen verdient und sich bewährt hat.“ Bevor sich der Mensch einem Pferd annähere, sei es interessant herauszufinden, welchen Platz das Tier in der Gruppe einnehme und sich dementsprechend zu ihm in Position zu bringen.

Um eine funktionierende Verbindung zum Pferd aufzubauen, ist es zusätzlich sinnvoll, auch die eigene Mitte zu finden. Beste Gelegenheit hierzu sei laut Reichert die Bodenarbeit, über die die entscheidende Kontaktaufnahme mit dem Pferd passiere. Deren Kern sei eine nachvollziehbare Autorität, mit der das Pferd geleitet werde. Durch konsequentes Verhalten werde das Tier motiviert, Vertrauen aufzubauen. „Doppeldeutigkeit und Ironie bringen hier nichts, und Unsicherheit verwirrt das Pferd geradezu“, erklärt Jeanette Reichert. Da Pferde Meister im Lesen von Körpersprache seien, müsse das innere Bild des Menschen dem äußeren entsprechen.

Von Christina Raftery

Den ganzen Artikel zu “Yoga und Reiten” können Sie in unserer Mai/Juni-Ausgabe lesen.

Das Magazin // Mai + Juni 2011

13_MAI-JUNI-2011Offen bleiben für Neues – mit der YOGA JOURNAL Ausgabe Mai + Juni 2011:

Zu den Fähigkeiten des Menschen gehört es, immer wieder Neues zu lernen und sich Dinge vorzustellen und auszumalen. Doch manchmal scheitern wir dabei schon an den einfachen Sachen. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, uns das Leid anderer Lebewesen vorzustellen, wenn wir sie für unsere Zwecke gebrauchen. Mit dem Begriff „Nutztiere“ degradieren wir Kühe oder Schafe, als seien sie weniger wert als eine Katze oder ein Kanarienvogel. In unseren Texten zur veganen Lebensweise gehen wir unter anderem der Frage nach, wo der tiefere Zusammenhang von Yoga und Ernährung liegt (ab Seite 22). Die Schauspielerin Alicia Silverstone erläutert ihre Beweggründe, auf tierische Produkte zu verzichten. Und ihre Rezepte beweisen, dass Veganer weder verhungern müssen noch nur langweiliges Grünzeug essen (Seite 28). Probieren Sie doch mal was anderes auf Ihrem Teller aus!

Yoga versucht, uns stets einen neuen Blick auf die Dinge zu vermitteln. Durch Üben können wir einen Punkt erreichen, der vorher noch unerreichbar schien, sagt T. K. V. Desikachar. Was uns an diesem Punkt genau erwartet, kann niemand vorhersagen. Nicht alles lässt sich im Voraus planen. Das Unbekannte macht vielen Menschen Angst. Andere finden es spannend und lassen sich darauf ein. So zum Beispiel eine vierköpfige Familie, die in Hamburg alle Zelte abbrach, um in Südfrankreich in der yogischen Gemeinschaft Le Martinet zu leben, ohne zu wissen, was auf sie zukommt (Seite 96).

Es lohnt sich, das Offensein für Neues immer wieder zu üben. Darum haben unsere Übungsstrecken in diesem Heft das Thema Herzöffner als Schwerpunkt, Asanas, die den Brustkorb weiten sollen, um mehr Platz für Herz und Atem zu schaffen (z. B. die Heuschrecke auf Seite 34). Vielleicht entsteht dabei ja auch etwas mehr Spielraum für jene bedingungslose Liebe, von welcher der buddhistische Autor Frank Jude Boccio in seinem Beitrag „Meditationen für mehr Mitgefühl“ auf Seite 38 spricht.

Also auf ein Neues: Viel Spaß beim Lesen!

Michi Kern und die YOGA JOURNAL-Redaktion

Nachgeben statt kämpfen

Eine Verletzung machte schließlich klar, dass Yoga nichts mit Meisterschaft zu tun hat.

Im Frühling 2009 verletzte ich mir meinen Nacken und es dauerte fast ein Jahr, bis alles wieder gut war. Ich liebe Joggen, Klettern und Schwimmen, um an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit zu kommen. Ich liebe es, mich richtig auszupowern und bin nach einem guten Workout erschöpft, aber glücklich. In der Genesungszeit musste ich feststellen, dass ich bisher mit dem gleichen Anspruch Yoga geübt hatte. Für mich waren die Asanas eine Art Wettkampf: Wie tief kannst du dich beugen? Wie lang kannst du halten? Wie weit kannst du dich drehen?

Ich verletzte mich tatsächlich mehrere Male, bevor ich meine Einstellung änderte. Während einer Stunde war ich einmal den Tränen nahe, als ich mich mit dem Kopfstand abmühte. Schließlich „gab ich auf“ und wählte eine modifizierte Variante an der Wand, meine Schultern ruhten auf zwei Stühlen. Zunächst fühlte ich mich niedergeschlagen, doch plötzlich spürte ich, wie glücklich mein Nacken war, wie sehr sich meine Trapeziusmuskeln weg von meinen Ohren entspannen konnten und wie wenig Anstrengung mich dieser Erfolg kostete.

B. K. S. Iyengar schreibt in seinem Buch „Der Urquell des Yoga: Die Yoga-Sutras des Patanjali“: „Ein Vogel kann nicht mit einem Flügel fliegen. Genau deshalb brauchen wir die zwei Flügel der Praxis und der Entsagung um uns zum Höhepunkt der Selbsterkenntnis aufzuschwingen.“ Ich hatte immer nur eine Sache bei meiner Praxis berücksichtigt: abhyasa, das beharrliche Üben, die Disziplin, die Mühe. Aber die Entsagung oder vairagya ist der wesentlichere Teil: nicht immer die Perfektion der Asana anstreben, sich nicht ständig mit den anderen Schülern vergleichen, sich nicht wegen körperlicher Unzulänglichkeiten selbst schlecht machen. Nun weiß ich, dass ich früher ein Vogel mit nur einem Flügel war. Auch heute noch ertappe ich mich manchmal dabei, dass ich rückfällig werde, aber ich lerne immer mehr, darauf zu achten. Dann hole ich tief Luft, entspanne und erinnere mich, dass meine Praxis nur mit zwei Flügeln fliegen kann.

Von Stacey Mietus

Yoga mit Herz

Als Yogi wird man oft gefragt: Welchen Stil praktizierst du? Die Antwort gilt dann als eine Art yogische Visitenkarte. Mark Whitwells „Yoga of the Heart“ lässt sich nicht in Kategorien einordnen. Bei ihm geht es – im Gegensatz zu vielen traditionellen Yogarichtungen – nicht um Erleuchtung. Bei Whitwell steht nicht die Suche im Mittelpunkt. Stattdessen geht er davon aus, dass alles was wir brauchen bereits vorhanden sei. Deshalb ist „Herz-Yoga“ auch kein Yogabuch im herkömmlichen Sinne, es bietet vielmehr eine neue Sicht auf die Welt. Alles ist, wie es sein sollte. Yoga ist kein weiterer Versuch ruhiger, schöner und besser zu werden. Es ist lediglich unsere Teilnahme an der gegebenen Realität, lauten Whitwells Kernaussagen. Das ist schwer zu erkennen und noch schwerer zu akzeptieren. Denn unserer gesamtes soziales Umfeld macht uns seit jeher klar, dass es immer noch mehr zu erreichen gibt. Leider bilden auch die meisten Yoga-Schulen in diesem Punkt keine Ausnahme. Spirituelle Erleuchtung wird längst als Marke gehandelt. Dieses Buch will uns deshalb zur Unabhängigkeit erziehen. Wir benötigen weder eine Zehnerkarte für ein Yogastudio, noch einen besonders flexiblen Körper. Alles was wir brauchen, ist unser Atem.

Mark Whitwell sieht die tägliche Yoga-Praxis – selbst wenn es nur sieben Minuten sind – als Voraussetzung, sich selbst und anderen näher zu kommen. 

Veronika Köberlein

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