Call and Response

Ein „Joyride“ ist eine Spritztour, eine meist ziellose (Auto)fahrt, deren Spaß im Zufall liegt und die an jeder Kurve neue Entdeckungen bereithält. An Bord einer solchen Vergnügungsfahrt sind vermutlich gute Freunde, die Richtung bestimmt man meist spontan. Am Schluss kommt man dort an, wo der Trip los ging – aber mit neuer Perspektive und überrascht vom Verlauf der Dinge. „I’m a rider in a love game, following the stars“, singt die Band Roxette in ihrem ansonsten nicht weiter erwähnenswerten Hit „Joyride“ von 1991.

Auch Dave Stringers neues Album mit dem gleichen Titel wirkt am besten, wenn man sich einfach darauf einstellt. Ohne Erwartungen loszuhören gestaltet sich bei einem Kirtan-Künstlers seines Kalibers natürlich schwierig: Zu oft hat der gelernte Jazz-Musiker in Deutschland und der ganzen Welt schon grandiose Konzerte gespielt, in seinen „Kirtan Flight Schools“ schüchterne Yogis aus der Sing-Reserve geholt und viele skeptische Ausschließlich-Mattenturner von der Kraft des gemeinsamen Singens überzeugt. Und so wirken einige Beginne der sechs Mantren-“Klassiker“ auf seiner neuen Doppel-Live-CD etwas schwerfällig und fast zu „live“, denn auf den durchschnittlich 17 Minuten langen Tracks steht das Publikum ebenfalls sehr im Vordergrund. Eigentlich will man doch keine beliebige Kirtan-Crowd, sondern den Meister selbst… Aber schließt man die Augen, verlässt den Geschirrberg oder den Computer und überlässt sich ganz der Magie der Musik, stellt sich unweigerlich die charakteristische Dynamik eines Stringer’schen Kirtans ein: Man wiegt sich in scheinbarer Ruhe, bis plötzlich der Funke überspringt. Auch auf CD überträgt sich Stringers verlässliches Charisma, eine Kreuzung zwischen Rockstar, Meditationslehrer und Trucker, unterstützt von einer Band, deren musikalische Erfahrungen von traditioneller indischer Musik über Jazz und Gospel bis zu Stadionrock reicht. Jay Hanuman! Come on, join the joyride…. (cr)

„Joyride“ von Dave Stringer (Magnetic Melodies/Spirit Voyage, www.davestringer.com)

Tatort Gemüsebeet

Sich ein Jahr lang ausschließlich regional zu ernähren: Dieser Herausforderung hat sich Andreas Hoppe aka „Tatort“-Kommissar Mario Kopper gestellt und zusammen mit Co-Autorin Jacqueline Roussety in einer Art Tagebuch dokumentiert. Auslöser für das Experiment waren der langjährige Konsum des Catering-Essens bei seinen Drehs und der folgende Impuls sich gesünder zu ernähren. Im Verlauf der Öko-Odyssee bemerkt der in Berlin lebende Schauspieler schnell, dass regionale Ernährung weit mehr bedeutet als im trendigen Bio-Supermarkt in Kreuzberg einkaufen zu gehen. Er beginnt auf seinem kleinem Hof in Mecklenburg Obst und Gemüse anzupflanzen und lässt den Leser an sämtlichen Höhen und Tiefen teilhaben, die die Selbstversorung mit sich bringt. Amüsant: Hoppe vergleicht ein Gemüsebeet mit einer Yogagruppe inklusive Dill und Majoran als Gurus – „weil sie schädliche Einflüsse fernhalten und mit allen gut können“. Fazit: Unterhaltsamer Selbstversuch, der an manchen Stellen ein wenig naiv geraten ist, für Jetzt-schon-Ökos vermutlich zu banal. Für alle Anderen ein kurzweiliger Einstieg in die Welt der Bio-Läden und regionalen Ernährung.

 

 

„Allein unter Gurken – mein abenteuerlicher Versuch mich regional zu ernähren“ von Andreas Hoppe (Pendo Verlag, 16,95 Euro)

Das Magazin // Mai+ Juni 2010 + CD#2

Rock The Mat – die Zweite!

 

Yogis sind sanft, ätherisch und wiegen sich mit geschlossenen Augen zum zarten Klang der Sitar. Das kann durchaus Teil der Praxis sein, ist aber nur ein Ausschnitt aus der Verbindung von Yoga mit Musik. Diese Ausgabe und unsere neue CD beweisen: Yoga ist Rock`n`Roll!

Seit ihren Anfängen konnte die rohe Energie des Rock dazu beitragen, verkrustete Strukturen aufzubrechen und die Gesellschaft zu verändern. Als Musikstil der Moderne steht er nur vordergründig im Gegensatz zu Yoga. Die gleichen Gongs, die der Kundalini Yoga-Lehrer Satya Singh zur Meditation spielt, verwendeten Bands wie Iron Maiden und Led Zeppelin für ihre Rock-Hymnen (S. 30). „Rock ‘n Roll mit seinen treibenden Gitarrenriffs und entfesselten Drums befreit unser Ego mühelos und spielerisch von seiner Rüstung“, sagt der Jivamukti Yoga-Lehrer Jeffrey Cohen. Seine „Rockasana“-Klasse ist ein überaus lebensfrohes Mittel, die manchmal eingefahrene Asana-Praxis neu zu beleben (S. 18).

Kraft und Verbindung durch Musik: Die 12 Künstler auf unserer neuen CD sind dafür Experten. In ihren Live-Konzerten singen wir traditionelle Sanskrit-Mantren – nicht um Götter eines fernen Kulturkreises anzubeten, sondern um uns mit heilenden Vibrationen zu verbinden und Einheit zu schaffen. Einer von ihnen ist Dave Stringer. Die Wurzeln des Kirtan-Stars liegen in Gospel, Jazz und Rock. „Meine Absicht ist weniger traditionell, als vielmehr authentisch zu sein“, schreibt er in seinem Beitrag auf S. 36 („Das goldene Zeitalter des Yoga – ist jetzt!“).

Unsere Interviewpartner Sting, Trudie Styler und Thomas D nutzen Yoga als Bereicherung der Kreativität. „Ich glaube nicht, dass man Lieder selbst schreibt. Sie kommen zu dir. Alles, was man selbst tun muss, ist, auf ihre Existenz zu vertrauen“, sagt Sting im YJ-Gespräch ab S. 68, während Wortkünstler Thomas D von den „Fantastischen Vier“ die Flexibilität betont: „Im Gegensatz zu meinem früheren Ziel, härter und kräftiger zu werden, möchte ich heute eher weicher, geschmeidiger, gelenkiger und flexibler sein“ (S. 20).

Dass es als Yogi trotzdem nicht genügt, zuzusehen und der Dinge zu harren, zeigt nicht nur die Geschichte unserer prominenten Beispiele. Aktion und Eigenverantwortung liegen in der yogischen Natur. Hingabe funktioniert nur zusammen mit der Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Individuelle Freiheit lässt sich nur finden, wenn man lernt mit (vermeintlicher) Schuld umzugehen (S.42) – und mit echter („Eine Weile ohne Knast“, S. 48).

Begleitet mit kraftvollem Sound – Let’s rock! – lässt sich hingebungsvolles Üben – and Roll! – auf ideale Weise kombinieren („Sei Dein eigener Yoga-DJ“, S.38). Das haben wir zum Leitmotiv dieser Ausgabe gewählt. Setzen wir es um! Mit Konzentration, Hingabe und Lebensfreude.

 

Viel Spaß beim Lesen – und Hören der YOGA JOURNAL CD#2!

 

 

TITELTHEMEN der Ausgabe Mai+ Juni 2010:

 

Asanas, Meditation & Rock’n’Roll: Interview mit Sting & Trudie Styler – “Yoga ist eine Übung im Zuhören”

– Thomas D: “Stille ist Nichtdenken” – Das Fanta 4 Mitglied über Meditation, Gedankenlöcher, Rohkost und Schweine

– Bryan Kest: Power Yoga – Einfach aber nicht leicht

– Anatomie: Bandhas – Mythos oder Methode?

– Basics: Volle Kraft voraus – Navasana, das Boot

– A-Roh-Ma-Tisch! Exquisites Raw Food – Menü

DVD-Tipp: David wants to fly

Nach der Filmhochschule hat der junge Regisseur David Sieveking ein großes Ziel: Wie sein großes Idol David Lynch möchte er “abgründige” Filme drehen. Doch genau das fehlt ihm in seinem Leben: die Abgründe…

Im Bestreben, seinem Idol und Namensvetter näher zu kommen, stößt der Berliner Filmemacher auf die Transzendentale Meditation (TM) und die Geschichte ihres Gründers, des Beatles- und Hollywood-Gurus Maharishi Mahesh Yogi. Sieveking beginnt, selbst TM zu praktizieren, erlebt wahre Höhenflüge und fühlt sich bald “wie in einem Fahrstuhl, dessen Seile abgeschnitten wurden”. Überwältigender Nebeneffekt ist die persönliche Begegnung mit Meisterregisseur  Lynch, der ihm rät, beim Filmemachen und im Leben seine “eigene Wahrheit” zu finden.

Als Sieveking diesen Rat beherzigt und tiefer in die TM-Materie einsteigt, tun sich allerdings Ungereimtheiten auf, die jedes David Lynch-Films würdig wären: Die Organisation behindert die Recherchen, in Indien, den USA und Deutschland berichten Zeitzeugen und TM-Aussteiger von bizarren Umtrieben des Gurus und seines Umfelds. Schließlich droht sogar David Lynch mit einer Klage.

Faszinierend obskur: Seine persönliche und filmische Odysee durch die Transzendentale Meditation hat David Sieveking zum sehr persönlichen, kritischen und spannenden Dokumentarfilm “David Wants To Fly” verarbeitet. Sein Fazit: “Menschen, die wissen, wo’s lang geht, können einen ganz schön in die Irre führen.”

 

“Yoga schafft Realität”

Im alternativen New York der 80er Jahre kombinierten Sharon Gannon und David Life die Energie von Musik, Tanz und traditionellem Yoga zu einer Methode, die bis heute vor allem in urbanen Szene-Vierteln begeistert praktiziert wird. Ihr Jivamukti Yoga ist kraftvoll, kreativ, politisch – und absichtlich hip. “Yoga kann nicht angesagt genug sein”, sagen die ehemaligen Performance Künstler im YOGA JOURNAL -Interview anlässlich des Jivamukti Tribe Gatherings in München.

Interview: Christina Raftery  Foto: Gion

 

YOGA JOURNAL: Sharon und David, anlässlich eures Besuchs in Berlin, Hamburg und München haben euch viele Menschen erlebt, die nicht viel mit Yoga zu tun haben, aber definitiv schon von Jivamukti Yoga und seinen prominenten Schülern gehört haben. Wie nutzt ihr diese Popularität?

Sharon Gannon: Popularität treibt seltsame Blüten. Als wir im November in Kolumbien waren, wurden wir von der Presse als “Los Gurúes de Yoga y Sexo Tántrico de Sting” angekündigt. Da waren wir durchaus etwas verlegen….

David Life: Nicht nur die Menschen, die Yoga üben, sollten von Yoga wissen. Unsere Gesellschaft befindet sich an einem sozialen und ökologischen Wendepunkt, der uns vor bestimmte Aufgaben stellt. Yoga gibt unseren Vorschlägen für ein Leben in Harmonie mit dem Planeten Integrität. Seine Popularität nutzen wir, um sie zu verbreiten und ein Netzwerk von Interessierten aufzubauen.

 

YJ: Der Beginn einer Yoga-Praxis bedeutet oft einen Wendepunkt im Leben. Über körperliche Übungen finden wir Verbindung zu allem Lebenden, denken und handeln aus neuen Perspektiven. Wir denken wieder über “Spiritualität” nach, die wir im Westen vielleicht auch in einer christlichen Erziehung erlebt haben. Ist Yoga ein Ersatz für Religion?

David Life: Das Sehnsucht nach etwas Größerem ist in uns, ebenso das Bedürfnis, uns unter spirituellen, sozialen oder politischen Vorzeichen zu versammeln. Warum gehen die Menschen in die Kirche? Es ist mehr als das offensichtliche Ritual des Gebets. Wir suchen Gemeinschaft. Yoga bietet dies ebenfalls an, mit einem wichtigen Unterschied: Hier wird jede Form des Glaubens akzeptiert.

 

YJ: Vom Christentum zum Yoga: Welche Art von Übergang kann hier stattfinden?

Sharon Gannon: Yoga bedeutet Verbindung. Ich bin mit dem Katholizismus aufgewachsen. Eine große Rolle spielt hier die Furcht vor Gott, die im Leben auf Autoritätsfiguren projiziert wird. Als Kind lernt man die zehn Gebote auswendig, entwickelt ein Schuldgefühl und geht zur Beichte. Ich erinnere mich, wie ich mir vor der Beichte den Kopf zerbrochen habe, welche Sünden ich wohl begangen haben könnte und fragte meine Geschwister, ob ihnen etwas einfiele…

Als ich Patanjalis Yoga Sutren entdeckte, las ich erneut “Du sollst nicht töten, lügen, stehlen”. Die Yoga Philosophie macht die gleichen Vorschläge wie das Alte Testament. Patanjali formuliert jedoch optimistischer: Die Yoga Sutren beschreiben die positiven Wirkungen des Nicht-Verletzens. Das fand ich aufregend!

David Life: Dieser Ansatz gibt uns etwas, womit wir arbeiten können, anstatt in Schuldgefühlen zu verharren, die aus vergangenen Taten resultieren. Yoga betont die Gegenwart, die Realität: Was können wir JETZT tun? Wir können unsere Realität selbst schaffen. Dieses Versprechen gibt uns Yoga – aber nicht als Konzept, das wir glauben können oder nicht, sondern durch direkte Erfahrung. Du fühlst dein Leben JETZT, hier, direkt auf der Matte, in der Meditation.

Sharon Gannon: Ich habe das Gefühl, dass auch Religionen wie das Christentum einmal umfassender funktioniert haben. In der katholischen Messe knien wir, stehen wieder auf, beugen uns zur Erde, richten uns zum Himmel: Ein Sonnengebet!

 

YJ: Im Neuen Testament steht: “Liebe deinen Nächsten wie dich Selbst”. Gesprochen von jemandem, der mitten im Leben stand.

Sharon Gannon: Natürlich. Jesus war ein Yogi. Er sah sich als Eins mit Allem und hat es beispielshaft gelebt.

 

YJ: Über die Brücke des Yoga verändern wir den Blick auf unsere Erziehung, unsere Wurzeln, unsere Familien. Wir können mit vielem Frieden schließen.

Sharon Gannon: Wir werten nicht mehr so stark und kommen von der “Ich und die Anderen”-Trennung ab. Yoga reicht unermesslich weit und ermöglicht uns, mehr von der Welt in unsere eigene Realität zu integrieren, ohne auf die Erlösung im Jenseits zu warten. Ein unglaublich praktisches Konzept!

David Life: Yoga ist keine Religion, sondern anarchistisch. Es gibt keine Hierarchie, keinen “Yoga-Papst”. Viele offizielle Religionen sind nicht pro-Yoga. Warum? Weil die Kraft des Individuums gefördert wird. Yoga braucht kein abhängiges Gefolge. In unserem Unterricht versuchen wir, eine intelligente, reflektierte Atmosphäre zu schaffen. Informieren statt einlullen.

Sharon Gannon: Wenn sich Organisationen bedroht fühlen, ergreifen sie eine bestimmte Maßnahme: Sie drehen die Dinge um. Jesus sagte “Mein Vater und ich sind Eins.” Das ist Yoga, Samadhi. In seiner Sprache, dem Aramäischen, nutzte er den Namen “Alaha”. Das heißt “Alles, was ist, alles Manifestierte. Er sagte: “Ich bin eins, mit allem, was ist.” Allerdings steht in der Bibel an keiner Stelle, dass er als Einziger Anspruch auf diese Einheit hat. Weil seine Worte die Verhältnisse bedrohten, wurden seine Worte jedoch so interpretiert. Damit hat man ihn ins System zurückintegriert, aber unerreichbar entrückt.

 

YJ: Körperliche Übung und Bewusstsein – wie stehen sie im Yoga im Zusammenhang?

S: Das sind keine getrennten Einheiten. Der Körper ist ein Produkt unseres Karmas. “Karma” umfasst unsere Beziehungen zu anderen, die sich im Körper manifestieren. Durch die Yoga-Praxis heilen wir unsere Beziehungen. Wenn wir uns nicht um sie kümmern, verfolgen sie uns und wir sind völlig von ihnen und unserer vermeintlichen “Persönlichkeit” besessen. Aber wir sind viel mehr als das: Eine “Jiva Mukta” (befreite Seele) befindet sich in Einheit mit allem, was ist.

 

YJ: Muss man hierzu unbedingt Asanas üben?

David Life: Es gibt andere effektive Methoden, die einfacher sind als Yoga-Übungen und die Menschen im umfassendsten Sinn gesünder machen. Eine der wichtigsten ist eine vegetarische, besser vegane Ernährung. Dabei ist wichtig zu sehen, dass Yoga nicht von “Sünden” spricht, sondern von hilfreichem und weniger hilfreichem Verhalten. Damit ist weniger Verurteilung und Selbstgerechtigkeit möglich.

Sharon: Wir leben in einer skeptischen, zynischen, von Zweifeln geschüttelten Welt. Wenn wir diesen Haltungen verfallen, entfernen wir uns von unserer inneren Kraft, unsere eigene Realität zu gestalten. Es ist so normal, sich als Opfer zu fühlen und andere verantwortlich zu machen. Je mehr wir uns jedoch mit Yoga beschäftigen, desto unmöglicher wird uns diese Haltung. Dann wird es richtig spannend.

 

YJ: In München fand anlässlich eures Besuchs das erste “Jivamukti Tribe Gathering” statt, ein “Stammestreffen” mit Lehrern und Schülern. Welche Rolle spielt die Gemeinschaft im (Jivamukti) Yoga?

S: Wenn wir uns um uns selbst kümmern, schaffen wir Methoden, die Welt zu verändern. Eine Gemeinschaft, in der jeder auf seine individuelle Weise zum Wohle des Anderen arbeitet, ist das wichtigste Mittel, um die Krisen auf unserem Planeten zu lösen.

D: Dabei sollten wir nicht in die Falle der etablierten Religionen geraten und uns nicht “besser” als Andere fühlen: “Wir haben es kapiert, ihr nicht…” Yoga kann nicht missioniert werden, sondern findet uns, wenn wir motiviert sind.

 

YJ: Was ist dabei wichtiger – der Intellekt oder Gefühle? Müssen wir insgesamt liebevoller werden?

S: Liebe ist die Basis, aber nicht so, wie wir sie meistens verstehen. Wir lieben unsere Familie, Freunde und Haustiere. Was aber ist mit dem Unbekannten, dem Fremden? Anderen Wesen?

David: Liebe ist mehr als das Gegenteil von Hass, umfassender. Jivamukti Yoga erforscht Yoga auch als tantrische Übung. “Tan” bedeutet im Sanskrit “ausdehnen”, “tra”, es wirklich zu tun. Durch unsere Methode wollen wir allen Dingen ein Gesicht geben und eine Beziehung zu ihnen finden. Dann besteht die Welt aus lebenden, nicht ausbeutbaren Wesen. Wenn das Fleisch auf dem Teller ein Gesicht hat, wird es schwieriger, es zu essen.

Kinder (sind) Yoga

Foto:  Holger ZapfLöwengebrüll, brummende Hubschrauber, strampelnde Käfer auf dem Rücken, Helden mit Superkräften und Surfer in der Pipeline – im Kinderyoga ist Fantasie gefragt. Während Erwachsenen die Anweisung „Virabhadrasana II“ reichen mag, um in einen perfekten Krieger II zu kommen, stellen sich Kinder hierzu viel lieber vor, wie ein Surfer auf dem Brett zu balancieren. Beim Yoga lernen sie die Asanas je nach Alter auf mehr oder weniger spielerische Weise.

Von Verena Hertlein

„Kinder sind sehr fantasiereich und lernen schnell, wenn sie in Bilder lernen dürfen. Sagt man die Kobra an, liegen sofort alle auf dem Bauch, räkeln die Hälse und geben Zischlaute von sich. Kinder machen nicht die Übung, sie sind die Übung.“ Holger Zapf, Kinderyogalehrer und -ausbilder am Institut Unit Wiesbaden, betont, wie wichtig es ist, Yoga an die Bedürfnisse von Kindern anzupassen. „Ist die Yogastunde neben dem positiven Effekt auch noch lustig, spannend und jedes Mal ein Erlebnis, werden die Kinder immer wieder gerne hingehen.“ Als Kinderyogalehrer braucht man viel Fantasie und die Fähigkeit, sich in die Kinder hinein zu versetzen. Sonst hat man schnell einen Raum voller lustloser oder nörgelnder Kinder vor sich. Wenn sie mit Langeweile oder Monotonie konfrontiert werden, verlieren sie nämlich schnell die Lust

Das wichtigste Prinzip: Satya – Wahrhaftigkeit

Auch Jenny Burgstett, Kinderyogalehrerin bei Jaya Yoga in München, weiß, was ihre kleinen Schüler wünschen. Sie müssen die Möglichkeit haben, zwanglos und mit Spaß zu lernen. Seit acht Jahren unterrichtet sie Kinderyoga und hat von ihren Schülern vor allem gelernt, selbst flexibel zu bleiben und im Moment zu leben. „Mit Kindern weiß man vorher eigentlich nie so genau, wie sich die Yogastunde entwickeln wird. Für mich ist das allerwichtigste Prinzip „Satya“ – Wahrhaftigkeit. Wenn ich am Anfang der Stunde beispielsweise merke, dass es einem Kind nicht gut geht, integriere ich das in die Stunde. Vielleicht mache ich dann Gefühle oder Veränderung zum Unterrichtsthema. Es hat keinen Sinn, als Lehrer stur an einem Konzept festzuhalten. Mit Kindern funktioniert das einfach nicht.“ Ihrer Erfahrung nach sind Kinder sehr authentisch und verstellen sich nicht wie Erwachsenen. „Wenn ich mit Kindern zusammen bin, versuche ich, genauso authentisch zu sein. Ich erzähle ihnen auch, wenn es mir einmal nicht gut geht. Mich hat schon immer die Leichtigkeit und Offenheit, mit der Kinder die Welt erleben, fasziniert. Mit Yoga möchte ich Kinder dabei unterstützen, sich mit Neugierde und Spaß selbst zu erfahren, ihre Stärken zu entdecken und in Harmonie mit sich und anderen zu leben.“

Freiraum zurück erobern

Wenn man einen Blick auf die Kurspläne von Yogastudios wirft, kann man erkennen, dass Yoga für Kinder immer mehr an Beliebtheit gewinnt. Holger Zapf sieht die Ursache in der wachsenden Reizüberflutung, die heute schon im Kindesalter den Alltag prägt – durch Fernsehen, Videospiele und nicht zuletzt überladene Lehrpläne in den Schulen. Die wenige Freizeit wird oft zusätzlich mit Englisch und Klavierunterricht verplant und den Kindern bleibt immer weniger Auszeit zur Entspannung. Rechnet man alle organisierten Aktivitäten zusammen, kommen Kinder nicht selten auf einen 10-Stunden-Tag. Wen wundert es da, dass viele Kinder darauf mit innerer Unruhe reagieren, zappelig, unkonzentriert oder sogar aggressiv werden? Zapf empfiehlt Kinderyoga, um den Kindern genau diesen verlorenen Freiraum zurückzugeben. „Die Yogastunde dient als Refugium jenseits von Termin- und Leistungsdruck, in dem sie ihre Kreativität ausleben und sich so selber entdecken können.“

Mutter-Vater-Kind-Yoga

Isabel Schilpp, die im Frankfurter Studio „Inside Yoga“ (www.insideyoga.de) Kinderyoga unterrichtet, hat sich ebenfalls Gedanken darüber gemacht, wie sehr Kinder und Eltern von der allgemeinen Hektik und dem schnellen Tempo unserer Zeit betroffen sind. „Im ständigen Balanceakt zwischen Schule, Arbeitswelt und Familienleben ist der Tag eines jeden Familienmitglieds angehäuft mit Terminen und Verpflichtungen. Das Freizeitprogramm wird oft unabhängig voneinander gestaltet. Daher bleiben gemeinsame Stunden und die Ruhe, sich wirklich aufeinander einzulassen, meist auf der Strecke.“ Aus diesem Grund veranstaltete sie 2009 zum Weltkindertag bei Inside Yoga erstmalig einen Workshop für Mutter-Vater-Kind-Yoga. Das Konzept: Die ganze Familie soll aus dem Alltag heraus und gemeinsam auf die Matte. „Der ganze Tag stand unter dem Motto sich für das zu öffnen, was einen verbindet, und es im gemeinsamen Yoga umzusetzen. Es war schön zu sehen, wie die Kinder die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern genossen und mit Enthusiasmus und Konzentration bei den Übungen waren. Die Eltern staunten oft nicht schlecht darüber, was ihr Kind kann. Der Workshop bot den Eltern-Kind-Paaren das passende Umfeld, sich auszuprobieren und sich miteinander auseinander zu setzen. Dabei wurde das Bewusstsein, dass eine gut funktionierende Beziehung mit ständiger Arbeit verbunden ist, wachgerufen. Isabel Schilpps Fazit: Beim gemeinsamen Yoga konnten Eltern und Kinder neue Seiten am anderen entdecken und das Vertrauen in ihre Fähigkeiten als Team stärken.

Natürlich bietet es sich für Eltern an, auch zu Hause mit ihrem Kind Yoga zu machen. Um selbst eine Yogastunde zu kreieren, gibt Holger Zapf folgende Tipps:

* Werden Sie erfinderisch! Überlegen Sie sich Geschichten zu Themen, die Ihr Kind interessiert, beispielsweise Piraten, Skaten oder den Zoobesuch, und bauen sie die Asanas in die Geschichte ein.

* Wählen Sie Übungen, die zu den Bedürfnissen ihres Kindes passen. Ist ihr Kind eher unruhig, vermeiden Sie Übungen, die stark aktivierend sind.

* Versuchen Sie, sich in Ihr Kind hinein zu versetzen und sich daran zu erinnern, wie sie sich in dem Alter gefühlt haben.

* Üben Sie interaktiv, beziehen sie das Kind in das Geschehen ein.

* Zwingen Sie ihr Kind auf keinen Fall zu Yoga. Ihr Kind sollte freiwillig und mit Neugierde dabei sein.

Das Institut UNIT (www.unit-wiesbaden.de) veranstaltet für interessierte Yogalehrer und Pädagogen in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz Mainz Kinderyoga-Ausbildungen in Wiesbaden und München. Die nächsten Termine sind:  23.-25. April 2010 in München (berufsbegleitend) und 10.-15. August 2010 in Wiesbaden (Intensivkurs).

Nachgefragt bei Sonja Söder

Yoga und Workout – Wie passt das zusammen?

 

Wer die heutige Yogawelt betrachtet, stellt fest, dass Yoga innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte eine unglaublich hohe Zahl an Stilblüten hervorgebracht hat. Selbst Yogarichtungen aus einer Entwicklungszeit von mehreren Tausend Jahren werden dabei um ein Vielfaches überstiegen. Die meisten „neuen“ und immer populärer werdenden Stile finden ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten. Ähnlich wie die Fitnesswelle in den 80er Jahren von Amerika nach Europa schwappte, so erreicht uns auch das westliche Yoga aus den USA.

Die Parallelen sind unverkennbar: Massenmobilisation, Kommerzialisierung, inhaltliche Systematisierung sowie die Dominanz amerikanischer Konzepte. Wer sich Yogakongresse anschaut, fühlt sich in die Anfänge der Fitness- und Aerobic-Conventions zurückversetzt. „Presenter“ (heute: „Yoga-Presenter“) üben mit Massen von Menschen alle möglichen Yogastile – je intensiver und schweißtreibender, desto gefragter.

Auspowern als Hauptmotivation

Von diesem Standpunkt aus betrachtet hat ein gewisser Teil der westlichen Yogakultur sehr viel mit „Workout“ zu tun. Es ist offensichtlich, dass Yoga in vielen Fällen Menschen begeistert, die nicht in erster Linie die „höheren Ziele“ des Yoga vor Augen haben, sondern ganz profan Bewegung, Schwitzen oder Auspowern als Hauptmotivation für ihre Praxis sehen. Genau diese Beweggründe wurden von verschiedenen Yogakonzepten früh erkannt; ein typisches Beispiel ist Power Yoga. Hier lässt der Name unterschiedliche Interpretationen zu. Einerseits könnte „Power“ ganz neutral für Energie oder Kraft stehen (Energie Yoga, Energetisches Yoga, Lebensenergie), andererseits ist die Assoziation mit der Fitnessbranche unübersehbar. Besonders in diesem Zusammenhang steht „Power“ für körperlich besonders anstrengende Trainingsformen und lässt auf einen Anspruch auf mehr Jugendlichkeit, Leistungsfähigkeit und dem Streben nach gängigen Schönheitsidealen schließen.

Natürlich hat jeder Yogastil seine Berechtigung, und besonders wir Yogaübenden sollten Toleranz und Akzeptanz als eine der bedeutendsten Prinzipien unserer Lebenseinstellung ansehen. Egal, ob Yogapraktizierende eher den Wunsch nach einem energetischen Workout oder einer spirituellen Körpererfahrung haben: Yoga kann nicht missbraucht werden, solange die Übungspraxis aus eigener und freier Entscheidung geschieht.

Der Weg zum Ich führt über den Körper

In Zukunft könnte die Verbindung Workout und Yoga jedoch um einen weiteren, bedeutenden Aspekt ergänzt werden: Einerseits lassen die Prognosen über demographische Entwicklungen einen deutlichen Anstieg der höheren Altersgruppen erkennen, andererseits werden allgemeine Bewegungsarmut und einseitige Haltungsmuster weiterhin auch Probleme der jüngeren Altersschichten bleiben. Die Bedürfnisse der Menschen könnten sich in eine Richtung entwickeln, der am besten durch differenzierte Yogaformen begegnet werden sollte. Eine der wichtigsten Bestimmungen der Yogalehrer besteht also darin, Teilnehmern in den Einsteiger- und Mittelstufestunden primär den Status ihrer eigenen Körperlichkeit zu vermitteln. Ziel sollte dabei sein, dass sie ihren eigenen Körper kennen und verstehen lernen. Dieses Prinzip steht in keinem Widerspruch zu dem spirituellen Anspruch der Yogapraxis. Der Weg zum Ich führt über den Körper, wobei der Körper kein unüberwindbares Hindernis sein darf, sondern vielmehr der Schlüssel zur spirituellen Praxis. Dieser Weg steht jedem Menschen offen, unabhängig von seinen individuellen Voraussetzungen und dem Level seiner Praxis. Das macht das System Yoga wunderbar offen und zum Tor der Selbsterfahrung im eigenen Körper. Jeder sollte sich sein Yoga erarbeiten können – oder wie man im englischsprachigen Raum sagen würde: „Workout Your Yoga.“

Sonja Söder (BDY/EYU) praktiziert verschiedene Yogastile und begründete 1999 das Yogakonzept Woyo („Workout-Yoga“). Als Leiterin der Woyo Akademie entwickelt sie die angebotene Yogalehrerausbildung (200 h) vor allem im Bereich Yoga-Physiologie/ Anatomie und Hilfestellung bei Gelenkproblemen ständig weiter. www.woyo.de

Das Magazin // März + April 2010

Liebe Leserinnen und Leser,

 

„Die Angst hat einen schlechten Ruf, den sie in meinen Augen nicht verdient, denn sie schafft Klarheiten. Sie zwingt dazu, sich für die wichtigen Dinge zu entscheiden, und die banalen zurückzustellen“, sagt Kathryn Bigelow. Eine ähnliche Haltung vertritt Sally Kempton: „Für jemanden, der sich auf einem transformativen Weg befindet, kann Angst ein interessanter Lehrer sein.“ Obwohl ihre Ausgangspunkte nicht unterschiedlicher sein könnten – Bigelow ist Oscar-nominierte Actionfilm-Regisseurin, Kempton die Philosophie-Kolumnistin des amerikanischen YOGA JOURNAL – empfehlen beide, sich diesem unangenehmen Gefühl zu stellen und sein heilsames Potential zu erforschen. Drei wirksame Wege von der Furcht zum Vertrauen stellt Sally Kempton ab S. 28 vor. Als Journalistin beschreibt sie eine weitere Form von Blockade, die die meisten Kreativen kennen: die Angst vor dem Auftritt, bei Schriftstellern der Writers’ Block. Der leere Bildschirm und ich – eine alle Chancen der Welt bietende, aber manchmal äußerst angstbesetzte Situation.

Nicht nur, weil wir uns täglich mit beidem beschäftigen, hat uns der Zusammenhang zwischen Yoga und Schreiben brennend interessiert. Denn wie könnte man die Realität anders beschreiben als mit Worten? Intensiv erfahren können wir sie mit Yoga und mit bewusstem Handeln transformieren. Mit allen drei Werkzeugen schaffen wir neue Realitäten – auf S. 24 beschreiben die Jivamukti-Gründer Sharon Gannon und David Life diese immense schöpferische Chance. Viel Spaß macht es auch, über Sehnsucht und Phantasie zu schreiben – siehe dazu Thomas Schmelzers Beitrag „Ich schreibe, also bin ich“ (S. 68) und unsere Kinderyoga-Geschichte zum Vorlesen und Mitüben ab S. 38. Kinder sind Spezialisten darin, ihre eigene Gegenwart zu leben. Ab S. 34 widmen wir ihnen und ihrer spielerischen Freude am Leben ein Special und nehmen uns vor, mit dieser Leichtigkeit einige Selbstverständlichkeiten in unserem Leben zu überprüfen: Werden wir wirklich niemals stabil im Unterarmstand stehen (S. 101)? Haben wir aufgrund unserer vielen Verpflichtungen wirklich keine Zeit zum Üben (S. 42)? Mit Gewinn die Gewohnheiten umstellen: Damit experimentieren die Bewohner der Lebensgemeinschaft Höllbachhof (S. 54), der Mönch Edward Espe Brown in seiner Zen-Praxis (S. 72) und ein deutscher Entwicklungshelfer im buddhistisch geprägten, kommunistisch regierten Laos (S. 88). Er fand in der Meditation die „Ruhe, um Ruhe auszuhalten“. „Off the Laptop, into the World!“ könnten ihre Devisen lauten.

Vertrauen statt Angst, Realität statt Projektion. Auch hierfür fand einmal ein Schreibender, Mark Twain, die passenden Worte: „Ich habe in meinem Leben viele schreckliche Dinge erlebt. Manche von ihnen sind wirklich passiert.

 

Viel Spaß beim Lesen und immer mit der Ruhe.

 

TITELTHEMEN der Ausgabe März + April 2010:

 

– Yoga für Kinder. Strampelnde Käfer und Superhelden – Mit Yoga-Geschichte zum Vorlesen

– Keine Angst. Durch Meditation Sicherheit neu definieren

– Sharon Gannon & David Life: Yoga schafft Realität

– Bikram Choudhury: Vergiss, wer du bist

– Milena Moser: Schreiben ist Yoga

– Masterclass: Pincha Mayurasana – stabil im Unterarmstand

– Herzfitmacher: 5 Wohlfühlrezepte

Exklusive Gewinnspiele, Yoga-News, Meditationen, Praxisstrecken, leckere Rezepte, Ayurveda und vieles mehr

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