Nachgefragt bei Yogeswari

Welche Rolle spielt der Lehrer auf dem Yogaweg? Braucht man für die Entwicklung einen persönlichen Mentor?

 

OM SAHA NAVAVATU
SAHA NAU BHUNAKTU
SAHA VIRYAM KARAVAVAHAI
TEJASVI NAVADHITAM ASTU
MA VIDVISHAVAHAI
OM SHANTIH, SHANTIH, SHANTIH

 

Akzeptiere uns beide, beschütze uns beide, möge unser Wissen und unsere Kraft wachsen. Mögen wir uns nicht streiten.

Dieses Mantra aus der Kena Upanishad ist bekannt als das Lehrer-Schüler Mantra. Die Aufgabe des Lehrers ist es, den Schüler an seine Grenzen zu bringen, um aus alten Verhaltens- und Denkmustern ausbrechen zu können. Der Schüler wird dadurch oftmals mit Themen konfrontiert, die er normalerweise meidet. Er wird in diesen schwierigen Situationen darin getestet, den Lehrer nicht mit einem verletzten Ego zu verlassen. Damit ist die Verbindung zum Lehrer symbolisch für alle zwischenmenschlichen Beziehungen.

Der Lehrer erscheint, wenn der Schüler bereit ist. Jeder Mensch ist anders: Einige können sich selbst motivieren und verfügen über eine große Selbstdisziplin, andere müssen von einer inspirierenden Kraft und einer starken Hand geführt werden. Traditionell werden die Lehren des Yoga vom Lehrer an den Schüler weitergegeben, der dann selbst irgendwann zum Lehrer wird und einer neuen Generation von Schülern das Wissen vermittelt.

Es ist sicher möglich, im Yoga bis zu einem gewissen Grade autodidaktisch zu wachsen, jedoch kommt man irgendwann ohne professionelle Anleitung und mit Hilfe von Büchern nicht mehr weiter. Wir brauchen einen Lehrer oder Mentor, der uns in die Tiefenkenntnisse der Anatomie und die oft kodifizierte Sprache der Philosophie einweiht. Nehmen wir beispielsweise das Mysterium des Shakti Pad, eine heilenden Berührung. Diese sollte mit einem Lehrer erlebt und aufgedeckt werden. Wir erfahren so, wie sich die Asanas energetisch anfühlen sollten. Die motivierende Kraft des Lehrers spielt bei diesen harten Disziplinen eine sehr große Rolle.

Die Hauptaufgabe des Lehrers ist es, die Tücken des Ego im Schüler zu beseitigen. Der Dialog ist hier nicht als Meinungsaustausch gedacht, bei dem der Schüler seine Argumente und Ansichten verteidigt. Vielmehr befreit sich der Schüler von seiner Arroganz und entwickelt Vertrauen, Gehorsam und Bescheidenheit. Es geht in erster Linie darum, dem Lehrer zu dienen, und dadurch eine tiefe Liebe für den Lehrer und die spirituelle Praxis zu entdecken. In der heutigen Yoga-Welt ist dieser Prozess viel unpersönlicher geworden. Die Klassen sind oftmals sehr groß und es gibt nur selten die Möglichkeit mit einem Lehrer one-to-one zu arbeiten. Dadurch besteht die Gefahr, wahllos von einem Workshop zum anderen zu gehen, aus oberflächlicher Kenntnis Methoden zu mischen und sich schnell von einem Lehrer zu trennen, sobald ein Hauch von Unzufriedenheit aufkommt.

Daher ist es empfehlenswert, zuerst einmal verschiedene Methoden und Lehrer auszuprobieren, bis man denjenigen findet, von dem man sich am meisten angesprochen fühlt, dann aber bei diesem zu bleiben, bis man die Methode verstanden hat.

Es ist durchaus möglich, mehrere Lehrer zu haben. Aber es wird kompliziert, wenn die Methoden vom Schüler miteinander in Konflikt gebracht, verwechselt werden oder wenn zeitliche Prioritäten gesetzt werden müssen. Manche Yogis bleiben ihr ganzes Leben in der gleichen Tradition, bei einem Lehrer oder Mentor. Einige verbringen einen begrenzten Zeitraum mit ihm und wenden sich in einem anderen Lebensabschnitt einem neuem Lehrer zu – weil sie auf diese Art und Weise das größte Entwicklungspotenzial für sich sehen. Womit wir wieder am Anfang meiner Ausführungen wären: Der Lehrer erscheint, wenn der Schüler bereit ist.

Die gebürtige Schweizerin Estelle Eichenberger alias Yogeswari begleitet die Jivamukti-Lehrerausbildungen mit Sharon Gannon und David Life in den USA und in Deutschland. Die studierte Tänzerin, Choreografin und Direktorin der Wohltätigkeitsorganisation Azahar Foundation (www.azaharfoundation.org) unterrichtet im August wieder in Deutschland: Vishnu’s Vibes Düsseldorf (6. – 8.8.), Yogalounge Freiburg (12. – 15.8.), Coolyoga, Dortmund (28./ 29.8.). Mit Patrick Broome leitet sie vom 7. November bis 3. Dezember 2010 die Jivamukti Yoga 300-Stunden-Lehrerausbildung auf der Fraueninsel/Chiemsee.

Nachgefragt bei Beate Cuson

Wie finde ich im vermeintlichen „Yoga-Stil-Dschungel“ die passende Praxis für mich?

 

Die unglaubliche Vielfalt an Yoga-Richtungen lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass sich Yoga über die Jahrhunderte enorm verändert hat. In einem ständigem Prozess haben es die Menschen ihren Lebensbedingungen immer wieder von Neuem angepasst. In weit zurückliegenden Zeiten wurden die Asanas etwa ausschließlich zur Vorbereitung auf die Meditation praktiziert. Heute wird Yoga oftmals auf ein modernes Fitnessprogramm reduziert und als Teil eines modernen Lifestyles propagiert. Aufgrund der zahlreichen Stile kann jedoch jeder Übende – abhängig von seinen persönlichen Bedürfnissen und Ansprüchen – die für ihn passende Yoga-Richtung finden.

In Indien entstandene, traditionelle Stile sind Ashtanga, Iyengar, Kundalini, Sivananda und Vini Yoga. Zu den zeitgenössigen Stilen, die sich während der letzten Jahrzehnte in den USA entwickelt haben, zählen unter anderem Anusara, Jivamukti, Bikram, Power, Tri Yoga und das Vinyasa Flow Yoga. Mit wenigen Ausnahmen werden in fast allen Stilen die gleichen Asanas praktiziert, jedoch mit zum Teil sehr unterschiedlicher Ausführung und unterschiedlichen Schwerpunkten. Manche Stile legen sehr großen Wert auf die präzise Ausführung der Haltungen oder auf die Verbindung von Atem und Bewegung. Andere bevorzugen ein statisches Üben oder das fließende Verbinden der Asanas. Dabei schätzen immer mehr Lehrer die Fülle der unterschiedlichen Richtungen und verbinden Elemente verschiedener Stile miteinander. Die Präzision und die Technik von Iyengar oder Anusara beispielsweise bereichern einen fließenden Stil, während etwa Yin Yoga einen wunderbaren Ausgleich zum kraftvoll dynamischen Üben bietet.

Sehr genaue Anleitungen und explizite Erläuterungen insbesondere der technischen und der anatomischen Aspekte der Asanas finden Yoga-Übende in Iyengar-Stunden. Mit Genauigkeit und Kraft werden die Positionen gehalten. Auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen können diese Yoga-Richtung dank unterstützender Hilfsmittel problemlos praktizieren. Yogis, die ihre Ausdauer verbessern und den Fokus auf athletisches Üben richten möchten, können sich beim traditionellen Asthanga Vinyasa Yoga auspowern. Wenig spirituelles Beiwerk charakterisiert die eher „Fitness-orientierten“ Stile Bikram, Hot oder Power Yoga. Dabei ist Gesundheit und Sportlichkeit Grundvoraussetzung und Basis für effektives Üben. In Jivamukti-Stunden finden Yogis ebenfalls eine körperlich herausfordernde Praxis – kombiniert mit der klassischen Yoga Philosophie, Musik und Mantren, Chanting und Meditation. Eine freigeistige und kreative Form ist das Vinyasa Flow Yoga. Hier wird kraftvoll-dynamisch, aber auch sanft-entspannend im fließenden Rhythmus geübt und in regelmäßgen Abständen in den Haltungen verweilt, um in die Tiefe der Asanas hineinzuspüren. Wer gestresst ist und nur schwer abschalten kann, dem sei Yin Yoga ans Herz gelegt. Bei dieser Yoga-Richtung werden besonders Entspannung und Geduld kultiviert, der Fokus liegt auf tiefem Dehnen und Meditation in den Asanas. Bei körperlichen Problemen und Einschränkungen ist Vini Yoga die richtige Wahl. Dem therapeutischen Bezug kommt insbesondere bei diesem Stil große Bedeutung zu. Entscheidend hierbei ist der individuelle Ansatz, bei dem jeder Übende die für ihn passenden Variationen der Asanas wählen kann.

Entscheidend bei all diesen unterschiedlichen Ansätzen und Ansprüchen ist, welche Bedürfnisse wir als Übende in bestimmten Phasen unseres Lebens haben. Ich empfehle, die verschiedenen Angebote und Lehrer mit Neugier und Intuition auszuprobieren. Denn selbst bei einem Stil gibt es verschiedenen Nuancen – abhängig von der Persönlichkeit, Authentizität, Kompetenz und dem Erfahrungshintergrund des Lehrers.

Beate Cuson ist Yogalehrerin, Autorin („Flow Yoga“, Theseus Verlag) sowie Gründerin und Leiterin des Yogastudio Moveo in Berlin. Seit den 70er Jahren hat sie zahlreiche Yoga-Stile ausprobiert, u.a. Iyengar, Hatha, Flow und Vini Yoga. Über Silvester bietet sie ein Retreat in Brandenburg und im März 2010 Yoga-Ferien in Goa/ Indien an.

www.moveo.berlin

Herausforderung und Überforderung – nachgefragt bei Young-Ho Kim

Young Ho Kim Yogaworld

Besonders in Zeiten von Social Media hat sich Yoga extrem verändert. Wolltest du auch schon mal eine halsbrecherische Position von Instagram nachmachen? “Spüre in deinen Körper” heißt es in regülären Yogastunden. Manchmal ist es auch in Begleitung eines Yogalehrers ganz schön schwer, zu erkennen, ob der Körper bereit ist oder ob das Ego dich in eine Pose zwingen will. Wie erkenne ich in meiner Yogapraxis den schmalen Grat zwischen Herausforderung und Überforderung? Das Yoga Journal hat bei dem Gründer der Yogarichtung “Inside Flow”, Young-Ho Kim nachgefragt.

Oft packt uns der Ehrgeiz, und wir möchten bestimmte Asanas unbedingt sofort können. Zwischen Herausforderung und Überforderung: wie kann man den Ehrgeiz mit Gelassenheit kombinieren? Schließlich wollen wir Fortschritte erreichen, ohne sich dabei Frust oder Verletzungsgefahr auszusetzen.

Die Antwort der traditionellen Yogaphilosophie

Von Patanjali stammt der Hinweis “Sthira Sukham Asanam”. Die Yoga-Haltung soll fest und leicht zugelich sein. So weise und plausibel dies klingen mag, erwischen wir uns immer wieder, wie wir übermütig über die Grenze hinausgehen, uns Schmerzen zufügen oder die Praxis einfach frustriert und resigniert aufgeben.

Um herauszufinden, ob uns eine Herausforderung weiter bringt oder überfordert, nimm die richtige Einstellung zur Anstrengung ein. Wenn man beispielsweise mit der Krähe (Bakasana) beginnt, hat man Angst, vornüber zu fallen. Genau so ist es beim Handstand. Für die Überwindung dieser Angst braucht es die Bereitschaft, sich überhaupt mit Emotionen auseinandersetzen zu wollen. Ohne diese Bereitschaft werden wir uns nie der Herausforderung stellen. So nähmen uns die Möglichkeit der Weiterentwicklung. Sei also offen und nimm die Herausforderung an.

Nachdem die Herangehensweise stimmt, brauchst du das nötige Know-How, um die Position korrekt ausführen zu können. Halbwissen kann dabei sehr gefährlich sein – die fatalste Kombination ist allerdings Halbwissen und Übermut. Um Stabilität und Leichtigkeit zu erzeugen, benötigen wir also Information über Asanas und die richtige Einstellung.

Die Schlüsselrolle der Atmung

Bei dieser Achtsamkeitsübung ist die Atmung der rote Faden, an dem man sich entlang hangelt. Verlierst du ihn, verlierst du auch die Kontrolle über deinen Körper und den Fokus des Geistes. So läufst du Gefahr, deine Grenzen zu überschreiten. Bleib also ganz bei dir, indem du deine Achtsamkeit auf deine Atmung lenkst und sich von ihr leiten lässt.

Die Ujjayi-Atmung (Kehlkopf-Atmung) erzeugt die nötige Spannung im Körper. Gleichzeitig beruhigt sie den Geist. Zudem hört man ihren Klang deutlich, wodurch es uns leichter fällt, auf uns selbst zu hören. Achte also als Schüler und ebenfalls als Lehrer auf die Ausrichtung des Asana und gleichzeitig auf eine ruhige Ujjayi-Atmung. So lange dich das ruhige Rauschen deiner Ujjayi-Atmung begleitet, kannst du dich weiter langsam an deine Grenze vortasten. Sobald du dich überforderst oder dich die Angst packt, wirst du bemerken, dass du in eine Pressatmung verfällst oder sogar das Gefühl hast, gar nicht mehr atmen zu können.

Wenn das Rauschen deines Atems angestrengt, laut und unregelmäßig ist, stehst du davor, dich zu überfordern. Erkenne und akzeptiere die Grenze von Herausforderung und Überforderung, lass dich davon jedoch nicht demotivieren. Nimm hier von neuem eine positive Einstellung gegenüber deiner Praxis ein. Du solltest die Situation als Herausforderung wahrnehmen, die deine Praxis spannend macht und bereichert. Wäre das Leben nicht langweilig, wenn wir alles schon wüssten und sofort könnten?


Young-Ho Kim ist in Südkorea geboren und mit der asiatischen Kampfkunst Taekwondo aufgewachsen. Zusätzlich übt er seit Jahren Yoga, betreibt in Frankfurt das Studio Inside Yoga und reist als Lehrer und Ausbilder durch ganz Europa.

Nachgefragt bei Patricia Thielemann

Ich bin Yogalehrer/In und unterrichte oftmals Klassen, die aus Anfängern und Fortgeschrittenen bestehen. Wie kann ich meinen Unterricht trotz unterschiedlicher Übungsniveaus erfolgreich gestalten?

Für einen Yogalehrer ist es auf jeden Fall eine Herausforderung, den unterschiedlichen Bedürfnissen von Anfängern und fortgeschrittenen Schülern in einer Klasse gerecht zu werden. Es ist Aufgabe des Lehrers, all denen, die über wenig Yogaerfahrung verfügen, ein solides Fundament zu vermitteln und Übende, die schon länger praktizieren, parallel ausreichend zu fordern.

Neueinsteiger leiden häufig unter Müdigkeit, Erschöpfung oder Rückenbeschwerden. Manche von ihnen glauben, dass im Yoga die gleichen Gesetze gelten wie im Sport. Dies führt dazu, dass sie sich bemühen, möglichst alles mitzumachen und „durchzuziehen“. Diese ehrgeizige, primär auf die äußere Form ausgerichtete Herangehensweise erhöht nicht nur die Verletzungsgefahr, auch der tiefere Sinn des Yoga geht dabei verloren.

Für den Anfänger ist es zuerst einmal wichtig, dass er sich eine solide Basis erarbeitet. Das erfordert Mühe und Konzentration. Der Lehrer darf den Unterricht deshalb nicht überladen. Er muss konkrete Anweisungen geben und die Schüler klar zu führen wissen. Darüber hinaus muss er selbstverständlich noch auf die Bedürfnisse des einzelnen Schülers eingehen. Es ist hilfreich, Schüler mit wenig Yogaerfahrung zusammen und möglichst in der Nähe des Lehrers zu platzieren. Für einen Anfänger steht das Erlernen der korrekten Atmung und die Genauigkeit bei der Ausführung der Asanas im Vordergrund. Ein erfahrenerer Schüler, der die Grundlagen beherrscht, will weiter. Er möchte die komplexeren Inhalte des Yoga verstehen, durch verschiedene Pranayama-Techniken und schwierigere Asanas mehr gefordert werden. Wie ein guter, erfahrener Bergführer sollte der Lehrer den fortgeschrittenen Schüler sicher zum Gipfel führen. Der Weg durchs Hochgebirge kann sich allerdings vertrackt gestalten.

Es ist entscheidend, dass der Lehrer genau weiß, in welchen Abschnitten der Stunde ein Schüler gefordert werden will, wo und wie die philosophischen Aspekte geschickt in den Unterricht eingeflochten werden können und an welchem Punkt eine getragene Stille das einzig Richtige ist. Die Klasse sollte deshalb gut strukturiert sein. Beschränkt sich ein Lehrer auf das Wesentliche, so ist er auch in der Lage, eine heterogene Klasse zu führen. Präzise und einfache Anweisungen in Bezug auf die Ausführung der Haltungen helfen dem Schüler mit wenig Vorerfahrung, werden den fortgeschrittenen Schüler aber trotzdem nicht behindern. Was den Schwierigkeitsgrad der Asanas anbelangt, so ist es sinnvoll, die einfachere Haltung immer zuerst zu nennen. Die für den Anfänger erreichbare Form wird so zum Vorbild. Anweisungen für fortgeschrittene Schüler folgen am besten danach. Die Anfänger sind dann bereits mit der für sie bestimmten Haltung beschäftigt und laufen nicht unnötig Gefahr, sich zu übernehmen. In den Phasen der Stunde, in denen der Anfänger mehr Aufmerksamkeit braucht, ist es gut dem fortgeschrittenen Schüler eine Haltung, die ihn fordert und Raum zum Experimentieren lässt, zu geben.

Betrifft eine Lektion eher den fortgeschrittenen Schüler, so ist es genauso wichtig, den richtigen Zeitpunkt dafür zu wählen. Im Idealfall, wenn eine etwas länger zu haltende Stellung für die Anfänger vorab etabliert wurde und sie damit beschäftigt sind.

Nicht allein der Unterrichtsinhalt ist wichtig, sondern eben auch wie und wann er vermittelt wird. Ist der Lehrer in seinem Ausdruck klar und bestimmt, so werden Schüler jeden Levels vom Unterricht profitieren und sich immer persönlich angesprochen fühlen.

Patricia Thielemann ist Yogalehrerin und Gründerin der renommierten Spirit Yoga Studios in Berlin. Die kommende Spirit Yoga-Lehrerausbildung mit internationalen Gastlehreren wie Max Strom, Rod Stryker und Mark Whitwell beginnt am 4. September 2009.

www.spirityoga.de

“Ich bin Yogalehrer/In und unterrichte oftmals Klassen, die aus Anfängern und Fortgeschrittenen bestehen. Wie kann ich meinen Unterricht trotz unterschiedlicher Übungsniveaus erfolgreich gestalten?“

Für einen Yogalehrer ist es auf jeden Fall eine Herausforderung, den unterschiedlichen Bedürfnissen von Anfängern und fortgeschrittenen Schülern in einer Klasse gerecht zu werden. Es ist Aufgabe des Lehrers, all denen, die über wenig Yogaerfahrung verfügen, ein solides Fundament zu vermitteln und Übende, die schon länger praktizieren, parallel ausreichend zu fordern.

Neueinsteiger leiden häufig unter Müdigkeit, Erschöpfung oder Rückenbeschwerden.

Manche von ihnen glauben, dass im Yoga die gleichen Gesetze gelten wie im Sport.

Dies führt dazu, dass sie sich bemühen, möglichst alles mitzumachen und „durchzuziehen“.

Diese ehrgeizige, primär auf die äußere Form ausgerichtete Herangehensweise erhöht nicht nur die Verletzungsgefahr, auch der tiefere Sinn des Yoga geht dabei verloren.

Für den Anfänger ist es zuerst einmal wichtig, dass er sich eine solide Basis erarbeitet. Das erfordert Mühe und Konzentration. Der Lehrer darf den Unterricht deshalb nicht überladen. Er muss konkrete Anweisungen geben und die Schüler klar zu führen wissen. Darüber hinaus muss er selbstverständlich noch auf die Bedürfnisse des einzelnen Schülers eingehen. Es ist hilfreich, Schüler mit wenig Yogaerfahrung zusammen und möglichst in der Nähe des Lehrers zu platzieren. Für einen Anfänger steht das Erlernen der korrekten Atmung und die Genauigkeit bei der Ausführung der Asanas im Vordergrund. Ein erfahrenerer Schüler, der die Grundlagen beherrscht, will weiter. Er möchte die komplexeren Inhalte des Yoga verstehen, durch verschiedene Pranayama-Techniken und schwierigere Asanas mehr gefordert werden. Wie ein guter, erfahrener Bergführer sollte der Lehrer den fortgeschrittenen Schüler sicher zum Gipfel führen. Der Weg durchs Hochgebirge kann sich allerdings vertrackt gestalten.

Es ist entscheidend, dass der Lehrer genau weiß, in welchen Abschnitten der Stunde ein Schüler gefordert werden will, wo und wie die philosophischen Aspekte geschickt in den Unterricht eingeflochten werden können und an welchem Punkt eine getragene Stille das einzig Richtige ist. Die Klasse sollte deshalb gut strukturiert sein. Beschränkt sich ein Lehrer auf das Wesentliche, so ist er auch in der Lage, eine heterogene Klasse zu führen. Präzise und einfache Anweisungen in Bezug auf die Ausführung der Haltungen helfen dem Schüler mit wenig Vorerfahrung, werden den fortgeschrittenen Schüler aber trotzdem nicht behindern. Was den Schwierigkeitsgrad der Asanas anbelangt, so ist es sinnvoll, die einfachere Haltung immer zuerst zu nennen. Die für den Anfänger erreichbare Form wird so zum Vorbild. Anweisungen für fortgeschrittene Schüler folgen am besten danach. Die Anfänger sind dann bereits mit der für sie bestimmten Haltung beschäftigt und laufen nicht unnötig Gefahr, sich zu übernehmen. In den Phasen der Stunde, in denen der Anfänger mehr Aufmerksamkeit braucht, ist es gut dem fortgeschrittenen Schüler eine Haltung, die ihn fordert und Raum zum Experimentieren lässt, zu geben.

Betrifft eine Lektion eher den fortgeschrittenen Schüler, so ist es genauso wichtig, den richtigen Zeitpunkt dafür zu wählen. Im Idealfall, wenn eine etwas länger zu haltende Stellung für die Anfänger vorab etabliert wurde und sie damit beschäftigt sind.

Nicht allein der Unterrichtsinhalt ist wichtig, sondern eben auch wie und wann er vermittelt wird. Ist der Lehrer in seinem Ausdruck klar und bestimmt, so werden Schüler jeden Levels vom Unterricht profitieren und sich immer persönlich angesprochen fühlen.

Patricia Thielemann ist Yogalehrerin und Gründerin der renommierten Spirit Yoga Studios in Berlin. Die kommende Spirit Yoga-Lehrerausbildung mit internationalen Gastlehreren wie Max Strom, Rod Stryker und Mark Whitwell beginnt am 4. September 2009.

www.spirityoga.de

Das Magazin // Januar + Februar 2010

Liebe Leserinnen und Leser,

 

Yogis bringen die Dinge einfach auf den Punkt. „Um zu überprüfen, wie weit wir auf dem Weg zur Erleuchtung fortgeschritten sind, brauchen wir nur eine Woche bei unseren Eltern zu verbringen“, sagte die Yoga-Lehrerin Yogeswari kürzlich auf einem Workshop. Zu unseren Wurzeln zurückkehren, um zu sehen, ob wir gewachsen sind: Das kann echte Herausforderungen bereit halten, uns einen glasklaren Spiegel vorhalten und sowohl Nest- als auch Fluchtimpulse auslösen. Eine interessante Rückkopplung entsteht, wenn wir selbst eine Familie gründen. „Heute kann ich verstehen, dass mich meine Eltern nicht immer verstehen konnten“, schreibt YJ-Autor Ralf Sturm, frischgebackener Vater einer Tochter, in seinem Artikel „Zeit für Dankbarkeit“ (S. 76).

Vor der Elternschaft stehen allerdings neun sehr besondere Monate. Um in den ersten Monaten der Schwangerschaft weiter an den lieb gewonnen Yoga-Stunden teilnehmen zu können, präsentieren die Jivamukti-Lehrerinnen Antje Schäfer und Magali Lehners ab S. 36 ein Special mit Übungs-Variationen für diese Zeit. Sich im Vertrauten verwurzeln, um Kraft für Neues zu schöpfen, ist auch ein Leitmotiv für die wunderbare Praxis-Strecke „Down To Earth“ (S. 62), die regelrecht zur Entspannung verführt – genau das, was wir im vermeintlichen Chaos des Alltags am meisten brauchen und was uns regelmäßig auf die Yogamatte bringt.

Die Themen dieses YOGA JOURNAL sind vor allem eines – gegensätzlich. Dem notwendigen Umdenken angesichts massiver Umweltprobleme steht die Sehnsucht nach fernen Reisezielen („Stress-Management im Lichtermeer“, S. 84) gegenüber. Vermutlich niemals würden sich die Utopisten aus Malwine Rafalskis Fotoserie „Holon“ (S. 32) mit ayurvedischen Ölen (S. 16) oder einem Ski-Trip (S. 88) verwöhnen. „Durch Verzicht kann man den Wert des Lebens neu erkennen“, sagt der Grenzgänger Reinhold Messner im YJ-Interview auf S. 24. Die meisten modernen Yogis sind jedoch alles andere als radikal, wie Diana Krebs in ihrem Artikel „Lok(h)a Samasta“ (S. 28) selbstironisch feststellt. Aber sind Grenzgänge nicht gerade im Yoga an der Tagesordnung, ein ständiges „Hanumanasana zwischen den Welten“? Diesen Titel gab YJ-Redakteurin Verena Hertlein ihrer Geschichte über Yoga und Business (S. 56): Ein Thema, dass uns als Yogis und Redaktion einer Yoga-Zeitschrift natürlich immer begleitet – und das fast schon ein Jahr. Nicht nur aus diesem Grund bedanke ich mich ganz herzlich bei allen, die 2009 zum Aufbau und zur Gestaltung des deutschen YOGA JOURNALS beigetragen haben, aber vor allem bei Ihnen, unseren Lesern und Leserinnen der ersten Stunde.

 

Ein frohes neues Jahr und weiterhin viel Spaß beim Lesen und Üben wünscht

die YOGA JOURNAL Redaktion.

 

TITELTHEMEN der Ausgabe Januar + Februar 2010:

 

– Special zur Schwangerschaft. Schwanger Yoga üben – Variationen für klassische Haltungen und Übungen nach der Geburt

– Kraft schöpfen – Sieben Übungen gegen Stress. Loslassen und Grenzen erweitern mit Restorative Yoga

– Krishna Das: Sehnsucht rettet Leben. Der Kirtan-Star über Musik, Hingabe, indische Kultur und MTV

– Julie Gudmestad: Anatomie ist spirituell. Die Anatomie-Expertin kombiniert Yoga und Physiotherapie

– Reinhold Messner: Sinn fällt nicht vom Himmel. Der Bergsteiger über Selbstbestimmung, Anarchie und Meditation

– Geschäftsidee Yoga. Hanumanasana zwischen zwei Welten

– Basics: Stabil in der umgekehrten Bretthaltung Purvottanasana

– Ayurveda To Go: Festliches Ayurveda-Menü

Im Flow mit der Natur und der ganzen Welt – Interview mit Twee Merrigan

Twee Merrigan Yogaworld

Während ihrer dreijährigen “Soul Connections Tour” brachte Twee Merrigan Prana Flow Yoga in die Welt. Analog zu ihrem fließendem Yogastil bildet ihr Nomaden-Leben die Basis für Verbindungen quer über den Globus – Engagement für zahlreiche Charity-Projekte inklusive. Interview mit Twee Merrigan, geführt von Monique Opetz. 

YOGA JOURNAL: Twee, Du nennst Deine Workshops “Fluid Power”. Spielst Du auf die Analogie zwischen Prana Flow Yoga und Wasser an?

Interview mit Twee Merrigan: Der Fokus liegt auf Wasser, weil ich finde, dass viele Yogastile regelrecht “austrocknen”, ähnlich wie bei Flüssen, die klimabedingt verschwinden. Vorgänge, die in der Natur geschehen, lassen sich auf Yoga übertragen – eben auch im negativen Sinne. Ich habe oftmals den Eindruck, Yoga ist im Konsum erstarrt. Dabei ist er doch konstant in Bewegung, er pulsiert regelrecht. Deshalb geht die Analogie über die Wasser-Verbindung hinaus: Fluid Power bezieht sich auf die gesamte Natur. Die Bewegungen im Prana Flow Yoga reflektieren die Elemente der Natur. In der gesamten Tier- und Pflanzenwelt sind wellenartige Bewegungen zu finden, die wir übernehmen.

Die Besonderheit von Prana Flow

YJ: Wie sieht das konkret auf der Matte aus?

TM: Bei uns laufen die Asana-Sequenzen nicht von A nach B – vom Aufwärmen über Rückbeugen Twists bis zu Vorwärtsbeugen – ab. Wir nehmen dagegen die Asanas wieder auf, kehren zu ihnen zurück. Das ist unser Prinzip, unsere “Wellen-Theorie”. Indem wir die Asanas wiederholen, steigen wir ein in eine wellenartige Bewegung. Es sind zwar die gleichen Haltungen – aber immer anders. Das Empfinden der Asanas verändert sich mit jeder Welle. Je nachdem, in was für einer Verfassung man sich befindet, wird die Praxis herausfordernder oder entspannter – abhängig von der entstehenden Energie. Nach der dritten oder vierten Welle kann der Körper schließlich sein volles Potential entfalten.

YJ: Du sagst, im Prana Flow-Yoga geht es nicht um die perfekte Ausführung der Haltungen.

TM: Richtig. Für mich ist es nicht wichtig, ob meine Schüler irgendwann ein perfektes gestrecktes Dreieck beherrschen. Es geht vielmehr darum, wie Prana Flow die innere Entwicklung der Person in einer Haltung fördert. Das wesentliche für mich ist, dass meine Schüler den Moment fühlen. Spüren sie den Zustand, in dem sie sich befinden? Sie sollen ihre Konzentration auf sämtliche Abläufe einer Asana richten. Wie komme ich hinein, wie ist es, wenn ich drin bin und wie fühlt sich das Auflösen der Position an? Was geschieht in diesen Momenten mit mir? Dieses ganz bei sich sein – das ist es, was ich bei meinen Schülern erreichen möchte.

Viele versuchen die perfekte Haltung zu erreichen und haben Schmerzen dabei. Sie sind genervt oder frustriert und warten darauf, dass ihr Körper die perfekte Asana beherrscht. Dieses Warten ist verschwendete Zeit und sollte auf keinen Fall das Ziel der Praxis sein. In meinen Stunden spielt deshalb Humor eine große Rolle – kombiniert mit Musik, Poesie, Gesang und Farben.

Farbsymbolik als Teil der Praxis – Interview mit Twee Merrigan

YJ: Du bittest Deine Workshop-Teilnehmer sich in weiß, grün oder blau zu kleiden – was steckt dahinter?

TM: Ich bin zwar kein Experte, aber die Wirkung von Farbtherapie auf die Psyche ist bewiesen. Meiner Meinung nach haben Farben Einfluss auf das gesamte Leben. Und da Leben für mich Yoga bedeutet und umgekehrt, finde ich sie sehr wichtig – speziell während des Übens. Das kennst du doch auch, oder? Du streichst dein Wohnzimmer gelb, und dann ist da diese warme Helligkeit, die dich gemütlich empfängt. Gelb hat eine bestimmte Frequenz, die deine Empfindungen positiv beeinflussen. Die Workshop-Farben sollen Assoziationen zur Natur hervorrufen und zusätzlich zu den Wellen-Bewegungen eine Verbindung zu ihr schaffen.

Kulturelle Vielfalt in die Yogapraxis einbauen

YJ: Du bist seit zwei Jahren auf deiner “Soul Connection Tour”, also ständig im Fluss. Wie beeinflusst das ständige unterwegs sein dein Yoga?

TM: (lacht) Oh, das ist eine komplexe Frage. Einerseits hat das Reisen mein Leben enorm bereichert. Zum anderen hat es mich bescheiden werden lassen. Es ist wie Michael Franti in einem seiner Songs beschreibt: “The more places I go, the less know”. Je mehr Länder, Orte, unterschiedliche Kulturen ich sehe, desto mehr wird mir klar, wie wenig ich weiß.
Ich hatte noch nie festgelegte Regeln oder Grundsätze, was Yoga angeht. Der konstante Fluss, in dem ich mich auf Reisen befinde, spiegelt sich in meinem Yoga genauso wie in meinem Unterricht wider. Ich habe vorher meistens keine Ahnung, was ich machen werde. Meine Stunden gestalte ich sehr intuitiv – abhängig von den Menschen, dem Ort und dem Moment.

Letztes Jahr war ich in Afrika bei den Massai. Von ihnen habe ich einen Tanz gelernt. Dabei galt: Je höher die Männer springen können, desto mehr Frauen bekommen sie. Diesen Tanz habe ich danach in meinen Unterricht eingebaut. So entwickeln sich großartige Verbindungen quer durch die Kulturen. Unser Atemkreislauf ist verbunden: Mein Ausatem ist dein Einatem und umgekehrt. Ich begegne so vielen Menschen mit tollen Ideen. Diese Erfahrungen schaffen Inspiration für andere. Damit diese Gedanken möglichst viele Menschen erreichen, trage ich sie weiter in andere Länder und Kulturen. Dieses Teilen schafft Verbundenheit und zeigt: Wir sind alle auf der gleichen Reise.

Reisende Yoglehrerin – Interview mit Twee Merrigan

YJ: Hast Du ein persönliches Ziel, dass Du während deiner Tour verfolgst?

TM: Nein, ich habe keinen Plan. Ich weiß, dass ich Menschen berühren kann, genauso wie ich schon oft berührt wurde. Die Verbindung von Herzen ist unbezahlbar – dass ist mein Ansatz, da steckt all meine Leidenschaft drin. Ich möchte Verknüpfungen schaffen und Menschen inspirieren, auf eine innere Reise zu gehen. Mein Ziel dabei ist es zu helfen, Energien frei zu setzen und sie zu kanalisieren, bevor sie auf der Strecke bleiben. Wenn diese Energien einmal freigesetzt sind, sollte man zuerst sich selbst damit Gutes tun und sie dann in die Welt tragen. Erst wer mit sich selbst im Reinen ist, kann auch anderen helfen.

Es ist wie in diesem Country-Song (singt) “Looking for love in all the wrong places, looking for love in too many faces.” Du hast ewig gesucht und dann bemerkst du auf einmal, dass die Liebe überall ist. Wie auch immer du es nennen magst – Gott oder die universelle Energie – es füllt dich und deine Umgebung komplett aus. Ich möchte den Menschen helfen, genau das zu entdecken. Wobei ich dieses Anliegen nicht nur auf mich beschränken möchte. Jeder ist dazu in der Lage, andere zu inspirieren. Selbst wenn du noch nicht weißt, was deine Gabe ist – bleib dran! Es ist wichtig, etwas zu tun und sich zu entwickeln, zu wachsen oder einfach nur bewusst zu sein.

YJ: Hast du dich inzwischen an Dein Nomaden-Leben gewöhnt?

TM: Nein, daran werde ich mich niemals gewöhnen.

YJ: Vermisst Du NY oder einen festen Platz, ein Zuhause?

TM: Im Moment habe ich tatsächlich keine eigene Wohnung mehr, ich zahle im wahrsten Sinne des Wortes nirgendwo Miete. Alle meine Möbel sind bei meinen Eltern. Ich lebe aus dem Koffer und reise mit wenig Gepäck. Nach und nach ist Yoga zu meinem Zuhause geworden. Obwohl ich ständig unterwegs bin und auch mein Yoga ständig im Fluss ist, bildet es für mich in dieser Hinsicht eine Konstante. Natürlich habe ich auch Momente, in denen ich traurig und frustriert bin, weil ich schon wieder packen muss. Aber das ist okay.

Ehrenamtiliches Engagemant für Hilfsprojekte

YJ: Ein weiteres Anliegen Deiner Tour sind die zahlreichen Charity-Projekt, die du unterstützt. Du engagierst dich für hilfsbedürftige Menschen und die Umwelt.

TM. Ja, das ist mein Mantra letztes Jahr geworden: “Was tust Du für die gute Sache?” Wir sind aufgerüttelt – mehr und mehr Menschen empfinden ein Bewusstsein für die Gemeinschaft der Selbstverwirklichung im kleinen und die Gesellschaft im größeren Rahmen. Sie fragen sich, was sie tun können. Auf meiner Reise erlebe ich unendlich viel Unterstützung und Begeisterung. Viele Schüler haben Projekte übernommen und weiter betreut.

YJ: Wie suchst Du die Projekte aus, die du unterstützt?

TM: An die gerate ich oft über Begegnungen mit Menschen, die mir davon erzählen oder sogar involviert sind. Es bleibt also nicht bei einem abstrakten Namen oder Orten, sondern ich weiß genau, wen ich unterstütze. Im ersten Jahr war das etwa der Kenya Education Fund, der Gründer ist ein Freund von mir. Das war übrigens der Grund meiner Afrika-Reise. Im Moment unterstützen wir Amnesty International. Wobei mein Team und ich nicht einfach nur Geld spenden. Wir besuchen die verschiedenen Projekte und helfen vor Ort, indem wir Yoga unterrichten. Erst kürzlich war ich beispielsweise auf Bali in einem Waisenhaus. Wir hatten soviel Spaß mit den Kindern – und sie mit uns. Vielleicht wird ja mal eines von ihnen ein begeisterter Yogi.


Twee MerriganTwee Merrigan Portrait Yogaworld, Prana Flow Senior Teacher, absolvierte ihre Ausbildung bei Yorigaj Alan Finger (ISHTA Yoga) in New York und bei Shiva Rea in Kalifornien. Seit 2007 Jahren reist Twee um die Welt und unterrichtet zahlreiche Workshops und Teacher Trainings. Twee engagiert sich aktiv in globalen und lokalen Projekten zur Unterstützung benachteiligter Menschen und der Umwelt. Dieses Interview mit Twee Merrigan wurde 2009 geführt.

Das Magazin // November + Dezember 2009

Liebe Leserinnen und Leser,

 

Yoga macht schön. Das ist überhaupt keine Frage. Der Körper wird kräftiger, flexibler und definierter, ebenso der Geist. Soweit die (wahren) Klischees und im allgemeinen die Motivation, mit dieser Praxis zu beginnen. Im Yoga liegt jedoch die Chance, dem Begriff der „Schönheit“ eine viel breitere Dimension zu geben.

Schönheit entsteht in Übereinstimmung mit sich selbst und anderen. Aus dieser wahren Individualität entsteht viel Raum: „Es interessiert mich nicht, alle Asanas perfekt zu beherrschen. Ich will mich nicht blockieren, sondern entfalten. Yoga sollte uns befreien, statt uns einzuschränken“, sagt Shiva Rea im Interview mit Melanie Vogel (S. 24).
Schönheit ist, sich die Fähigkeit zum Staunen zu bewahren: „Durch Yoga habe ich die meisten „Aha!“-Momente meines Lebens gehabt“, so David Life in Diane Andersons Beitrag „Forever Young“. Ab S. 50 beschreiben Yoga-Meister wie Patricia Walden („Je älter ich werde, desto mehr reite ich einfach die Welle“) und Sharon Gannon („Yoga ist der Zustand, in dem man nichts vermisst“) ihre Beobachtungen beim Älterwerden.

„Yogis sind Spezialisten für wahre Schönheit“: Das ist die Überzeugung der Verlegerin Angelika Taschen, die im November den inspirierenden Bild- und Reiseband „Great Yoga Retreats“ veröffentlicht. Und tatsächlich suchen wir uns wunderbare Orte zum Üben (S. 94), gehen hervorragend essen – Marlene Halsers Citytrip durch das vegane New York (S. 86) löst transatlantische Sehnsüchte aus – und erfinden Asanas wie die Hormon Yoga-Übung „Wellen der Schönheit“ (ab S. 58). Nicht ohne Grund wird Yoga mittlerweile auch in exklusiven Wellness-Salons angeboten. Im Day Spa des Berliner Hotel Adlon unterrichtet der Lehrer Vijay (S. 12) aus Rishikesh. Dessen Beauty-Rezept lautet: „Kümmere dich um die Wurzel, nicht die Baumkrone.“

Alles Geschmackssache, würde Sven Regener dazu sagen. Als erklärter Nicht-Yogi beschäftigt sich der Autor und Musiker im YJ-Interview ab S. 32 dennoch eindrucksvoll mit den essentiellen Dingen des Lebens. Auch das macht Yoga aus: Toleranz und Offenheit.
Yoga ist einer von vielen Wegen, um im umfassendsten Sinne jung und schön zu bleiben. Allerdings – davon sind wir überzeugt – einer der wirksamsten.

 

Viel Spaß beim Lesen, die YOGA JOURNAL Redaktion.

 

TITELTHEMEN der Ausgabe November + Dezember 2009:

  • Hormon-Yoga: Wirklich wirksam? Unterricht bei Dinah Rodrigues und Lalleshvari: Zwei Erfahrungen
  • Forever Young: Gelassen älter werden. Geheimrezepte von Yoga-Meistern wie Angela Farmer, Sharon Gannon und David Life und Gurmukh Kaur Khalsa
  • Shiva Rea: Yoga ist Freiheit. Hintergründe, Besonderheiten und Wirkungen von Prana Vinyasa Flow
  • Angelika Taschen: Yoga ist überall. Die Verlegerin über Traum-Retreats, Retreat-Träume und das Lebenselexier Schönheit
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“In der Rolle der Jägerin fühle ich mich zuhause”

Ihre Jugend war gezeichnet von Drogen und und sexuellem Missbrauch. Die Rettung für Ana Forrest waren Yoga und das Heilwissen der Indianer.

Ana Forrest hatte keinen einfachen Start ins Leben. Sexueller Mißbrauch, Prostitution und Drogensucht durchzogen ihre Kindheit und Jugend. Infolge dieser Traumata litt sie jahrelang an Bulimie, Alkoholsucht und Epilepsie. Heute, über 30 Jahre später, sind die Wunden von damals verheilt – auch dank einer inzwischen jahrzehntelangen Yogapraxis. Mit der düsteren Vergangenheit hat ihr jetziges Leben nichts mehr gemein: Wenn sie nicht in ihrem Studio, dem Forrest Yoga Institute in Santa Monica unterrichtet, bereist Ana die Welt oder genießt die Zeit auf ihrem Anwesen auf den Orcas Islands – „umgeben von Adlern, Enten und Schlangen“, wie sie schwärmt.

Du hast mit Yoga angefangen, als du 14 Jahre alt warst. Wie hat Yoga seither dein Leben verändert?

Früher war ich alles andere als gut zu mir: Ich habe geraucht und Alkohol getrunken, Drogen genommen. Als ich mit den Drogen aufhörte, verlagerte ich mein Suchtverhalten auf das Essen. Yoga und das Heilwissen der Indianer haben mir geholfen, meinem Leben Sinn und Richtung zu verleihen, anstatt mich weiter zu zerstören.

Welchen Einfluss hat der Schamanismus auf deine Praxis?
Ich habe fünfeinhalb Jahre lang in einem Indianerreservat in Inchelium, Washington, gelebt. Während einer Zeremonie hatte ich eine wunderschöne Vision: Meine Füße waren fest mit der Erde verwurzelt, meine Arme zum Himmel gestreckt – und aus meinen Händen und Füßen kamen Regenbogen, die einen Kreis um die Erde zogen. Da wurde mir klar, dass ich reisen muss, anstatt nur an einem Ort zu bleiben. Ich spürte das starke Verlangen, einen Beitrag für den Heilungsprozess aller Menschen zu leisten.

Wie hast du diese Vision in deine Yogapraxis integriert?

Wichtig ist, die Energie zum Fließen zu bringen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Chronische Schmerzen sind oft ein Anhaltspunkt für eine Energieblockade. Mit gezielter Atmung lässt sich Energie mobilisieren und damit auch der Schmerz beeinflussen.

Auf Yogakonferenzen sorgen deine Asana-Vorführungen immer wieder für Begeisterung. Was war die Motivation dafür, Yoga in dieser Form zu präsentieren?

Ich möchte die Menschen inspirieren. In normalen Yogastunden übt man viele grundlegende Asanas, wie Dreieck oder Krieger. Meine Präsentationen öffnen die Augen für einen ganz anderen Bereich voller Schönheit und Magie, der nicht unerreichbar ist. Yoga hat mein Leben auf wunderbare Weise verändert. Durch die Demonstrationen bei den Konferenzen möchte ich das, was Yoga mir gegeben hat, weitergeben – fast so, als würde ich magischen Staub verstreuen . . .

Sie haben viel Gewalt erlebt, aber Ihren Sinn für Humor bewahrt…
In meinem Leben gibt es jetzt sehr viel Liebe. Das ist umso bemerkenswerter, weil sie früher praktisch nicht existierte. Ich weiß inzwischen einfach, dass es einen Grund gibt, warum ich hier bin. Der seelische Reichtum, den ich über die Jahre erworben habe, macht mich glücklich und dankbar. Ob ich herausgefunden hätte, was im Leben wirklich zählt, wenn ich es von Anfang an leicht gehabt hätte, weiß ich nicht. Alles, was ich weiß ist, dass mein Weg mich dorthin geführt hat, wo ich jetzt bin. An diesem Ort fühle ich mich sehr wohl.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Was findet sich aktuell in Ihrem Kühlschrank?

Elch und Büffel. Ich esse seit einiger Zeit nicht mehr vegetarisch, weil ich für mich erkannt habe, dass es mir mit Fleisch besser geht. Vor dem Essen zu beten und mich dafür zu bedanken, hat mir bei der Heilung meiner Bulimie geholfen und ist eine Angewohnheit, die ich bis heute beibehalten habe. Egal, ob es nun Brokkoli oder Wild ist: Ich bedanke mich dafür, dass es sein Leben gelassen hat, damit ich leben kann.

Haben Sie den Elch selber erlegt?
Im Reservat haben wir Hasen, Elche und Wild gejagt. Die Rolle der Jägerin fühlt sich für mich stimmig an. Auch wenn ich unterrichte, ist diese Energie präsent: Ich ermuntere meine Schüler, sich auf die Jagd nach dem zu begeben, was in ihnen ist.

Interview: Janelle Brown

 

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