Danny Paradise ist eines dieser Urgesteine in der westlichen Yogatradition, die weder eine orange Robe noch einen meterlangen Bart brauchen, um Aufsehen zu erregen. Im Gegenteil: Er trägt Shorts mit aufgedruckten Hawaiiblumen, die das Gefühl vermitteln, er sei nur eben auf einen Sprung zum Unterrichten vorbeigekommen, habe danach aber noch ein Date mit dem Meer. Seine wilden Haare sind mit einem Stirnband gezähmt, seine Augen wach und voll Abenteuerlust. Vom 14. bis 16. Oktober war er für einen Workshop zu Gast im Jivamukti-Studio in München – und YJ-Redakteurin Laura Hirch war mit dabei.
In unserer Ausgabe März/April 2011 hatte mich das Interview mit ihm besonders inspiriert und hier sitze ich nun auf meiner Matte und lausche seinem Vortrag über Schamanismus, Freiheit, Evolution und Ashtanga Yoga. “Ashtanga Yoga…”, denke ich ehrfurchtsvoll und Bilder von überaus disziplinierten Yogis mit stählernen Muskeln, die scheinbar ohne Mühe akrobatische Höchstleistungen vollbringen, schießen in meinen Kopf. Mit mulmigem Gefühl im Bauch überlege ich kurz, warum genau ich mich noch mal für den Workshop angemeldet habe? Ach ja, ich wollte Danny hautnah miterleben. Und wie ich ihn so wie Tarzan im perfekten Lotussitz auf seiner Decke sitzen sehe – ruhig, ausgeglichen und bereit, uns sein angesammeltes Wissen zu offenbaren – werde auch ich innerlich wieder ausgeglichener.
Das Ehepaar David Williams und Nancy Gilgoff entfachte im Jahre 1976 bei Danny das Feuer für Ashtanga Yoga. Aber nicht nur Yoga hat ihn auf seinem Lebensweg geprägt, sondern auch sein aus einem absoluten Freiheitsgedanken resultierender Reisedrang und das Zusammenleben mit amerikanischen Ureinwohnern. Hier wurde ihm auch sein Wissen über Schamanismus zuteil. „In der schamanistischen Heilkunst ist die oberste Prämisse, zuerst sich selbst zu heilen. Dann erst kommen die anderen“, betont der Medizinmann und erklärt zugleich den Zusammenhang zwischen Yoga und Schamanismus: „Yoga ist eine schamanische Praxis. Wer Yoga übt, wird lernen, sich selbst zu heilen und ein höheres Bewusstsein zu entwickeln für die Dinge, die außerhalb der üblichen Wahrnehmung stattfinden. Yoga ist eine Möglichkeit, die Grenzen der Wahrnehmung zu sprengen und mit dem höheren Selbst, der Seele, der Natur in Kontakt zu treten. Dies ist das Ziel jeder schamanischen Methode.“
Pranayama ist alles
Wir beginnen den körperlichen Teil des Workshops mit einer halben Stunde Pranayama. Danny warnt uns vor, uns bei aufkommendem Schwindel flach hinzulegen. Immerhin steigert sich das Lungenvolumen erst bei konstantem Atemtraining. Sequenzen verschiedenster Atemtechniken wie Nadi Shodana (abwechselnde Nasenflügelatmung) folgen aufeinander und enden in einer kühlenden Variation. Nach der halben Stunde hab ich nicht nur das Gefühl, meine Lungenflügel ordentlich geweitet zu haben, sondern auch mein Gehirn: Meine Gedanken wirken geordneter und mein Geist freut sich fast auf die folgenden Asanas.
Nach einer Zwischenpause in Savasana begrüßen wir den Nachmittag mit einigen Sonnengrüßen. Das Tempo und die Art der Übungen sind herausfordernd, aber zu meistern. Ich traue mich an Übungen ran, die ich noch nie zuvor probiert habe und freue mich über kleine Erfolge. Danny muntert uns immer wieder auf und demonstriert einige Übungen selbst – wie ich’s mir bereits im Kopf ausgemalt hatte – mit spielender Leichtigkeit.
Erschöpft aber glücklich
Ihm ist es ein Anliegen, uns in aller Ruhe und ohne Hetze einen tieferen Einblick in seine Welt zu verschaffen – und überzieht den Workshop glatt um eine Stunde. Am Ende bin ich so beweglich und dehnbar wie nie zuvor, komme selbst mit Leichtigkeit in Hanumanasana und fühle mich zwar für den Rest des Abends erschöpft, aber glücklich.
Isabella Furtado, Inhaberin von Ashtanga Yoga Modena, ist extra wegen Danny Paradise aus Italien angereist: „Ich wollte ihn unbedingt kennen lernen, weil er einer der wenigen Menschen auf der Welt ist, die noch traditionelle Positionen der alten Ashtanga-Schule aus Mysore übermitteln. Utthita Hasta Padangustasana C, bei der das Bein zum Kopf gezogen wird, nicht der Kopf zum Bein, ist so eine. Außerdem mag ich, dass er so ein Freigeist ist! Ich persönlich mag Menschen, die Yoga in einer sehr freien Art und Weise betreiben und nicht strikten Regeln folgen. Man sollte nicht nur in den Muskeln flexibel sein, sondern vor allem in seinem Geist.“