Was macht eine perfekte Sommersequenz aus? Die Kölner Yogalehrerin Nicole Bongartz schlägt uns eine unwiderstehliche Kombi vor: Kraft, Frische, Energie und richtig gute Laune – das ist der Creative Summer Flow.
Im Sommer geht es uns meistens so richtig gut: Die Wärme macht den Körper geschmeidig, die viele frische Luft wirkt belebend und das Licht versetzt uns in gute Laune. Das kann man sogar wissenschaftlich belegen: Trifft Sonnenlicht auf unsere nackte Haut, dann schüttet der Körper vermehrt Endorphine aus, also Glückshormone. Dazu gehört unter anderem Serotonin. Dieses Hormon ist für viele komplexe Abläufe im menschlichen Körper zuständig, es wird auch als Aktivitätshormon oder als Botenstoff des Glücks bezeichnet. Es steigert das allgemeine Wohlbefinden, reguliert den Zuckerstoffwechsel und kann sogar depressive Verstimmungen, Stress und Ängste vertreiben. Wir sind also unsere eigenen Drogenlieferanten und das ganz legal. Neueste Studien belegen sogar, dass wir im Sommer freundlicher und mitfühlender sind als in dunkleren, kälteren Jahreszeiten. All das wollen wir jetzt auch in unserer Yogapraxis spüren: Wir freuen uns an unserer Lebendigkeit, Kraft und Beweglichkeit, wollen dabei aber nicht allzu viel Hitze im Körper erzeugen.
Nicole Bongartz: Sommerliche Yoga-Sequenz für mehr Energie und Frische
Genau für diese Balance hat Nicole Bongartz diesen Summer Flow zusammengestellt: Stehende Positionen treffen auf Asanas im Sitzen und Liegen, Seitbeugen auf Twists und Rückbeugen auf Vorwärtsbeugen. So schenkt uns die Sequenz Kraft und Energie, ohne zu herausfordernd oder zu erwärmend zu sein. Nimm dir vor dem Üben etwas Zeit, um bei dir anzukommen: Wie geht es dir? Was brauchst du heute? Und worum könnte es beim Üben vor allem gehen? Setze dir eine kraftvolle Intention für diese Praxis. Atme tief und stellen dir vor, dass du diese Intention Atemzug für Atemzug in jede deiner Zellen hineinatmest. Dann starte deine Praxis in der symmetrischen Ausgangsposition des herabschauenden Hundes (Adho Mukha Shvanasana).
1. Der mitfühlende Held: VIPARITA VIRABHADRASANA
Setze aus dem herabschauenden Hund einatmend den linken Fuß nach vorne und drehe den rechten Fuß schräg. Mit einer weiteren Einatmung richtest du dich auf und hebst die Arme seitlich auf Schulterhöhe. Ausatmend beugst du das vordere Bein zum Krieger 2 (Virabhadrasana 2). Dann hebst du, wiederum einatmend, den linken Arm lang neben dein Ohr und beugst dich ausatmend nach rechts, also über das hintere Bein. Beuge beide Arme und hake die Finger ineinander. Diese Armhaltung führt zu einer intensiveren Dehnung der linken Flanke, sie streckt sich von der Taille bis zum Ellenbogen in die Länge. Lenke deine Aufmerksamkeit bewusst in diesen erweiterten, neu entstandenen Raum. Stelle dir vor, dass du das Sonnenlicht und die Wärme in deinen seitlichen Brustkorb hineinatmest. Verweile etwa 5 tiefe, kraftvolle Atemzüge lang in der Haltung, dann machst direkt weiter mit Übung 2.
2. Der gestreckte seitliche Winkel: UTTHITA PARSHVAKONASANA
Kehre mit einer Einatmung zurück in den Krieger 2, ausatmend findest du in den gestreckten seitlichen Winkel: Dazu platzierst du die linke Hand außen neben dem linken Fuß (gerne auch erhöht auf einem Block) und ziehst den rechten Arm lang neben das Ohr. Spüre auch in dieser Haltung die Weite und Durchlässigkeit im Oberkörper, gleichzeitig Kraft und Stabilität in den Beinen. Um das noch zu unterstützen, stellst du dir eine unsichtbare Verbindung vor, die von der Innenseite des Schambeines bis zur Innenseite des vorderen Knies
verläuft. Strecke diese imaginäre Linie, indem du das Knie zum zweiten und dritten Zeh hin ausrichtest und gleichzeitig den äußeren Oberschenkel zum Körper hinschmiegst. Außerdem drückst du die Mitte der Ferse deutlich gegen den Boden. Als kleines I-Tüpfelchen ziehst du sanft dein Steißbein nach unten und nutzt diesen Impuls, um die Brust mehr und mehr dem lichten Sommerhimmel zuzuwenden. Spüre: Du bist stark und geerdet und breitest dich kraftvoll in den Raum hinein aus. Nach etwa 5 Atemzügen gehst du weiter zu Übung 3.
3. Vorwärtsbeuge aus der Grätsche: PRASARITA PADOTTANASANA
Jetzt wird es Zeit für eine kleine Abkühlung: Lasse den oberen Arm über vorne sinken und wandere mit beiden Händen zwischen die Beine. Drehe die Füße parallel und richte dich in einer breiten Vorwärtsbeuge ein. Greife einatmend um deine Knöchel oder Waden und strecke die Wirbelsäule. Die Kraft der darauf folgenden Ausatmung nutzt du, um die Vorwärtsbeuge etwas zu vertiefen. Dabei breitest du die Ellenbogen zu den Seiten aus und bewegst die Schultern weg von den Ohren, sodass dein Nacken weich und entspannt bleiben kann. Strecke die Beine, indem du die Kniekehlen nach oben und unten verlängerst (anstatt sie nach hinten zu drücken). Gleichzeitig hebst und weitest du die Sitzknochen. Wenn du sehr beweglich an den Beinrückseiten bist, dann ziehst du das Steißbein nun ganz minimal zwischen die Fersen. Atme tief und bewusst und genieße die innere Ruhe, die dich in dieser Haltung nach einigen Atemzügen durchströmt. Dann löst du den Griff und stützt dich mit den Händen am Boden auf, um von hier aus in eine sitzende Grätsche zu kommen.
4. Seitliche Kopf-zu-Knie-Haltung: PARSHVA JANU SHIRSHASANA
Nachdem wir alles gut gedehnt und gekräftigt haben, kommen wir nun zu der wahrscheinlich intensivsten Position der Sequenz. Hier findet alles bisher Geübte zusammen: Wir brauchen die gedehnten Beinrück- und -innenseiten für unsere aufrechte Sitzhaltung mit gestreckten Beinen; dazu kommen die mobilisierte Hüfte für die Außenrotation des angewinkelten Beines und natürlich die Seitneigung der Wirbelsäule. Aus dem breit gegrätschten Sitz winkelst du das linke Bein an und ziehst die Ferse zum Schambein. Wenn es dir schwerfällt, in dieser Sitzhaltung das Becken aufzurichten, dann setze dich erhöht auf eine gefaltete Decke und/oder du beugst das ausgestreckte Bein etwas. Mit einer Einatmung streckst du nochmals die Wirbelsäule lang, ausatmend drehst du dich nach links zum gebeugten Bein. Wiederum einatmend hebst du den linken Arm und legst den rechten Handrücken an die Innenseite des rechten Beins. Ausatmend lässt du den Oberkörper langsam nach rechts sinken, dabei gleitet die untere Hand an der Beininnenseite Richtung Fuß. Gehe nur so tief in die Seitbeuge, wie du auch die untere Flanke lang halten kannst. Dabei nutzt du weiter die Kraft der Atmung: Mit jeder Einatmung streckst du dich sanft vom Beckenboden bis in die Krone des Kopfes, ausatmend drehst du das Herz behutsam etwas weiter Richtung Himmel. Nach etwa 5 Atemzügen richtest du dich mit einer Einatmung wieder achtsam zum Sitzen auf und gehst weiter zu Übung 5.
5. Rockstar oder: WILD THING
Setze mit einer Ausatmung die linke Hand hinter deinem Kreuzbein am Boden oder auf einem Block auf. Einatmend hebst du den rechten Arm und drückst dich von der aufgestützten Hand aus ab. Schiebe das Becken nach vorn und hebe dein Herz der Sonne entgegen. Atme tief, spüre deine Energie und genieße deine Kraft und Beweglichkeit – diese Haltung nennt sich nicht umsonst Rockstar oder Wild Thing. Wenn du deine Stützhand in den Boden schraubst, kannst du dein Schulterblatt noch etwas dichter an den Rücken schmiegen. Spüre die dadurch entstehende Stabilität und Weite im Herzraum 3 weitere Atemzüge lang. Dann senkst du mit einer Ausatmung dein Becken wieder ab und machst weiter mit Übung 6.
6. Drehsitz: ARDHA MATSYENDRASANA
Ziehe nun das ausgestreckte rechte Bein angewinkelt zur Brust und stelle den Fuß an die Außenseite des linken Beines. Erde beide Sitzknochen und strecken dich einatmend in deine Längsachse. Dabei schiebst du das Kreuzbein etwas dichter an den Körper und richtest die Lendenwirbelsäule in deine natürliche Wölbung auf, ohne dabei die Rippen nach vorne zu schieben. Setze die rechte Hand hinter dem Körper auf den Boden oder einen Block. Mit der nächsten Ausatmung drehst du dich nach rechts zum aufgerichteten Knie. Lege den linken Arm locker um das rechte Bein und nutze diesen Halt als kleine Unterstützung, um die Aufrichtung in der Wirbelsäule beizubehalten. Wenn dir die Drehung sehr leicht fällt, kannst du auch wie auf dem Foto gezeigt den Ellenbogen des linken Arms an die Außenseite des rechten Beins legen. Atme weiterhin tief. Jede Einatmung hilft dir bei der Aufrichtung, jede Ausatmung kannst du nutzen, um sanft etwas tiefer in die Drehung zu finden. Nach 5-8 Atemzügen löst du die Drehung behutsam auf, um mit Übung 7 weiterzumachen.
7. Boot mit gekreuzten Füßen: NAVASANA, VARIATION
Stütze dich mit beiden Händen hinter dem Körper auf, um die Drehsitzhaltung aufzulösen und beide Beine lang nach vorne auszubreiten. Erde deine Sitzknochen und richte die Wirbelsäule lang auf. Dann beugst du die Knie, verlagerst das Gewicht hinter die Sitzknochen und löst die Füße vom Boden. Kreuze den rechten Fuß über den linken und strecke beide Beine schräg nach oben. Die gekreuzten Beine aktivieren die Beininnenseiten, so bekommt die Position etwas mehr Stabilität und die Rumpf- und Beckenboden-Muskulatur erfährt eine schöne Unterstützung durch die Adduktoren. Wenn möglich verzichte auf die Stütze der Hände und strecke die Arme wie auf dem Foto lang nach vorn. Lasse deinen Herzraum erstrahlen, während du gleichzeitig zentriert und stark in deiner Mitte verweilst. Bleibe gerne einen Atemzug länger in der Haltung, als es dir leicht fällt.
Übergang zur Wiederholung
Senke die Beine, ziehe die gekreuzten Knöchel dicht zu deiner Sitzfläche heran, stütze die Hände vor dem Körper auf und rolle über die Füße in einen Vierfüßerstand. Von dort kehrst du zurück in die Ausgangsposition für Übung 1, den herabschauenden Hund. Bleibe einige Atemzüge lang im Hund und lasse die bisherige Praxis nachwirken. Sobald dein Körper sich bereit anfühlt, wiederholst du die gesamte bisherige Sequenz seitenverkehrt.
8. Schulterbrücke: SETU BANDHASANA
Wir beenden die Praxis wieder mit einer geschlossenen, symmetrischen Position. Dazu stellst du aus der Rückenlage die Füße vor die Sitzknochen und legst die Arme mit zum Boden zeigenden Handflächen dicht an den Körper. Schiebe die Füße fest gegen die Matte und rolle die Wirbelsäule mit einer Einatmung Wirbel für Wirbel nach oben, bis dein Körpergewicht von Füßen, Armen, Schultern und Hinterkopf getragen wird. Achte darauf, dass die Nase zur Decke zeigt und der Nacken entspannt bleibt. Wenn du lieber sanft und mobilisierend abschließen möchtest, dann hebe und senke Brust und Becken nun dynamisch mit der Atmung: Einatmend rollst du nach oben und ausatmend nach unten. Eine kraftvollere Wirkung und mehr Herzöffnung erzielst du, wenn du 5 tiefe Atemzüge lang in der Position verweilst. Dazu kannst du die Schulterblätter noch etwas dichter zueinander schmiegen und die Hände wie auf dem Foto gezeigt unter dem Körper verschränken.
Abschluss der Yogapraxis
Ziehe die Knie zur Brust und massiere deinen Rücken etwas, indem du sanft hin und her rollst oder kreist. Dann legst du dich lang auf den Rücken und breitest die Arme und Beine leicht vom Körper abgewinkelt am Boden aus. Lasse die Handflächen nach oben zeigen und die Füße nach außen sinken. In dieser Ruhestellung, Savasana, entspannst du dich etwa ein Zehntel der Zeit, die du aktiv geübt hast.
NICOLE BONGARTZ ist Gründerin und Inhaberin von Lord Vishnus Couch in Köln. Die von ihr initiierte Yoga Conference zählt zu den renommiertesten und größten Yoga-Events in Deutschland. Nicoles Yogaunterricht lässt sich nicht so leicht einem bestimmten Stil zuordnen – die Stunden sind so bunt, lebendig und fröhlich wie sie selbst. vishnuscouch.de
Sie dir den Sommer-Flow für Kraft und Frische im Video an:
Namaste,
ich bin sehr begeistert von dem wunderbaren Video mit Kerstin nach den Sommer Flow Übungen von Nicole Bongartz ! Sehr inspirierend finde ich auch die schöne Musik. Gibt es eine Playlist für die verwendeten Titel im Video?
Liebe Grüsse
Denise Winkler