Yoga ist für alle – das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber stimmt das überhaupt? Bleibt – zumindest hier bei uns – nicht ein bestimmtes Milieu ziemlich unter sich? Wenn ja, dann wird es höchste Zeit, das zu ändern!
Die gute Nachricht ist: Noch nie haben so viele Menschen Yoga geübt wie heute. In Ländern wie Kenia mag die Praxis noch wenig bekannt sein, aber im Westen ist der Boom schon seit Jahrzehnten ungebrochen. Allein in Deutschland sind es laut der BDY-Studie von 2019 schon 5 Prozent der Bevölkerung, unglaubliche 3,4 Millionen Menschen. Der Begriff “Volkssport” taucht also nicht ohne Grund immer öfter auf. Zumal es auch immer mehr Angebote für besondere Bedürfnisse gibt, zum Beispiel für Späteinsteiger, Übergewichtige, in der Reha, bei Depressionen oder Essstörungen. Kaum ein Monat, in dem keine wissenschaftliche Studie zu den vielfältigen positiven Wirkungen der Praxis erscheint. Kein Wunder also, dass Yoga immer weiter wächst.
Aber wächst Yoga wirklich in die Breite der Gesellschaft hinein, oder begeistert die Praxis nur immer mehr Menschen, die sich auf eine bestimmte Art ziemlich ähnlich sind? Gebildeter als der Durchschnitt, körperbewusster und womöglich auch beim Geldbeutel oder dem gesellschaftlichen Standing ein bisschen privilegierter?
Yoga – Eine Spielwiese der Öko-Bourgeoisie?
Wenn man Nicht-Yogis fragt, dann wird man diesen Verdacht vermutlich bestätigt bekommen. Das Klischee, das da schnell mal auftaucht, ist die SUV-fahrende Yoga-Barbie, die sich auf dem Weg ins Studio ihre Soja-Latte-to-go shoppt. Ungerecht, überzogen, fies, na klar – aber muss es uns nicht zu denken geben, dass solche Klischees überhaupt so weit verbreitet sind? Wenn Yoga in den Medien vorkommt (und das tut es immer häufiger), dann zeigt man im Boulevardblatt Fotos von Promis mit der Yogamatte unterm Arm, in TV-Filmen verknallt sich die gelangweilte Unternehmergattin in ihren gut gebauten Yogalehrer und in den meinungsbildenden Zeitungen wird darüber hergezogen, dass sich das “Selbstverwirklichungsmilieu” in Weltflucht und Nabelschau ergeht, während die Welt am
Rand des Kollaps steht. Wie gesagt Klischees, aber wie viel Wahres ist dran an diesem Bild von Yoga als einer Spielwiese der gebildeten, aber selbstvergessenen Öko-Bourgeoisie?
Zumindest in statistischer Hinsicht mehr, als uns lieb sein kann: Alle aktuellen Studien zur Verbreitung von Yoga sind sich einig, dass Yogis besser gebildet sind und in “angeseheneren” Berufen arbeiten als der Bevölkerungsdurchschnitt. Laut BDY-Studie bilden Beamte und Selbstständige unter den Yogis die größte Gruppe. In unserer letzten Befragung 2016 gaben 75 Prozent unserer Leserinnen und Leser an, Abitur zu haben. Fast die Hälfte waren Akademiker. Wie sich solche Zahlen im Alltag ausdrücken, wirst du vermutlich in deiner eigenen Yogastunde erleben: Eher unwahrscheinlich, dass du dort deiner Briefträgerin begegnest oder Matte an Matte mit deinem Automechaniker übst.
Vielleicht nicht teuer, aber elitär
Was dagegen so nicht zuzutreffen scheint, ist die Sache mit dem dickeren Geldbeutel. Die Daten dazu sind widersprüchlich, aber die Lehrerin, die Künstlerin und die Physiotherapeutin in meinem Yogakurs fahren alle nicht im SUV vor oder fliegen zum Yoga-Retreat auf die Seychellen. Vielen graut es (genau wie mir) vor der jährliche Rentenvorhersage, aber trotzdem kaufen sie bio und würden ihren Yogakurs nicht infrage stellen. Der muss in keinem schicken Ambiente stattfinden, Hauptsache er findet statt – und sei es ganz kostengünstig an der Volkshochschule, im Sportverein oder Gemeindezentrum.
Nicht nur die gibt es inzwischen fast flächendeckend, viele Yogalehrerinnen unterrichten auch für kleines Geld in ihrem Wohnzimmer und sogar eher teure Yogastudios machen es oft möglich, dass Studenten oder Alleinerziehende üben können, ohne sich jede Stunde vom Mund absparen zu müssen.
Das Image von Yoga
Zumindest finanziell spricht also nicht allzu viel dagegen. Trotzdem bleiben wir “besser Gebildeten” und ökobewussten “Selbstverwirklicher” in den meisten Yogakursen ziemlich unter uns. Auch hinsichtlich Alter, Geschlecht und Fitness sind die Gruppen oft viel homogener als statistisch plausibel. Deshalb müssen wir uns schon fragen, wie offen (oder ausgrenzend) die Yoga-Community in Wirklichkeit ist.
Begrüßt die Mitarbeiterin am Empfang eines hippen Studios eine übergewichtige Mitfünfzigerin in Schlabberhosen genauso vorurteilsfrei und freundlich wie einen athletischen Studenten? Wäre der vorhin genannte Automechaniker meinen Yogafreundinnen und mir wirklich in unserer Mitte willkommen? Die Antwort kratzt womöglich an unserem liberalen Gutmenschen-Selbstbild. Sich selbst und anderen offen und vorbehaltlos begegnen, ein wertschätzendes Miteinander auch da pflegen, wo vielleicht Berührungsängste aufkommen – an dieser Stelle gibt es sicher noch viel Verbesserungspotenzial.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns diesen Situationen überhaupt stellen müssen, bisher erschreckend gering. Denn umgekehrt ist die Hemmschwelle vielleicht noch viel höher. Viele Menschen sind entweder davon überzeugt, dass Yoga nicht zu ihnen passt, oder – noch schlimmer – dass sie nicht zu Yoga passen: zu unsportlich, zu unbeweglich, zu wenig dem Bild der Fitten, Schönen und Reichen entsprechend, das man mit Yoga zu Unrecht (aber allzu oft auch unwidersprochen) assoziiert. Damit wären wir wieder beim Image, das Yoga hat – oder vielmehr: in den letzten Jahren bekommen hat.
Kampf dem Klischee
Noch in den 1970er-Jahren nämlich war “Yoga für Yeden”, wie sich eine populäre ZDF-Sendereihe damals nannte. Man übte in Turnhallen, auf Schafwollmatten und in bequemen Freizeithosen, und wer mitmachen wollte, war drin in der Yogawelt. Das Image damals: Irgendwas mit Gymnastik, Räucherstäbchen und Sinnsuche, womöglich etwas abstrus, aber mit Sicherheit nicht exklusiv oder elitär.
Was also hat sich seither verändert? Sehr viel und im Grunde doch nur wenig. Die Praxis mag zwischenzeitlich mal athletischer geworden sein, die Stile vielfältiger, die Bilder gestylter und die Vermarktung (wie überall) aggressiver – aber noch immer üben wir mit derselben Leidenschaft und Ernsthaftigkeit wie damals. Wer erst mal wirklich auf den Yoga-Weg eingebogen ist, wird sich nicht mehr so leicht verfangen in den vermeintlichen Erwartungen davon, wie Yoga auszusehen hat oder wie wir beim Yoga aussehen müssen. Es ist also an uns, der Welt das zu vermitteln, was die Yogalehrerin Claudia Korsten-Ring so schön auf den Punkt bringt: “Niemand muss sich in die Yoga-Vorzeige- Models aus den Büchern und Zeitschriften verwandeln, sondern genau umgekehrt: Yoga passt sich dem Menschen an und dann wird es Yoga für alle.”
Genau das geschieht derzeit überall und auf ganz verschiedene Weise – und es wird auch immer sichtbarer. Es ist wunderbar, dass eine Yogalehrerin wie die schwarze, dicke Jessamyn Stanley heute so viele Menschen inspiriert, dass in Gefängnissen geübt wird, in Altersheimen, Kliniken, Schulen und Büros. Gleichzeitig (und auch hier wird leider oft zu schnell gewertet) können aber auch schicke Studios und schöne Instagram-Yogafrauen eine tiefe, ernsthafte Praxis pflegen und vermitteln. Yoga ist schon jetzt so viel bunter, offener und vielfältiger, als das Mainstream-Klischee glauben machen will. Das zu fördern, zu leben und auch nach außen noch viel sichtbarer zu machen, ist jetzt unsere Aufgabe. Doch wir meinen, dass wir auf einem guten Weg sind.
Meinungen von Yogalehrerinnen und Yogalehrern
Emma Warmington
Wenn Emma Warmington Yogalehrer ausbildet, dann vergibt sie immer auch ein oder zwei Freiplätze, zuletzt an zwei junge Männer aus Uganda. Aber „Yoga für alle“ bedeutet für die irische Heart-of-Yoga Ausbilderin noch viel mehr als das … „Wollen wir wirklich etwas ändern an der Tatsache, dass Yoga hauptsächlich von privilegierten Menschen geübt wird? Ja, das wollen wir, und das können wir auch! Allerdings ist es garnicht so einfach, wenn die moderne Yogaindustrie von einer gigantischen Marketingmaschine angetrieben wird, die mit ihren Bildern festschreibt, was Yoga angeblich ist: schlanke, bewegliche, wohlhabende und in schicke Spandex-Höschen gewandete Menschen, die einschüchternde Posen ausführen.
Der Dalai Lama hat mal gesagt, westliche Frauen würden einst die Welt retten. Auch Yoga ist dafür sicher ein guter Ansatz, aber ich frage mich, was machen wir draus? Wie viel von dem, was wir unterrichten, ist überhaupt zugänglich? Nicht nur für jeden Körper, sondern auch für jeden Geldbeutel und jeden Background! Da sollten wir als Yogalehrende ansetzen: Mit bezahlbaren Angeboten, mit einfachen, vom Atem geleiteten Übungen, angepasst an Alter, Gesundheit und Kultur. Vor allem aber, indem wir bitte, bitte endlich damit aufhören, Körper zu glorifizieren, nur weil sie eine bestimmte Form erfüllen. Asanas vermitteln nicht mal die leiseste Ahnung davon, wie sehr Yoga unser Leben in Wirklichkeit beeinflussen kann.
Von dieser Botschaft müssen wir die Menschen überzeugen: Ja, auch du kannst Yoga üben und das bedeutet nicht, dass du deinen Körper optimierst. Vor allem kannst du lernen innezuhalten, deinem inneren moralischen Kompass zu folgen und in eine echte Verbindung zu treten – mit dir, mit anderen Menschen und mit dem Leben, so brutal und schön, so schmerzhaft und perfekt es eben ist. Das ist der goldene Faden, den Yoga für uns spinnt.“
jivaniyoga.com
Gudrun Kromrey
Erst Mitbegründerin der Taz, dann Chefin einer PR-Agentur und heute Yogalehrerin in einem friesischen 1500-Seelen-Dorf: Gudrun Kromrey hat sich ganz bewusst für „Volx Yoga“ entschieden – Yoga für alle.„Yoga soll sein wie die Lebensmittel in den alternativen Volxküchen: etwas, das man allen Menschen zur Verfügung stellt – möglichst niedrigschwellig, zu moderaten Preisen oder sogar kostenfrei. In meinem Studio habe ich ganze Familien, Flüchtlingskinder, friesische Teenager, Handwerker, das ist hier alles bunt gemischt und das wird auch sehr positiv bewertet. Wie das gelungen ist, weiß ich selbst nicht so genau. Vielleicht liegt es daran, dass viele Menschen hier vorher kaum Berührungspunkte mit Yoga hatten, die sind ganz einfach mal aus Neugierde hergekommen, haben Yoga und mich kennengelernt und dann ihre Kinder, Eltern oder Enkel mitgebracht. So wuchs mein Studio ganz schnell.
Ich glaube, dass wir Yogis uns, wenn wir nicht aufpassen, in eine in sich geschlossene Szene hineinmanövrieren, in die sich kein Nicht-Yogi mehr hineintraut. Aber mein Beispiel zeigt ja, dass es auch ganz anders funktionieren kann. Wir müssen auf die Menschen zugehen. Die Türen weit öffnen. Ich unterrichte weiterhin auch an der Volkshochschule, gebe Stunden auf Spendenbasis in einem alternativen Kulturzentrum und biete im Studio mehrere Kurse für Neu- und Späteinsteiger an. Da wissen die Leute, die von sich sagen, sie seien zu steif oder zu alt für Yoga, dass sie hier genau richtig sind. Auch dass ich selbst schon ein bisschen älter bin und erst mit kurz vor 50 zum Yoga kam, motiviert sehr stark. Ich kann als 63-Jährige augenzwinkernd zu einer 40-Jährigen sagen: ‚In deinem Alter konnte ich das auch noch nicht.‘ Mein Ansatz ist: Wir machen gemeinsam Yoga und das mit viel Spaß.“
volxyoga.de
Annette Söhnlein
Die Berliner Anusara-Yogalehrerin unterrichtet in Studios, Basketball-Clubs, an Volkshochschulen und für die Organisation „Citizen2be“, die Gefllüchtete bei der Integration in Deutschland unterstützt. Sie blickt kritisch auf die „Yoga-Blase“.„Einerseits hat sich alles geöffnet: Schulen, Seniorenheime oder Sportvereine bieten leichten Zugang und auch mehr Zulauf zum Yoga. Dank der unglaublich vielen Ausbildungen haben viele Lehrer auch die Möglichkeit erkannt, nicht nur in städtischen Studios zu unterrichten, sie haben ihre Wohnzimmer geöffnet oder sind in soziale Einrichtungen gegangen – also dorthin, wo Yoga so notwendig und willkommen ist.
Andererseits gibt es aber neben aller Öffnung in die Breite eine ‚Szene‘ von Yogis, die sich radikal in ihrer Blase aufhalten. Damit meine ich die Yogaszene, die sich selbst als Gutmenschen sieht, einfach schon mal nur, weil sie Asanas praktiziert. Dort geht es meist um die eigenen Befindlichkeiten, blockierte Chakren oder Pranaflüsse und um den oft missverstandenen Begriff der Selbstfürsorge. Auch wenn es essenziell wichtig ist, dass wir uns gut um uns selbst kümmern, werden hier Befindlichkeiten dramatisiert und gefeiert – und alle schaukeln im Shanti-Takt. Es fliegen bedeutungsschwangere Sanskrit-Begriffe durch den Raum, die es Neulingen nicht gerade leicht machen, sich da hineinzutrauen. Manchmal tut es sicher gut, sich zurückzuziehen und in Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu sein. Aber oft ist der Blick für das, was Yoga meiner Meinung nach in uns stärkt, irgendwie verklebt. Nicht ganz integres Verhalten wird dann gerne mit einer verdrehten Auslegung der Yogasutren erklärt. Die Soziologin Scilla Elworthy hat es auf den Punkt gebracht: Indem wir auf die Yogamatte gehen, bringen wir keinen Frieden in die Welt. Wir sollten die Kraft, die Yoga uns gibt, vielmehr nutzen, um außerhalb der Blase für eine gerechte Gesellschaft zu handeln.“
annettesoehnlein.com
Patrick Broome
Patrick Broome ist einer der renommiertesten Yogalehrer Deutschlands. Er leitet in München zwei Studios, unterrichtet unter anderem die deutsche Fußballnationalmannschaft und propagiert schon seit Langem: Yoga ist für alle. Jeder kann heute Yoga üben. Natürlich gibt es im Mainstream einen Yoga-Lifestyle, der sich durch schicke Studios und ein besser verdienendes Publikum definiert, das sich mit Vorliebe in ein bis zwei Konfektionsgrößen zu kleine Yoga-Outfits einer sehr erfolgreichen kanadischen Firma zwängt. Aber auch in den Nischen ist das Angebot viel breiter und vielfältiger geworden. Fast jedes Fitness-Studio bietet Yogakurse an, teils mit Monatsbeiträgen unter 20 Euro. Vereine und Initiativen wie Yoga für alle e.V. tragen Yoga sogar gezielt in sozial-ökonomisch schwächere Bevölkerungsschichten. Auch die Studios bemühen sich um mehr Öffnung: Wir bieten in München zwei kostenlose Klassen an: eine für Low-Budget-Studierende und eine für 50-Plus oder ein gesundheitlich eingeschränktes Publikum. Beide sind sehr gut besucht und zeigen, dass Yoga heute wirklich eine breit gefächerte Klientel erreichen kann, die immer mehr versteht, dass es nicht darum geht, wie man beim Yoga aussieht, sondern wie man sich danach fühlt.
patrickbroome.de
Conny Brammen
Seit drei Jahren bringt die Hamburger Kundalini-Lehrerin mit ihrem Verein „Yoga für alle e.V.“ Yoga zu Menschen, die von selbst in kein Studio kommen könnten: etwa psychisch Kranke, Strafgefangene und Essgestörte. „Yoga hat mich sehr beschenkt: Es hat mir geholfen, eine schwierige Lebensphase anzunehmen und in etwas Tolles zu verwandeln. Das wollte ich weitergeben. Nur: Wenn man – wie ich damals – depressiv ist, dann geht man nicht einfach in ein normales Yogastudio. Die Hemmschwelle ist sowieso schon hoch und zum Symptombild von Depressionen, Essstörungen und anderen psychosensiblen Themen gehört es auch, dass man sich völlig zurückzieht, weil man sich nicht zugehörig fühlt.
Das heißt, wir müssen Brücken bauen, um Yoga überhaupt zugänglich zu machen. Ist diese Brücke da, dann ist der Weg in die Praxis im sozialen Yoga in mancher Hinsicht sogar leichter: Wenn jemand 20 Jahre schwerster Alkoholiker war, Frau und Kinder verloren hat und nie wieder als Architekt arbeiten können wird, dann hat er nicht mehr diese Bremse im Kopf – der ganze Kopfkram ist obsolet. Wenn solche Menschen zum Yoga kommen, dann holen sie sich die Essenz. Die Maske ist gefallen. Bei einem Anfängerkurs in einem schicken Stadtteil habe ich dagegen manchmal das Gefühl, da liegt Stacheldraht im Raum. Ich will das Licht des Yoga weitergeben an die, die sonst gar keines bekommen. Auch auf diese Weise verändern wir das Bild von Yoga: Wenn ein Automechaniker hört, dass sogar Menschen mit Rollator oder schweren psychischen Erkrankungen Yoga machen können, dann findet er vielleicht eher einen Zugang, als wenn er nur die wahnsinnig schöne, schicke Yogafrau aus Hamburg-Pöseldorf sieht. Mit Yoga für alle e.V. schlagen wir eine Brücke zwischen der Welt, in der nur Yoga ist, und der, in der es nicht stattfindet. Denn dazwischen gibt es ganz viel.“
yogahilft.com
Timo Wahl
Türen öffnen, yogisches Denken für alle vermitteln und gleichzeitig wirtschaftlich bestehen – Timo Wahls Frankfurter Studio bewältigt diesen Spagat durch Offenheit und Überzeugungsarbeit. „Ich glaube, dass wir die Türen zu unserem Wissen für alle Menschen radikal öffnen müssen, wenn wir den Auftrag, Yoga zu leben und zu lehren, auch wirklich erfüllen wollen. Diese Öffnung beginnt bei mir im Studio damit, dass wir wirklich jede gleich behandeln. Ob dick oder dünn, alt oder jung, da wird niemand schräg angeschaut. So wie Yoga momentan medial präsentiert wird – schön, schlank, fit, vegan und nachhaltig – hat es schon was Elitäres. Ein bisschen over the top. Außerhalb der Yoga- und Medienwelt haben viele auch noch dieses alte Bild im Kopf: Yoga als was Esoterisches mit Räucherstäbchen, gar nicht anstrengend und ein bisschen weltfremd. Dass das beides nicht stimmt, müssen wir immer wieder vermitteln. Was natürlich stimmt, ist, dass Yoga bisher vor allem von Menschen praktiziert wird, die eher der höheren Bildungsschicht angehören, wobei das nicht unbedingt die Gutverdiener sind, sondern einfach Leute, die sich um die Welt bemühen und die Dinge hinterfragen. In unserem Studio in Bockenheim kommt gerade so eine junge, coole, nachhaltige Szene rein. Die haben nicht gerade viel Kaufkraft, Geld spielt also mit Sicherheit eine große Rolle. Aber andererseits sind Yogastudios ja auch Unternehmen. Bei allen altruistischen Motiven zahlen wir auch eine Miete und möchten unsere Mitarbeiter fair entlohnen. Wir wollen es sicher nicht übertreiben, aber unter einem gewissen Preis können wir uns in der Großstadt nicht tragen. Da denken wir zur Zeit über Möglichkeiten nach, zum Beispiel eine Art Greencard für die Lehrerausbildung.“
timowahl.de
Claudia Korsten-Ring
„Yoga für alle“ oder auch „Rundrum Yoga“ heißen Claudia Korstens Kurse. Sie war ihr Leben lang übergewichtig. Dadurch dass sie Yogalehrerin geworden ist, will sie anderen Mut machen und unguten Yoga-Klischees entgegentreten. „Als ich zum Yoga kam, hatte ich schon ein gutes Stück Weg hinter mir. Ich wusste: Ich bin gut so, wie ich bin, und wer mich so nicht mag, den brauche ich nicht. Das ist leider alles andere als selbstverständlich. Ich möchte dafür arbeiten, die Türen zum Yoga für alle weiter aufzumachen und ich merke: Jetzt ist die Zeit dafür, jetzt kommt das. Es gibt in Deutschland schon einige Yogalehrerinnen, die mit einem größeren Herz-Körper unterwegs sind, aber wir müssen uns noch viel mehr in der Öffentlichkeit zeigen. Und wir müssen die Leute abholen, die neugierig sind, aber noch mit Scham behaftet. Denen möchte ich beweisen: Niemand muss sich in die Yoga-Vorzeige-Models aus den Büchern und Zeitschriften verwandeln, sondern genau umgekehrt: Yoga passt sich dem Menschen an – so wird es dann Yoga für alle. Das Ziel ist ein körperpositives Bewusstsein, ganz egal ob für Übergewichtige oder Normalgewichtige. Wir sind da als Gesellschaft viel zu lange in eine falsche Richtung gegangen (worden). Man hat ja fast den Eindruck, man müsse schon eine Depression bekommen, nur weil man mal einen Pickel hat. Leider hat sich auch im Yoga eine Szene ausgebildet, die Berührungsängste auslöst: Wenn ich in ein hippes Großstadtstudio gehe, kann es passieren, dass ich schon schräg angeschaut werde, weil die Klamotte nicht stimmt. Das geht gar nicht! Es geht doch im Yoga um die Befreiung. Aber wie kann man im Kopf loslassen, wenn einem permanent irgendwelche Vorurteile entgegenschlagen? Mir hätte es sehr gut getan, schon früher Menschen zu treffen, die mir sagen: Du bist schön und einzigartig und wunderbar. Du darfst wachsen! Im Yoga sollte das das Wichtigste sein.“
oisis-yoga.de
Titelfoto: Robert Sturman
Toller Artikel! Habt ihr euch mal gefragt, inwieweit ihr mit eurer Fotoauswahl zum bestehenden Klischee beitragt, z.B. durch das Bild zum aktuellen Artikel Yoga für Ü50? Ich kenne wenige Frauen Ü50, die so aussehen wie eure Models.. Ich finde es wichtig, dass ihr bei euren Fotos auf mehr Vielfalt achtet, um einen aktiven Beitrag zu leisten.
Liebe Claudia, danke für deinen Kommentar und ja, du hast absolut Recht. Wir versuchen so gut wie möglich allen Yogis und Yoginis gerecht zu werden.