Am Ende der Yogastunde wartet vertraut das Savasana. Es stammt aus dem Sanskrit: Sava bedeutet Leichnam und Asana ist die Haltung. Also wortwörtlich die Totenstellung. Doch die Haltung fühlt sich wesentlich schöner an als der Name es vermuten lässt. Mit unseren Tipps besonders.
Es sieht ganz einfach aus – und doch wurde Savasana schon als die schwierigste aller Asanas bezeichnet. Viele Yogaschüler können problemlos das Gleichgewicht halten und sich geschmeidig vor, zurück und zur Seite beugen, aber sobald sie einfach nur auf dem Rücken ruhen sollen, bekommen sie Schwierigkeiten. Der Grund: Entspannung geschieht nicht auf Kommando. Man kann sich nicht einfach sagen: “Okay, jetzt entspanne ich mich mal!” (Frage nur einen der vielen Menschen, die sich mit Einschlafproblemen herumplagen.) Aber gerade deswegen ist Savasana auch so ein Geschenk. Die Haltung schafft alle Voraussetzungen dafür, sich nach und nach in einen wirklich entspannten Zustand zu versetzen, einen Zustand, der tief erfrischt und einen guten Ausgangspunkt für die Meditation schafft.
Zu Beginn kann es allerdings schon schwierig sein, überhaupt gelöst und wach in der Haltung liegen zu bleiben. Manche Yogaschüler fühlen sich unruhig und starren ungeduldig an die Decke. Andere schlafen ein, sobald sie sich auf den Rücken legen. Der Kern von Savasana ist das aufmerksame Loslassen: Man bleibt bewusst und wachsam und ist dennoch völlig ruhig. Diese Achtsamkeit in der Entspannung kann auch dabei helfen, bislang unbewusste Spannungen wahrzunehmen und zu lösen. In Savasana lässt man nach und nach jeden einzelnen Körperteil, jeden Muskel und jeden Gedanken los. Bei täglichem Üben konditioniert das Körper und Geist dazu, jeglichen Stress effektiv aufzulösen. Soweit die Theorie.
Aber wie gelingt dieses Loslassen, wenn Druck und Anspannung sich so im Körper eingenistet haben, dass Entspannung sogar im Liegen unmöglich zu sein scheint? Vor allem indem man zuvor die aktiven Asanas übt, die den Körper dehnen und weiten, die Muskeln lockern, das Zwerchfell lösen und so den Atem freier fließen lassen. Der Einsatz von Hilfsmitteln erleichtert es Ihnen zusätzlich, jeweils einen bestimmten Körperteil bewusst loszulassen und so die Savasana-Praxis zu verfeinern: Erhöht gelagerte Unterschenkel (Schritt 1) entspannen die Beine, die durch eine fordernde Yogapraxis, durch langes Stehen oder auch durch zu ausgiebiges Sitzen ermüdet sein können. Zugleich verbessert diese Variation die Durchblutung und löst Spannungen im Rücken. All dies erlaubt es dir, in Savasana tiefer zur Ruhe zu finden.
Aufbau
- Platziere deine Matte vor einem Stuhl oder Sofa.
- Lege dich mit angestellten Füßen auf die Matte.
- Hebe die Beine und lege die Unterschenkel auf dem Stuhl oder Sofa ab.
- Breite die Arme seitlich vom Körper aus, die Handflächen zeigen nach oben.
Verfeinerung
Korrigiere, falls nötig, die Unterstützung der Beine auf dem Stuhl. Die Unterschenkel sollten von den Kniekehlen bis zu den Fersen mit gleichmäßigem Gewicht aufliegen. Eine unangenehme Stuhlkante oder eine schräge Sitzfläche polsterst du wie auf dem Foto mit einer Decke ab. Eine zusätzliche Decke unter Kopf und Schultergürtel oder ein flaches Kissen im Nacken erleichtern es dir, eine entspannte Position für Kopf und Nacken zu finden. Solltest du eine Brille tragen, so nimmst du diese ab. Wenn du magst, legen Sie ein Tuch oder ein Augensäckchen über die Augen. Drehe die Oberarme sanft auswärts und bewege die Schulterblätter ein klein wenig dichter zueinander, so dass sich die Brust hebt und weitet. Dabei sollten die Arme an keiner Stelle den Rumpf berühren.
Abschluss
Entspanne die Rückenmuskulatur, indem du dir vorstellst, dass sie sich von der Mitte zu den Seiten hin ausbreitet. Lenke deine Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung des gesamten Rückens und spüre den Kontakt der Rippen zum Boden. Mit jeder Einatmung weiten sie sich und die Lungen können sich füllen. Mit jeder Ausatmung ziehen sie sich wieder zusammen. Nimm wahr, ob du den Boden vom Becken bis zum Kopf mit jedem Teil deines Rücken spüren kannst.
Ein erhöht gelagerter Kopf und oberer Rücken (Schritt 2) hilft dir, die Brust zu weiten, den Schultergürtel zu entspannen und den natürlichen Atemfluss zu verbessern. Gerade wenn Energie oder Laune im Keller sind, oder wenn zu viel Spannung im oberen Rücken und in den Schultern sitzt, wird dir diese Variante gut tun. Beobachte beim Üben den Atem. Atme mehrere Minuten langsam und gleichmäßig. Dabei wirst du vielleicht feststellen, dass sich dein Gehirn beruhigt und sich die Gedanken verlangsamen. Der Geist wird klarer und fokussierter. Falls du eine Brille trägst, nimmst du diese jetzt ab. Lege ein Tuch oder ein Augensäckchen über die Augen. Dann breite die Arme lang zu den Seiten aus. Dabei sollte der Abstand zum Rumpf groß genug sein, dass die Arminnenseiten nach außen rollen können. Die Achselregion ist weit und entspannt, die Schultern sinken locker nach unten. Öffne die Hände. Die Handflächen zeigen nach oben, die Handrücken werden weich und ruhen gelöst am Boden.
Fokus auf die Atmung
Lenke die Aufmerksamkeit auf den Atem. Nimm einfach nur wahr, wie der natürliche Atemfluss in den Körper hinein und wieder heraus strömt. Konzentriere dich mehrere Minuten lang auf diese Atembetrachtung und auf das gleichmäßige Füllen von rechter und linker Lunge. Dabei weitet sich der Brustkorb beim Einatmen sowohl nach oben als auch zu den Seiten, das Ausatmen geschieht langsam und geschmeidig. Das bewusste Atmen in der erhöhten Lage des Brustkorbs hat einen beruhigenden Effekt auf das Nervensystem.
In der klassischen Form der Haltung liegt dann der gesamte Körper am Boden, Arme und Beine sind lang und symmetrisch vom Rumpf aus ausgebreitet. Nimm dir hier etwas Zeit, den Körper mental von Kopf bis Fuß abzuscannen und dabei jeden einzelnen Teil und jede Muskelgruppe bewusst loszulassen. Spüre auch, wo überall er den Boden berührt und stell dir vor, dass jedes Glied mit jeder Ausatmung tiefer nach unten und mehr in die Breite sinkt.
Wenn du irgendwo im Körper noch ungute Empfindungen wahrnimmst, brauchst du vielleicht eine besondere Unterstützung. Scheue dich nicht, so lange mit Hilfsmitteln zu experimentieren, bis du jegliche Form von Druck und Spannung auflöst und dich vollkommen entspannen kannst. Das flache Liegen auf dem harten Boden ist für viele Menschen ungewohnt und kann sich zunächst seltsam anfühlen. Mit der Zeit wirst du dich aber immer wohler fühlen. Versuche in jedem Fall, ein paar Minuten lang ganz unbewegt liegen zu bleiben, selbst wenn du den deutlichen Impuls hast, dich zu rühren. Schon nach kurzer Zeit wird es besser und nach und nach zieht dich ein Gefühl der Ruhe nach innen. Der Atem fließt dann ganz ruhig und fast unmerklich. Beim Auflösen von Savasana solltest du zunächst ein paar Mal tief durchatmen. Gib dir etwas Zeit, um Arme und Beine wieder deutlich zu spüren. Erst dann bewegst du den Körper langsam und mit sanfter Achtsamkeit. Die regelmäßige Praxis von Savasana trainiert dich in der Kunst der Entspannung. Und darin liegt eine wesentliche Qualität der Meditation und eine tiefe Erfahrung von Yoga: Indem der physische Körper sich löst und entspannt, kannst du einen Teil von dir selbst entdecken, der leicht und frei ist.
Vorbereitung für die Nacht
Savasana funktioniert nicht nur nach der Yogapraxis. Vor dem Einschlafen praktiziert, kann es einen tiefen, erholsamen Schlaf fördern. Dazu achtest du im Bett auf die gleichen Punkte einer guten Ausrichtung und verwenden die gleichen Hilfsmittel wie auf der Yogamatte. Nach mehreren Minuten der bewussten körperlichen und geistigen Entspannung gleitest du sanft ins Reich der Träume.
Die Autorin Nikki Costello ist zertifizierte Iyengar-Yogalehrerin und lebt in New York City.