Selfies, Likes, Bikini-Body: Die meisten Menschen sehnen sich nach Bestätigung von außen – und gehen mit sich selbst oft am kritischsten um. Warum eigentlich?
Auf der Suche nach Likes
Sobald mein Smartphone zu blinken beginnt, geht es mir wie Millionen anderen Handy-Nutzern: Ich freue mich. Ich möchte wissen, wer mir geschrieben hat und öffne die Nachricht. Dann versuche ich meist dafür zu sorgen, dass bald wieder eine Nachricht hereinkommt, indem ich zurückschreibe. Damit ist die Schleife nicht nur bei mir, sondern auch bei meinem Gegenüber offen; dann bin ich nicht mehr allein. Es gibt sogar Benachrichtigungen darüber, wem etwas gefällt, was ich in sozialen Netzwerken gepostet habe oder wer einen meiner Inhalte geteilt hat. Auch so wächst das Gefühl von Bestätigung. Man teilt nicht nur Fotos vom Mittagessen, sondern immer öfter auch von sich selbst, so wie man sich gerne sieht. Das “Selfie” wird dann von Freunden in der Regel wohlwollend kommentiert. Aber glauben wir all dem Lob wirklich? Wie zufrieden sind wir mit uns selbst?
Eitelkeit bei den Göttern?
Der Götterbote Narada hatte lange Zeit im Himalaja meditiert. Als er daraufhin wieder einmal zu Besuch bei den Göttern war, brüstete er sich damit, nun gegen weltliche Versuchungen gefeit zu sein. Beim Abschied wunderte Narada sich, dass Vishnu darauf so verhalten reagiert hatte. Nach kurzer Zeit kam er an einer prunkvollen Stadt vorbei und lernte nicht nur den König kennen, sondern wurde auch der bildhübschen Königstochter Shrimati vorgestellt. “Eure Tochter ist wahrhaft eine Inkarnation Lakshmis”, pries er diese vor dem König, “und niemand außer Vishnu soll sie zur Frau bekommen”. Doch sein Verlangen nach ihr war geweckt. Und er betete fieberhaft: “Lass’ mich das Aussehen Haris bekommen”, um selbst so schön zu werden wie Vishnu.
Stolz führt nicht zum Ziel
Sein Wunsch wurde ihm gewährt. Mit dem Wissen um seine Schönheit bat Narada den König, eine Zeremonie zu veranstalten, in der seine Tochter ihren Bräutigam wählen könne. Doch die Königstochter ging – ohne ihn eines Blickes zu würdigen – an ihm vorbei und erwählte einen anderen. Halb erstaunt, halb erbost stand Narada auf: “Meine Schöne. Ihr meint doch sicher mich! Ich bin der Schönste weit und breit.” Die Prinzessin prustete vor Lachen. “Schön seid ihr sicherlich. Aber einen Affen kann ich nicht heiraten.” Narada schaute in den Spiegel und sah ein Affengesicht. Denn “Hari” heißt nicht nur “Gott”, sondern auch “Affe”. Da erkannte er neben sich Vishnu, der die Hand von Shrimati nahm, die keine andere als Lakshmi war. Einmal mehr war Narada dem Spiel aufgesessen, das Vishnu für ihn veranstaltet hatte, um ihm seinen Stolz vorzuführen.
Yoga und Bikini-Body
Irgendwann einmal sah ich eine Werbung, in der es hieß: “Mit Yoga zum Bikini-Body”. Abgesehen davon, dass die Asanas wahrscheinlich nicht entwickelt worden sind, um die äußere Erscheinung zu verbessern: Warum ist es überhaupt so wichtig, Bestätigung zu erhalten? Warum dürsten wir so sehr danach? Es hat ganz einfache biologische Gründe: Als Höhlenmenschen wären wir Tigerfutter gewesen, wenn uns der Stamm ausgeschlossen hätte. Heute sind wir – wenn wir das Glück haben in unseren Breiten zu leben – sozial abgesichert und müssen nicht verhungern. Aber wir sehnen uns weiter danach, nicht alleine zu sein, ein gutes “Netzwerk” zu haben. Das macht das Leben schöner. Doch unsere Angst ist es nach wie vor, nicht “schön” genug zu sein. Davon leben ganze Industrien. Ich bin in Seminaren, aber auch in meinem Freundeskreis immer wieder überrascht, für wie wenig schön sich viele Menschen halten. Und wie wichtig es ihnen ist, etwas anderes zu hören: bestätigt, gewählt zu werden. Ich ertappe mich sogar selbst immer wieder dabei, dass es mir genauso geht.
Wir müssen uns selbst lieben
Können wir lernen, uns selbst mehr Liebe zu schenken, damit wir nicht für ein anderes Aussehen beten müssen wie Narada? Vielleicht sind die Selfies und die positiven Kommentare darauf ja ein Weg, Bestätigung zu bekommen. Aber dadurch zeigen wir doch immer wieder nur eine Seite von uns. Die, die wir selbst sehen wollen. Ich glaube, wir wären überrascht, wenn wir wüssten, für wie toll uns manche Menschen in unserer Umgebung tatsächlich halten, auch wenn wir uns nicht verkleiden oder verändern. Probiere doch mal Folgendes aus: Schaue eine Woche lang jeden Morgen in den Spiegel und entdecke etwas an dir, das du wirklich lieben kannst. Es ist genug da. Wir Menschen haben alle einen Zauber. Freue dich über deinen.
Mehr zum Autor Ralf Sturm unter yoga.nivata.de