Dies.Das.Asana: Die schwebende Hocke

Genau wie das Liegen, Stehen oder Sitzen ist die Hocke eine menschliche Grundhaltung – nur leider eine, die in unseren Breitengraden nahezu in Vergessenheit geraten ist. Unsere Asana-Kolumnistin Jelena Lieberberg hockt nicht nur, sie schwebt geradezu …

Jelena Lieberberg schiebt ihre Bewegungslust auch hier im Duisburger Rheinpark nicht auf die lange Bank: Sie lässt die Girlandenhaltung (Malasana) gleich doppelt schweben – auf den Zehen und der Bank.
Jelena Lieberberg schiebt ihre Bewegungslust auch hier im Duisburger Rheinpark nicht auf die lange Bank: Sie lässt die Girlandenhaltung (Malasana) gleich doppelt schweben – auf den Zehen und der Bank.

In vielen Ländern verbringen die Menschen einen Großteil ihrer Zeit in der Hocke – unter anderem beim Kochen, Essen, Wäschewaschen, Kindergebären oder einfach, um sich gemütlich zu unterhalten. Bei uns ist das anders. Schon seit Jahrhunderten hocken wir Europäer nicht mehr auf dem (hierzulande leider oft ziemlich kalten) Boden, wir sitzen auf Stühlen und Bänken, oder ganz gemütlich in Sesseln oder auf dem Sofa. Dabei lastet das Gewicht nicht, wie in der Hocke, auf den Füßen, sondern auf dem schon sprichwörtlich gewordenen „Sitzfleisch“.

Davon brauchen wir eine Menge: Wir reisen in engen Flugzeugsesseln in die exotischsten Länder, pendeln in Autositzen zwischen Stadt und Land, kleben Stunde um Stunde auf dem Bürostuhl fest, sitzen am Esstisch, in der U-Bahn und im Wartezimmer. Kurzum, wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens auf Sitzmöbeln. Das birgt bekanntermaßen auch seine Gefahren: Langes Sitzen fördert Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, führt zu Gewichtszunahme, schwächt die Beinvenen und kann Krampfadern und Thrombosen nach sich ziehen; es verursacht nicht selten Schmerzen in Schultern und Nacken und kann die Bandscheiben schädigen.

Wir brauchen also nicht nur generell mehr Bewegung, sondern auch mehr Abwechslung in unseren Grundhaltungen. Im Yoga geschieht genau dieser Ausgleich: sanftes Fließen, Druck und Zug an den richtigen Stellen, um Knochen, Sehnen und Bänder ausreichend zu versorgen. Aber die Yogastunde allein ist oft nicht genug. Ich versuche auch im Alltag, meine Haltung immer wieder zu variieren. Mit am liebsten ist mir dabei die Hocke: mal in der Bahn, mal beim Aufräumen im Kinderzimmer – oder wie jetzt in diesem Augenblick beim Schreiben am Laptop. Die schwebende Hocke bietet eine gute Möglichkeit, dabei die Füße zu mobilisieren und zu kräftigen und ganz nebenbei auch den Rücken zu weiten.

Macht das Spass?

Ja! Die Balance zu halten ist einfacher, als man denkt. Falls es mal wacklig sein sollte, kann man das Gesäß an einer Wand abstützen.

Muss ich das können?

Nein. Allen, die in Malasana (Girlandenhaltung) den Boden nicht mit ihren Fersen berühren können, wird diese Variante aber sogar leichter fallen als der Klassiker.

Was muss ich dafür tun? 

Für die Hocke muss die Faszienkette an der Körperrückseite dehnbar sein, auch in den Hüften braucht man eine gewissen Beweglichkeit. Sonnengrüße sind die perfekte Vorbereitung.

Step by step

  1. Beginnen Sie im hüftbreiten Stand, eventuell mit dem Rücken zur Wand. Setzen Sie sich nun langsam in eine Hocke und drehen Sie dabei die Zehen leicht nach außen, sodass Knie und Zehen ungefähr in die gleiche Richtung zeigen. Sie können entweder gleich auf den Zehenspitzen hocken oder die Fersen zunächst absetzen und dann anheben. 
  2. Versuchen Sie, den Rücken so aufrecht und gerade wie möglich zu halten. Das fällt leichter, wenn Sie mit den Ellenbogen die Knie sanft nach außen schieben. Gleichzeitig intensiviert der Druck die Hüftdehnung.

  3. Spüren Sie die Balance und atmen Sie dabei ruhig ein und aus. Bleiben Sie zunächst nur 1 bis 2 Atemzüge lang in der Haltung und steigern Sie sich allmählich auf 5 bis 10. Wie generell im Yoga gilt auch hier: Kurzes, aber regelmäßiges Üben ist besser als langes, unregelmäßiges. Für mich am wichtigsten – die Freude an der spielerischen Bewegung.

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