Was heißt eigentlich: Sankhya?

Sankhya (Sanskrit: सांख्य sprich: samkhya) gehört zu den sechs orthodoxen Systemen des Hinduismus (shaddarshana). Der Weise Kapila begründete diese spirituelle Befreiungslehre, die wörtlich übersetzt “Zahl”, “Aufzählung” oder “Ergründung” bedeutet. Darin werden 25 tattvas (Grundprinzipien, Elemente) erläutert, die das Zusammenwirken zwischen dem individuellen Menschen und dem kosmischen Bewusstsein beeinflussen.

Die sankhya-Philosophie beschäftigt sich mit der Frage, wie sich der Mensch aus dem Kreislauf der Wiedergeburten und damit von Leid und Schmerz befreien kann. Der Schlüssel dazu, so die sankhya-Lehre, ist die Erkenntnis, dass die beiden tattvas „purusha“ (das reine, freie Bewusstsein) und „prakriti“ (alle stofflichen und psychischen Ercheinungsfomen) getrennt voneinander zu betrachten sind. Da sich normalerweise purusha mit prakriti identifiziert und die Dualität nicht mehr erkennt, entsteht für den Menschen Leid und Schmerz. Die Philosophie des sankhya zu erkennen, wirkt daher erlösend.

Zwischen sankhya, einer der ältesten Philosophien Indiens und Yoga bestand schon früh eine Verbindung: In der Bhagavad Gita steht sankhya für “jnana“(Erkenntnis) und Yoga für für den Weg der Werke: “karma-yoga“. Sankhya liefert sozusagen die Theorie und Yoga die Praxis. Beide Ansätze führen jedoch zum selben Ziel und wahre Erkenntnis besitzt jener, „der sankhya und yoga als eins erkennt“.

 

Quelle: „Das Yoga-Lexikon“ von Wilfried Huchzermeyer

 

Was heißt eigentlich: Japa

Foto von Burst von Pexels

Der Begriff Japa kommt aus dem Sanskrit (जप, sprich: dschappa) und bedeutet soviel wie „flüstern“ oder „murmeln“. Japa ist die laute oder leise Wiederholung eines Mantras, das heißt, einer oder mehrerer heiliger Silben, Wörter oder Wortkombinationen. Ziel ist es, die im Mantra verkörperte Wahrheit zu verwirklichen. Oft wird auch von Japa-Yoga oder Mantra-Yoga gesprochen. Japa wird nicht nur im Hinduismus, sondern auch im Buddhismus und im Sikhismus praktiziert.

Das Ziel eines Japas kann entweder weltlich sein und etwa die Bitte um Wohlstand und Gesundheit beinhalten. Oder er ist spirituell und wird vom Wunsch nach der Verwirklichung Gottes getragen.

Die Schwingungen, die durch das Mantra entstehen, sollen schließlich zum Ziel führen: Man geht davon aus, dass die Wiederholungen, der Japa, auf der feinstofflichen Ebene die Bedingungen dafür schaffen.

In der praktischen Durchführung gibt es vier Aspekte des Japa: 1. vacika oder vaikhari: Hier wird das Mantra klar, deutlich und laut gesprochen. 2. upamsu: Die Worte werden vernehmbar, aber mit sehr leiser Stimme wiederholt. 3. manasa: Die Worte werden ohne Teilnahme der Stimmorgane oder der Lippen mental wiederholt. 4. likhita: Die Wiederholung findet nur in schriftlicher Form statt.

Gerne wird in der Ausführung eine Kette verwendet, ähnlich dem christlichen Rosenkranz, eine sogenannte Japa-Mala. Sie besteht aus 108 kleinen Perlen, von denen eine etwas größer ist, als die anderen. Die Perlen werden beim Aufsagen des Mantra zwischen Daumen und Mittelfinger der rechten Hand gerollt.

Wird die größte Perle erreicht, wandern die Finger für weitere 108 Wiederholungen zurück.

Viele Texte, wie das Yogasutra, empfehlen für Japa besonders die heilige Silbe Om (auch aum; Sanskrit: ॐ ).

 

Quelle: „Das Yoga-Lexikon“ von Wilfried Huchzermeyer

 

Das Magazin // September + Oktober 2010

Yoga Journal

Die Wellen surfen

 

Yoga ist Teilnahme am Leben, Lernen, Fühlen und Erfahren. Transzendenz ist ein Aspekt, aber nicht der entscheidende. Beim Yoga-Üben begeben wir uns in den Fluss des Lebens – und ins Meer der Möglichkeiten.

„Du kannst die Wellen nicht aufhalten. Aber du kannst lernen, sie zu surfen.“ Mit diesem Zitat von Swami Satchidananda eröffnen wir unseren Beitrag zum Thema „Yoga & Surfen“ (ab S. 46). Das Meer spielt inhaltlich und optisch eine große Rolle in dieser Ausgabe, überhaupt das Leben im Einklang mit den Elementen und Herausforderungen aller Art.

Entgegen der populären Auffassung sind Yogis keine Einzelgänger. Natürlich sind wir gerne in der Stille und allein in der Natur. Es gibt aber auch den Wunsch nach Gemeinschaft, die uns alle stärker macht. Verbindung mit der Umwelt ist das Lebensziel der Schimpansen-Forscherin und Aktivistin Jane Goodall, unserer Interviewpartnerin ab S. 34. Das Aufgehen in einer gemeinsamen Vision motivierte in den 70er und 80er Jahren weltweit Tausende, sich der Gemeinschaft des Gurus Bhagwan, der sich später Osho nannte, anzuschließen. Die Hintergründe und die heutige Rezeption der Bewegung präsentieren wir ab S. 28 und zeigen, welche Ashram-Formen es heute in Deutschland gibt.

Aus Gewohnheiten ausbrechen und die eigene Komfortzone zu verlassen ist ein klassisches yogisches Thema. In diesem Heft geht es wiederholt um Formen des zeitweiligen oder endgültigen Ausstiegs. Für mich hat dies aktuell besondere Bedeutung: Aufgrund neuer Aufgaben und Projekte überlasse auch ich mich erneut dem Fluss des Lebens und verabschiede mich mit dieser Ausgabe als Chefredakteurin des YOGA JOURNAL. Als Autorin und Übersetzerin bleibe ich dem Magazin weiterhin verbunden. Ich bin stolz, am Aufbau des deutschen YOGA JOURNAL beteiligt gewesen zu sein und bedanke mich bei allen Kollegen und Freunden, die diese Arbeit begleitet haben. Vor allem aber für das immer wieder wunderbar motivierende Feedback von Ihrer Seite, liebe Leser/innen!

Dass Yogis keine weltabgewandten Freaks sind, sondern die Fülle der Existenz leben, war von Beginn Ausgangspunkt unserer redaktionellen Arbeit. Ihre Basis ist journalistische Neugier mit yogischer Vertiefung. Das wird auf jeden Fall so bleiben! In diesem Sinne sage ich beim Abschied leise Namasté und freue mich auf ein Wiedersehen auf der Matte – und im YOGA JOURNAL.

 

Viel Spaß beim Lesen!

Christina Raftery, Chefredakteurin

 

 

TITELTHEMEN der Ausgabe September + Oktober 2010:

 

– Hand aufs Herz: Fünf Yoga-Gesten für innere Ruhe

– Von Bhagwan zu Osho: Erleuchtung oder Enttäuschung?

– Sehnsucht nach Gemeinschaft: Ashrams in Deutschland

– Wellenreiter und Gedankenwellen: Yoga und Surfen

– Jane Goodall: Von der Schimpansen-Forscherin zur Aktivistin

– Yoga und Tanz: Präsenz im Augenblick

– Edward Clark: Yoga als Performance (?)

Thai Massage im Yoga-Unterricht

Ein guter Assist, eine sanfte Nackenmassage in Shavasana: Durch gezielte Berührungen lassen sich Bewegungen präzisieren und Verspannungen lockern. Für Yogalehrer ist die Thai Yoga Massage (thailändisch „Nuad“) eine besonders geeignete Massageform, um ihren Unterricht mit wohltuenden Berührungen zu zu bereichern.

Thai Massage erfordert keinen großen Aufwand: Alle Griffe werden am bekleideten Körper ohne Öl ausgeführt. Hilfsmittel werden nicht gebraucht und je nachdem, in welcher Haltung sich der Schüler gerade befindet (Bauchlage, Savasana oder Kindhaltung), lassen sich verschiedene Techniken anwenden. Gezielt können bestimmte Körperregionen entspannt werden, zum Beispiel der Nacken nach dem Kopfstand oder der untere Rücken nach einer Rückbeuge. Aber auch ohne konkrete therapeutische Absicht kann eine kurze Massage eine schöne Möglichkeit sein, im Yoga-Unterricht liebevolle Aufmerksamkeit (Metta) zu praktizieren.

Häufig wird Thai Massage als „passives Yoga“ bezeichnet. Der Massierte muss sich nicht aktiv bewegen, seine Energiebahnen (im Yoga die Nadis, in der traditionellen Thai Massage Sen-Linien) werden stimuliert. Passiv wird er in verschiedene Dehnungen gebracht. Auch für den Massierenden kann Thai Massage eine Möglichkeit sein, Yoga zu praktizieren: Genau wie im Vinyasa Flow kann die Massage im Fluss des eigenen Atems in Verbindung mit dem Atemfluss des Klienten praktiziert werden. Hierbei macht sich der Praktizierende seine Bodymechanik und sein eigenes Körpergewicht zunutze. Mit der richtigen Technik erfordert diese Massageform nur einen minimalen Kraft- und Muskeleinsatz und ist eine sehr effektive Möglichkeit, körperliche Blockaden zu lösen.

Welcher Yogaschüler weiß diese angenehme Unterstützung seiner Praxis im Unterricht nicht zu schätzen? Aber auch untereinander können sich die Schüler einer Klasse mit ein paar einfachen Griffen gegenseitig für ihren Einsatz „belohnen“, beispielsweise nach Abschluss einer Partnerübung.

(Lesen Sie in YOGA JOURNAL 04/10 welche Sequenzen sich am besten für eine Yogastunde eignen.)

 

Der Journalist und Yoga-Lehrer Tobias Frank lernte die Thai-Massage in Deutschland und Thailand.Mehr Informationen erhalten Sie unter: www.thaiandfly.de

 


Nachgefragt bei Petra Orzech

Essen und Trinken rund um die Yogastunde – was ist optimal?

 

Morgens direkt aus dem Bett zur Yogastunde oder gleich nach der Arbeit auf die Matte – da kommt es schon einmal vor, dass man Schweißausbrüche bekommt vom Frühstückskaffee. Oder dass der Snack, den man kurz vor der Stunde noch zu sich genommen hat, im Magen einfach keine Ruhe geben will. Solche Situationen kennt fast jeder Yogi. Damit Sie sich bei der Yogapraxis wohl fühlen und sich deren gesundheitsfördernde Wirkung voll entfalten kann, hier die besten Tipps zum Essen und Trinken rund um die Stunde.

Zwei bis drei Stunden vor dem Yoga sollte man das letzte Mal etwas essen, denn dann ist die Nahrung pünktlich zur Praxis im Verdauungskanal angekommen und der Magen leer. Das ist gerade bei Atemübungen, Umkehrhaltungen und Vorbeugen angenehmer. Zudem wird beim Praktizieren mehr Energie frei, die sonst für die Verdauung gebraucht würde. Sollte der Magen vor der Stunde dennoch knurren, kann man eine Banane und etwas Studentenfutter essen oder ein Mango-Lassi trinken. Dadurch ist man vor einer möglichen Unterzuckerung geschützt, die gerade bei morgendlichen Yogastunden mit nüchternen Magen leicht entstehen kann.

Um entspannt durch die Stunde zu kommen, empfiehlt es sich, die letzten 30 Minuten vor dem Yoga nicht mehr als einen halben Liter Flüssigkeit zu trinken. Denn wie soll man mit einer vollen Blase tief in den Drehsitz kommen? Insbesondere harntreibende Getränke wie Cola oder Kaffee führen später nur schwer zur inneren Ruhe, sondern lenken die Gedanken eher an ein anderes stilles Örtchen.

Und wie sieht es mit dem Trinken während der Yogastunde aus? Bei der Asana-Praxis baut im Körper Hitze (Tapas) auf. Um dieses „Feuer” brennen zu lassen und die damit verbundenen Entgiftungsprozesse zu aktivieren, empfiehlt es sich, während des Übens nichts zu trinken. Der Grund: Unser Körper verliert durch das Schwitzen Wasser, das er sich aus dem Blut holt. Die Verdickung des Blutes verhindert der Körper, indem er Wasser aus dem Gewebe pumpt. Und genau mit diesem Gewebewasser gelangen die dort gelagerten Abfallprodukte über das Blut zu den Schweißdrüsen und aus unserem Körper heraus. Trinkt man beim Yoga, holt sich der Körper das Wasser statt aus dem Gewebe aus dem Magen, und der gewünschte Entschlackungsprozess findet nicht statt. Übrigens: Entsteht beim Praktizieren ein starkes Durstgefühl, ist das meist ein Zeichen dafür, dass man über den Tag nicht genügend getrunken hat.

Yoga sorgt bekanntlich für Ausgeglichenheit und beruhigt die Nerven. Dieses Prinzip sollte man sich auch beim Essen nach der Stunde zu Nutze machen – die Mahlzeit also bewusst genießen. 30 Minuten nach dem Yoga ist die perfekte Zeit für ein leckeres Essen. Findet die Stunde morgens statt, passt ein Müsli mit Obst oder ein Vollkornbrot mit Käse. Im Sommer schmeckt auch ein Smoothie. Fällt die Yogastunde auf den Abend, freut sich der Körper über eine eiweißreiche Kost mit viel Gemüse. Denn Nachts braucht der Stoffwechsel eine Ruhephase. Isst man abends Kohlenhydrate wie etwa Nudeln oder Brot, wird das Hormon Insulin ausgeschüttet. Das bedeutet eine Extra-Nachtschicht für den Körper. Eiweißprodukte wie Tofu oder Hülsenfrüchte dagegen regen die Ausschüttung vom Wachstumshormonen an. So kann der Organismus im Schlaf Regenerationsprozesse vornehmen.

Nicht zu vergessen ist der positive Nebeneffekt von Yoga auf das Ernährungsverhalten: Durch die regelmäßige Praxis lernen wir wieder, auf unsere Körpersignale zu hören und dadurch auch zu spüren, welche Nahrungsmittel uns gut tun. Auch das natürliche Sättigungsgefühl stellt sich wieder ein. Die Wissenschaft bezeichnet diese Phänomen übrigens als „somatische“ oder „körperliche Intelligenz“.

Petra Orzech ist Yoga-Lehrerin, Ernährungswissenschaftlerin und Journalistin. Sie ist gerne in New York unterwegs, um neue Yoga-Trends aufzuspüren. In Hamburg bietet sie regelmäßige Seminare zum Thema „Yoga und Ernährung” (Kontakt: petra.orzech@alice.de) an.

Ganesha feiert Geburtstag

Kaum zehn Tage sind nach Krishna Janmastami vergangen, schon steht wieder ein wichtiger Feiertag an: Ganesh Chaturthi, der Geburtstag der Hindu-Gottheit Ganesha am 11.9.

Der Sohn von Shiva und Parvati ist derjenige, der Wege freischaufelt und die Bahnen des Schicksals für alle Vorhaben glättet. Ein indischer Spruch fasst es eindringlich und doch so einfach zusammen: „Do your best – Ganesh will do the rest!“. Ganesha ist für Hindus im umfangreichen göttlichen Pantheon so wichtig, dass jedes Gebet mit der Anrufung an Ganapati (“Gebieter der Scharen”), Vinayaka (“Entferner aller Hindernisse”) und Vighnesha (“Herr der Hindernisse”) beginnt.

Das Fest wird entsprechend des hinduistischen (Mond-)Kalenders im Monat Bhadrapada, zwischen August und September, gefeiert. In Nepal, Südindien und besonders in den westlichen Bundesstaaten wie Maharashtra und Goa, wird Ganesh Chaturthi ausschweifend zelebriert: Zehn Tage lang werden in Pujas (Gottesdienste) Opfergaben gereicht und Mantren für den Elefantengott gesungen. Auf den Altären dürfen vor allem Süßigkeiten nicht fehlen, schließlich liebt er die sehr, wie jeder Hindu weiß.

Für die Gläubigen ist es ein Fest, das vor allem das Leben zelebriert, schließlich gilt Ganesh auch als sehr lebensfrohe Gottheit und an diesem speziellen Tag spendet er allen die ihn feiern, seinen Segen. Es ist eines der wenigen hinduistischen Feste, an dem jeder teilnehmen darf und willkommen ist.

 

In aller Munde: “Tiere essen”

Beginnen wir mit einem Experiment: Sehen Sie sich bitte den Film „Earthlings“ über die Methoden moderner Tierhaltung und Fleischproduktion an. Sie brauchen gar nicht den ganzen Film anzusehen. Schauen Sie nur den dreiminütigen Trailer auf der Startseite an. Was haben Sie jetzt als erstes gedacht? Ich vermute folgendes: „Oh je, das wird schlimm.“ oder „Nicht jetzt, später“. Sie wissen also genau, dass Sie ein Horrorfilm erwartet. Warum wissen Sie das? Weil Sie schon jetzt sehr gut Bescheid wissen über das, was Massentierhaltung und industrielles Schlachten bedeuten. Eigentlich brauchen weder Sie noch ich „Earthlings“ ansehen noch Jonathan Safran Foers neues Buch „Tiere Essen“ lesen. Wir wissen alles, was wir wissen müssen. Warum werden Sie dann kein Vegetarier? Oder als Vegetarier kein Aktivist für Tierschutz oder Tierrechte? Warum handeln Sie nicht? Ich glaube zu wissen, was Sie denken. Ich mache nämlich dasselbe: Wir haben die Tiere vergessen. Genau deswegen sollten wir den kurzen Film vielleicht doch sehen und vor allem Foers Buch lesen. Die Antwort auf die Frage „Tiere essen?“ führt bei Foer konsequent zu einer Selbstbefragung: „Wie lebe ich?“, „Wie möchte ich eigentlich leben?“, „Wie kann ich leben?“, weit weg von sich treiben lassen, vom Mitmachen und sich Einlullen (lassen).

Auf eine ziemlich anstrengende und ermutigende Art geht es um Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Dieser Stresstest ist es wert, sich ihm auszusetzen, weil er so wahnsinnig wichtig ist für unser eigenes Leben, für das der Tiere, für alles, was wir über uns selbst denken, und deswegen auch für die Zukunft auf diesem Planeten. Das wird einem natürlich leicht zuviel. Von seiner ersten vegetarischen Aufklärung erzählt Foer: „An diesem Punkt musste ich mein Leben ändern. Absatz Und änderte es nicht.“ 25 Jahre hat er gebraucht, um Vegetarier zu werden. Deshalb kann Foer höchst einleuchtend erklären, wie das Ignorieren der schlichten Wahrheit über die Fleischindustrie und unser Essen funktioniert. Seine Erkenntnis: Grausam zu sein ist viel leichter, als man sich vorstellen kann.

Mit seinem Buch hat er das Unsichtbare wieder sichtbar gemacht: Er ist nachts in riesige Geflügelfarmen eingestiegen, er hat mit Schlachthof-Arbeitern gesprochen, mit Farmern, er liefert die aktuellen, unfassbaren Zahlen aus den USA und erklärt den Zusammenhang von unseren Krankheiten und Massentierhaltung. Er zeigt die Umweltzerstörung und argumentiert klar, dass die Hunger- und rinkwasserprobleme in der Welt nicht unabhängig vom Fleischkonsum existieren. Alle seine Aussagen kann er belegen und tut es im ausführlichen Anhang. 21.000 Tiere sterben, um einen durchschnittlichen Amerikaner sein Leben lang zu ernähren. Dabei ist es nicht nur wichtig zu wissen, dass diese Tiere geschlachtet werden,sondern auch wie sie geschlachtet werden. Ich habe die Seiten gezählt bis zum Ende des Kapitels – es geht hier um die Scham, ein Mensch zu sein: „Wir haben das Schlachten, wir haben den Krieg gewählt. Das ist die wahrste Version unserer Geschichte des Essens von Tieren! (…) Normalerweise läuft es so: Wenn die Innereien der Kuh auf den Untersuchungstisch fallen, gehen die Arbeiter hin, reißen die Gebärmutter auf und holen das Kalb raus. Es ist ganz normal, so eine Kuh vor sich hängen zu haben und das Kalb drinnen treten zu sehen, weil es rauswill. Diese Kälber werden ‘Glitscher’ genannt“.

Wie viel Leiden akzeptieren wir für unser Essen? Es geht nicht vor allem um unsere Unwissenheit, sondern um unsere Gleichgültigkeit. Wir sind verantwortlich. Das Buch ist deswegen so verstörend, weil es nicht bei der Entscheidung haltmacht, eventuell persönlich kein Fleisch mehr zu essen. „Die wichtigere Seite einer moralischen Erkenntnis ist das Handeln“. Foer macht uns zu Aktivisten. Im guten wie im schlechten Sinne. Wir kommen nicht aus. Was essen wir, wem geben wir das Geld für unser Essen, wer ist dafür verantwortlich, dass 99% des Fleisches aus der Massentierhaltung stammen (USA), warum kauft Kentucky Fried Chicken 850 Millionen Hühner im Jahr, mit wem teilen wir unser Wissen, über was reden wir beim Essen? Essen ist nicht rational. Essen sei Kultur, Gewohnheit und dentität, schreibt Foer am Ende. Doch welche Identität wollen wir haben? Das „Iss nicht unbesorgt“ von Foer ist keine Drohung, sondern die Befreiung von einem täglichen Albtraum. Auf dem Weg in die Redaktion kam ich gerade an einer Metzgerei vorbei. Im Fenster steht: Münchener Weisswürste – vorwiegend aus Kalbsfleisch(sic!) hergestellt, Berliner Zungenwurst – schlachtfrisch verarbeitet. Ich weiß genau, was das bedeutet. Was mache ich jetzt?

 

„Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer (Kiepenheuer & Witsch, 19,95 Euro)

Interview: Yoga braucht das Land

Tom Beyer von Home Yoga Berlin unterrichtet im Deutschen Bundestag und erzählt im Interview von seinen Erfahrungen.

YOGA JOURNAL: Tom, du unterrichtest an höchster ­Regierungsstelle. Wie bist du dazu gekommen?
TOM BEYER: Yoga im Unternehmen gehört zu unserem Konzept bei Home Yoga. Der Bundestag liegt ganz in der Nähe unseres Studios. Beim Vorbeigehen hatte ich mir immer gedacht, dass die Abgeordneten bestimmt Yoga ganz gut gebrauchen könnten. Zwei Schüler, die regelmäßig ins Studio kommen, arbeiten dort. Mit ihnen haben wir gesprochen und über sie schließlich auch die richtigen Ansprechpartner im Bundestag gefunden. Es gibt dort schon länger verschiedene Betriebssportgruppen. Als wir bezüglich Yoga-Stunden angefragt haben, sind wir sofort auf Interesse und Aufgeschlossenheit gestoßen.

In welcher Form und nach welchem Konzept bietest du dort Yoga an?
Seit Ende 2009 unterrichte ich wöchentlich zwischen zehn und 20 Teilnehmer direkt nach dem Büroalltag in der Sporthalle auf dem Gelände. Unser Konzept bei Home Yoga geht dahin, vor Ort und im Anschluss an die Arbeit Yoga anzubieten. Bei meinen Schülern handelt es sich bisher nicht um Politiker, sondern um die Mitarbeiter der Abgeordneten. Sie brauchen den Ausgleich durch Yoga, denn sie sind letztlich diejenigen, die Tag für Tag die Stellung halten und die Politiker für ihre öffentlichen Auftritte vorbereiten. Die meisten waren anfangs komplette Anfänger und mussten erst einmal an Yoga herangeführt werden. Das Interesse an den Kursen wird aber immer größer. -Letztens haben mich sogar die Wachleute an der Pforte angesprochen: Sie möchten auch mitmachen. Im Grunde sucht jeder nach Balance. Und da setzen wir an.

Baust du neben einer Business-orientierten Ausrichtung auch ­spirituelle Elemente ein?
Sobald sich jemand bewusst mit seinem Atem zu verbinden beginnt, ist das eine spirituelle Praxis. Es ist am Anfang gar nicht notwendig, besonders philosophisch zu werden. Für mich ist mein Unterricht aber auch nicht unbedingt Business-Yoga. Eher ganz normales Yoga – nur eben vor Ort am Arbeitsplatz. Das hat einen praktischen Hintergrund: Die meisten würden es wohl nicht schaffen, einmal die Woche Yoga zu praktizieren, wenn sie dafür erst in ein Studio kommen müssten. Deshalb kommen wir Yoga-Lehrer zu ihnen.

Zeitgemäßes und „kundenfreundliches“ Yoga also.
Meiner Meinung nach geht es beim Yoga immer um den intelligenten Umgang mit der Wirklichkeit. Und der ist frei von Stress! Die Didaktik ist Tausende von Jahren alt, die Methodik, mit der wir unterrichten, ist diesem Jahrtausend angepasst – ob man das jetzt Business-Yoga nennt oder nicht.

Welche Schwerpunkte setzt du in deinem Unterricht?
Die Ausrichtung auf die körperliche Ebene ist die eine, gerade im Büroalltag sehr wichtige Seite. Die andere beschäftigt sich mit der mentalen Ebene und damit, wie man es schafft, weniger kopflastig zu sein. Das funktioniert nur über die Praxis und über die eigene Erfahrung.

Wie sind deine Erfahrungen mit Yoga im Bundestag im Vergleich zu anderen Schülern?
Es sind natürlich ganz „normale“ Schüler, aber man merkt, dass viele seit Jahren im Sitzen arbeiten. -Klassischerweise treten bei vielen Rückenprobleme auf. Und man merkt, dass von den Teilnehmern täglich große -Leistung verlangt wird. Umso wichtiger ist Erholung – und die muss manchmal erst wieder erlernt werden. Ich finde es sehr wichtig, dass gerade die Menschen, die unser Land führen, entspannt und klar in ihrem Handeln sind. Yoga sensibilisiert für die Wirklichkeit. Das ist zum Wohl aller, denn durch Yoga im Unternehmen verändert sich die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden.

Was, glaubst du, hat sich für deine Schüler durch regelmäßiges Yoga verändert?
Die Teilnehmer lernen, ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache zu richten. Wir praktizieren unter anderem die Ujjayi-Atmung, bei der man lernt, die Konzentration auf den Atem und damit auf den Geist zu lenken. Das wirkt auch im Alltag: An einem bestimmten Punkt realisiert man, dass man auch da die Wahl hat, die Aufmerksamkeit auf eine Sache zu lenken oder eben nicht. Yoga schenkt Gelassenheit und Stärke, um mit Problemen im Alltag fertig zu werden.

Die wahrhafte Veränderung kann man dann tagtäglich im ­Verhalten und in den Entscheidungen erkennen.
Ja, denn sie findet in der Tiefe statt. Die Beobachtung des Körpers, die im Yoga stattfindet, schließt die Beobachtung aller Empfindungen ein. Wenn man in den Raum in sich selbst eintaucht, erkennt man, dass dort drinnen noch nichts festgelegt ist. Die Teilnehmer erfahren sich als unbegrenzte Wesen und erkennen das tiefe, reine Potenzial, das in ihnen existiert. Das kann zu einer tiefen Einsicht führen. Aus meiner Sicht ist die Kunst des Unterrichtens nicht, jemanden über Informationen auf der Ebene des Wissens zu erreichen, sondern die eigene Erfahrungsebene wirken zu lassen. Durch die eigene Erfahrung wird das unendliche Potenzial deutlich und im Alltag lässt sich daraus agieren.

Wie siehst du die Zukunft für Yoga in Unternehmen?
Natürlich wird es auch weiterhin Studios geben, denn diese haben ihre eigene Atmosphäre. Aber Yoga im Unternehmen hat aus meiner Sicht eine große Zukunft. Die Arbeitgeber erkennen, dass glückliche Mitarbeiter auch besser bei der Umsetzung der unternehmerischen Ziele helfen können. Auch die Krankenkassen haben das erkannt und ziehen am selben Strang. Rückenprobleme und Stress sind nun einmal in Deutschland die größten Risiken für Ausfälle. Hatha Yoga wird gefördert, da es langfristig den Zustand der Balance wieder herstellt und die Stärken der Mitarbeiter aufdeckt und unterstützt.


Tom Beyer ist Diplomsportwissenschaftler, Yoga-Lehrer und Inhaber von Home Yoga in Berlin. Er hat sich auf Präventionskurse, Rücken & Gelenke-Yoga und Yoga für Unternehmen spezialisiert.

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