Unruhe, Ängste und Stress führen häufig dazu, dass sich der Iliopsoas verspannt. Die Folge können Rücken- oder Knieschmerzen, aber auch Verdauungsprobleme sein. Nela König zeigt dir, wie du diese wichtige Muskelgruppe gezielt entspannst und dabei zugleich zu mehr Zuversicht und Vitalität findest: mit Yoga und myofaszialer Selbstmassage.
Der Iliopsoas wird auch “der Muskel der Seele” genannt. Das klingt erstmal ganz schön mysteriös, zumal viele Menschen ihn nicht unbedingt kennen: Man sieht den Muskel von außen nicht und es fällt auch nicht leicht ihn zu ertasten, weil er ziemlich tief im Körper liegt. In seiner Funktion dagegen ist er uns ständig präsent: Er ist gemeinsam mit anderen Hüftbeugern dafür zuständig, dass wir unsere Oberschenkel anheben können. So ermöglicht der Iliopsoas das Gehen, Laufen und Springen und sogar unsere aufrechte Haltung.
Die vielfältigen Funktionen des Psoas
Da der Iliopsoas die einzige Muskelgruppe ist, die den Oberkörper mit den Beinen verbindet, hat er eine besondere Bedeutung für Stabilität und Gleichgewicht. Außerdem stützt ein gesunder Psoas die Wirbelsäule und bildet eine Art Fundament für die Organe im Bauchraum. Spannend sind auch seine faszialen Verbindungen: Der Illiopsoas selbst ist von der Fascia Iliaca umhüllt, die wiederum über andere Faszienstränge in enger Verbindung mit dem Zwerchfell steht, wo sowohl die Atem- als auch Angstreflexe ausgelöst werden können.
Gesteuert werden diese Reflexe vom so genannten Reptiliengehirn. Es ist für unseren Überlebensinstinkt und essentielle Kernfunktionen zuständig. Droht uns Gefahr, dann wird der Körper vereinfacht gesagt bereit gemacht, loszusprinten oder sich schnell zusammenzukauern – und für beides ziehen wir die Beine an, sprich: Wir aktivieren den Iliopsoas. Doch leider können nicht nur aktute Bedrohungen, sondern auch chronischer Stress und Sorgen diese Anspannung des Muskels bewirken und das mitunter dauerhaft. Dabei reagiert nicht nur der Muskel mit Anspannung auf Stressreize, sondern auch die ihn umhüllenden Faszien, denn sie besitzen zehnmal mehr Nervenendungen und Rezeptoren als ein Muskel. All das engt die umliegenden Organe ein, Nerven geraten unter Druck, die allgemeine Beweglichkeit und die Zwerchfellatmung können eingeschränkt werden.
Folgen eines angespannten Psoas
Die Folge sind nicht selten ernsthafte chronische Beschwerden wie Rücken- und Hüftschmerzen, Bandscheibenprobleme, Skoliose, Ischiasreizungen, Knieschmerzen, Verdauungsstörungen oder Menstruationsprobleme bis hin zu Unfruchtbarkeit. In dieser Übungsreihe zeigt Nela König, wie du mit Hilfe einer Faszienrolle und eines kleinen Faszienballes diese Spannung lösen und dem Muskel und seinen Faszien wieder Länge und Flexibilität schenken kannst. Ist die Spannung im Psoas erst einmal abgebaut, dann werden nicht nur die Bewegungen wieder geschmeidiger, auch die Atmung fühlt sich tiefer und freier an und die Organe im Bauch haben wieder den nötigen Platz. Außerdem steht einem mühelosen Aufrichten des Rumpfes, einer freie Herzöffnung und dem ungehinderten Fließen von Lebensenergie nichts mehr im Weg.
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9 Übungen für einen entspannten Iliopsoas
Diese Kombination aus Yoga und myofaszialer Selbstmassage kannst du täglich machen. Gehe langsam und behutsam vor. Achte darauf, immer im Bereich des gut zu ertragenden Wohl-Weh-Schmerzens zu bleiben. Du wirst schnell einen deutlichen Spannungsabbau beobachten. Wärmen deinen Körper etwa 5 Minuten lang auf. Am besten fließt du ein paar Mal im Atemrhythmus durch Katze-Kuh (Marjaryasana-Bitilasana) und übst danach mindestens 3 Sonnengrüße (Surya Namaskar).
1 Tiefer Ausfallschritt: Anjaneyasana mit Rolle
Stelle aus dem Vierfüßlerstand den rechten Fuß nach vorne und richte das Kniegelenk über dem Fußgelenk aus. Dann platzierst du die Faszienrolle unter ihrem linken Schienenbein. Das ist erstmal ungewohnt, doch auch auf einer etwas härteren Faszienrolle sollte das Schienenbein nicht schmerzen. Eventuell müssen Sie aber eine gefaltete Decke unter das Knie legen. Stütze beide Hände auf dem vorderen Oberschenkel auf. Dann beuge das rechte Knie etwas tiefer, so dass sich das linke Bein ganz ausstreckt. Lasse das Becken bewusst sinken. Dabei wirst du eine intensive Dehnung in deinem linken Hüftbeuger spüren. Wenn du nun beginnst, das rechte Bein einatmend ein bisschen zu strecken, um es dann mit der Ausatmung noch etwas mehr zu beugen, rollst du gleichzeitig sanft mit dem linken Schienenbein über die Faszienrolle. Bewege dich ganz langsam und vorsichtig. Atme dabei ruhig
und tief in den linken Iliopsoas. Nach einer Weile wechselst du die Seite.
2 Tiefer Ausfallschritt: Anjaneyasana
Stelle die Rolle zur Seite und setze wieder den rechten Fuß nach vorne. Linkes Knie, Schienbein
und Fußrücken liegen dieses Mal flach am Boden. Stütze dich wieder mit den Händen auf dem Oberschenkel auf und schiebe ihn mit etwas Druck der Hände weit nach vorne. Das Kniegelenk bewegt sich dabei Richtung großer Zeh. Richte den Oberkörper lang nach oben auf und lassen gleichzeitig das Becken noch tiefer Richtung Boden sinken. Dabei atmest du tief und gleichmäßig in deinen linken Psoas. Nach einer Weile beginnst du auch hier mit kleinen schiebenden und lösenden Bewegungen.
3 Einbeinige Taube (Variante): Eka Pada Rajakapotasana II
Drehe nun den vorderen rechten Fuß etwa 45 Grad nach außen und lasse das Becken noch tiefer sinken. Setze die linke Hand unterhalb der linken Schulter auf dem Boden oder einem Block auf. Dann rolle etwas vor dein linkes Kniegelenk und hebe den Fuß. Wenn möglich, greifst du den linken Fuß mit der rechten Hand. Wenn nicht kannst du dir mit einem Gurt behelfen oder den Fuß am Boden lassen. Drehe dich behutsam nach rechts und ziehe den Fuß nur ganz vorsichtig zu dir heran. Dabei atmest du bewußt in die linke Oberschenkelvorderseite. Halte die Übung 10 tiefe Atemzüge lang, dann lässt du den Fuß vorsichtig los und schiebst dich nach hinten in den herabschauenden Hund (Adho Mukha Shvanasana). Anschließend wiederhole Übung 2 und 3 mit dem linken Fuß vorne.
4 Dreibeiniger herabschauender Hund: Adho Mukha Shvanasana, Variante
Aus der Taube schiebst du dich in den Hund und atmest deinen Rücken schön lang. Nach einigen
Atemzügen hebst du das rechte Bein, drehst die Hüfte zur Seite hin auf und streckst dich extra lang.
Anschließend beugst du das gehobene Bein, drehst noch etwas weiter auf und spürst auch hier
die Dehnung und Länge, bevor du den Fuß wieder lang nach hinten streckst und senkst. Die gleiche Abfolge übe auch mit dem linken Bein: anheben, aufdrehen, lang strecken, beugen und wieder lang strecken. Danach fließe durch ein Vinyasa (herabschauender Hund, Chaturanga, Kobra, Stellung des Kindes) und legst dich auf den Bauch.
5 Faszienmassage in Bauchlage
Lege dich mit aufgestützten Unterarmen auf den Bauch und platziere einen Block und den Faszienball (alternativ: einen Tennisball) direkt oberhalb der rechten Leiste zwischen den geraden Bauchmuskeln und dem seitlichen Beckenkamm. Lege den Kopf auf den Händen ab und stelle die Zehen des linken Fußes auf. Das rechte Bein lasse lang nach hinten ausgleiten. Atme jetzt besonders tief und lasse den Ball mit jedem Atemzug tiefer ins Gewebe einsinken. Der Iliopsoas kann hier am Ansatz sehr fest sein, sollte die Übung so zu schmerzhaft sein, dann nimm den Block heraus. Versuchen den Ball nun langsam und vorsichtig entlang des Muskels ein klein wenig nach oben und unten zu rollen. Dazu schiebe den Körper mit dem linken Fuß und den Armen vor und zurück.
Wenn du die Übung intensivieren möchtest, kannst du das rechte Bein vorsichtig anheben und dann beim Herabsinken den Ball noch tiefer ins Gewebe sinken lassen.
Achtung: Solltest du ein Pochen unter dem Ball spüren, dann drückt er auf eine Arterie. Verändere in diesem Fall unbedingt die Position des Balles!
6 Frosch, Variante: Bhekasana
Ziehe jetzt das linke Knie seitlich vom Körper in einem rechten Winkel an und beginne, vorsichtig deinen rechten Beckenkamm auszurollen. Dabei schiebe dich wieder mit Füßen und Armen vor und zurück, aber nur in ganz kleinen Bewegungen.
Auch hier, am Ansatz des Iliacus kann das Gewebe sehr fest sein. Übe deshalb besonders langsam und behutsam. Wenn möglich bleibe 10 tiefe Atemzüge lang bei den beiden Übungen in Bauchlage. Anschließend wiederhole die Übung 5 und 6 auf der linken Seite.
7 Iliopsoas-Aktivierung in Rückenlage
Bevor du in die Rückenlage wechselst, schiebe dich vom Bauch aus in den herabschauenden
Hund und fließe durch ein Vinyasa. Dann legen dich mit angestellten Beinen auf den Rücken und platziere die Faszienrolle unterhalb der Beckenknochen unter dem Gesäß. Ziehe das rechte Knie mit beiden Händen zur Brust und strecke das linke Bein nach oben.
Dann hebe und senke das Bein. Je langsamer und achtsamer du diese Bewegungen ausführst, desto deutlicher kannst du spüren, wie dein Iliopsoas arbeitet. Strecke das Bein dabei möglichst lang nach vorne aus und versuche, viel Platz im Hüftgelenk zu schaffen. Anschließend wechselst du die Seite.
8 Dehnung in Rückenlage
Bei dieser letzten Übung wollen wir den Iliopsoas noch einmal ganz bewusst in die Länge atmen. Ziehe dafür das rechte Bein kräftig zu dir heran. Aktiviere das linke Bein, lege die linke Ferse am Fußboden ab, strecke den Fuß und schiebe ihn weit nach vorne. Mit der Zeit intensivierst du die Haltung, indem du das rechte Bein noch mehr zu dir heranziehst und den linken Fuß noch weiter nach vorne und von dir weg schiebst. Dabei atmest du in deinen linken Iliopsoas und spüre die Länge, die du durch die Übungen erschaffen hast. Die selbe Dehnung wiederholst du anschließend auf der anderen Seite.
9 Abschluss
Beende die Sequenz, indem du die Beine aus der in Übung 8 eingenommenen Rückenlage auf der Rolle locker nach oben streckst. Dabei lässt du Oberkörper, Arme und Kopf schwer werden. Genieße ein paar tiefe ruhige Atemzüge lang diese Schwere und die Leichtigkeit in den Beinen.
Dann stelle die Füße geschlossen auf, ziehe die Faszienrolle unter dem Körper hervor und lege sie zur Seite. Lasse nun die Knie locker nach außen sinken in Supta Baddha Konasana (liegender Schmetterling). Dabei liegen die Fußsohlen aneinander und du legst deine Hände sanft auf den Bauch. Wenn du magst, kannst du die Knie mit zwei Blocks oder Kissen stützen. Nimm noch einmal bewusst Kontakt zu deinem “Muskel der Seele” auf. Lasse tief los, schenke ihm Aufmerksamkeit und Leichtigkeit und bedanke dich für deine Gesundheit.
Als Yogalehrerin, Fotografin und Model ist Nela König für uns gleich in dreifacher Mission unterwegs. Wie sie es schafft, gleichzeitig vor und hinter der Kamera zu stehen? Sie bereitet alles perfekt vor und ihr Mann drückt nur noch auf den Auslöser. Mehr zu Nela unter @nelakönig
Nela trägt ein Outfit aus recyceltem Polyester von KISMET YOGASTYLE. Das junge deutsche Label steht für Nachhaltigkeit, hohe Qualität und faire Produktion. Mehr dazu unter: www.kismet-yogastyle.com