Vom Tun ins Sein: Achtsame Verbindung von Körper und Geist

Wenn wir Yoga praktizieren, üben wir Achtsamkeit – mit unserem Geist, mit unserem Körper und mit unserer unmittelbaren Umwelt. Wir erklären, wie die achtsame Verbindung von Körper und Geist funktioniert und warum es so wichtig ist, vom Tun ins Sein zu kommen.

Wir hetzen von einem Ort zum anderen, müssen gefühlt tausend Dinge auf einmal erledigen und zählen “Multitasking” zu besonders guten Eigenschaften. Dabei macht uns diese ständige Unruhe auf Dauer krank. Wenn unsere Gedanken nicht irgendwann ruhen dürfen, nehmen sie überhand, werden wild, unzähmbar, belastend und beängstigend. Klingt bekannt? Dann geht es dir wie vielen anderen Menschen, deren Gedanken und Emotionen unruhig auf und ab und hin und her springen. Die gute Nachricht: Es gibt eine Lösung.

Beginnen wir mit einem kleinen “Drei-Minuten-Experiment”: Setze dich bequem und aufrecht hin. Wenn nötig, nimm eine Decke oder einen Bolster als Unterlage. Stelle einen Timer auf drei Minuten und schließe die Augen. Versuche nun bewusst auf deinen Atem zu achten. Fokussiere dich während der gesamten Zeit auf deine Ein- und Ausatmung. Sollten deine Gedanken abschweifen, nimm es wahr, lasse sie dann wieder los und lenke deine volle Aufmerksamkeit erneut auf deinen Atem.

Hast du auch ein “Monkey Mind”?

Nach Ende der Übung nimm dir kurz Zeit: Wie ging es dir mit dieser Übung? Wie stark haben deine Gedanken dich in den letzten drei Minuten von der Atembeobachtung abgelenkt? Sind sie gewandert? Warst du abgelenkt? Keine Bange, das ist ganz normal. Die meisten Menschen haben einen unsteten und umherspringenden Geist, ein sogenanntes “Monkey Mind”. Ein solcher Geist befasst sich eher mit negativen als positiven Gedanken, macht sich Gedanken über Dinge, die gar nicht erst eintreten und verschwendet damit wertvolle Energie. Oder wie Mark Twain es so treffend zusammenfasst:

“In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.”  

Mark Twain

Gedanken beruhigen mittels Achtsamkeitspraxis

Rund 17.000 bis 80.000 Gedanken pro Tag, größtenteils nur flüchtige, beeinflussen unsere Gefühle, Körperempfindungen und Verhaltensweisen. Die gute Nachricht: Du kannst dein Monkey Mind beruhigen. Du kannst lernen, einfach nur zu beobachten, statt immer gleich ins Gedan­kenkarussell einzusteigen. Diese zwei Achtsamkeitsübungen helfen dir dabei.

Lies auch: Geistig üben mit Patanjali – innere Klarheit schaffen

Das Denken beobachten:

Nimm bewusst eine akzeptierende Grundhaltung ein. Sage dir innerlich: “Es ist vollkommen natürlich, dass ‘es’ in mir denkt!”  Vielleicht hilft es dir, die Haltung eines Menschen einzunehmen, der ein wildes Tier zähmen möchte und es im ersten Schritt beobachtet, um sich mit seinen Gewohnheiten vertraut zu machen.

Objekte benennen:

Betrachte mit geöffneten Augen deine Umge­bung und benenne Objekte, die du siehst. Indem du deinen ge­danklichen Fokus auf die Wahrnehmung im Moment richtest, bleiben meist keine geistigen Kapazitäten mehr, um zwischen Vergangenheit und Zukunft hin und her zu wechseln.

Vom Tun-Modus in den Sein-Modus

Achtsamkeit Yoga Hier und Jetzt
Bewusst Zeit nehmen für deine Gedanken und Empfindungen ist wichtig für deine seelische Gesundheit.

Nun gehst du einen Schritt weiter. Versuche vom Tun-Modus in den Sein-Modus zu kommen. Das ist gar nicht so einfach, denn im Unterschied zum Tun-Modus ist der Sein-Modus in unserer westlichen Welt erst einmal gewöhnungsbedürftig und häufig schwerer umzusetzen. Der Tun-Modus ist unser Autopilot. Dinge, die wir im Alltag ständig tun, laufen automatisch und nebenbei ab, ohne dass wir ihnen große Aufmerksamkeit schenken. In diesem Modus beschäftigt sich der Körper meist mechanisch mit einer bestimmten Tätigkeit, während der Geist gleichzeitig etwas anderes macht:

  • Mit dem Auto fahren und am Ziel nicht wissen, wie man eigentlich dorthin gekommen ist.
  • Beim Fernsehen eine Packung Kekse öffnen und irgendwann merken, dass sie leer ist.
  • Nicht wissen, ob man die Zähne geputzt, Tür abgeschlossen, Herd ausgemacht hat.

Dein Autopilot hilft dir, Ressourcen zu schonen, da die Wahrnehmungstiefe in diesen Momenten stark reduziert ist. Denn durch automatisierte Handlungen kannst du deinen Fokus auf andere Dinge lenken. Das ist etwa beim Autofahren ganz hilfreich, da du dich auf Umgebung und Verkehr und nicht auf das Fahren an sich konzentrieren musst.

Wenn der Autopilot die Führung übernimmt

Problematisch wird es, wenn du im Automatismus gefangen bist. Du verlierst immer mehr das Bewusstsein und den Sinn für die schönen Dinge des Lebens: Das helle Strahlen der Sonne, der Ge­schmack von Schokoladen-Eis, die flüchtige Berührung eines Menschen – wenn du dein Leben komplett im Autopiloten-Modus verbringst, nimmt du die kleinen und großen Alltagsmomente nicht (mehr) bewusst mit all deinen Sinnen wahr. Du bist in einem Zustand der Unbewusstheit gefangen, der dauerhaft in die Unzufrieden­heit führt. Besonders kritisch ist dieser Zustand im Zu­sammenhang mit destruktiven Gedanken und Gefühlen: “Ich bin nicht gut genug!” oder “Ich schaffe das nie!”. Wenn du dich mit diesen Gedan­ken identifizierst und sie als wahr empfindest, wirst du plötzlich wütend oder fühlst dich niedergeschlagen. Er­lebst du diese negativen Gedanken jedoch ganz bewusst, kannst du auch bewusst ent­scheiden, ob du ihnen glauben möchtest – oder eben nicht!

Mehr Achtsamkeit im Sein-Modus

Bist du einmal so weit gekommen, gehst du den richtigen Weg hin zum Sein-Modus und mehr Achtsamkeit. Lasse dich nun auf den gegenwärtigen Moment ein: Du nimmst aufmerksam und ganz bewusst wahr, was du hörst, siehst, riechst, berührst und schmeckst. Du nimmst Dinge an und lässt sie sein, wie sie sind. Dein Wunsch nach Veränderung steht jetzt nicht im Fokus. Du bist aufgeschlossen für sämtliche Gedanken und Empfindungen und bereit, dich deinem Innenleben zu öffnen. Du kannst sämtliche Gedanken, Gefühle und Körpersignale betrachten und wieder loslassen.

Zugegeben, das klingt überwältigend und ist sicher nicht von einem Tag auf den anderen zu schaffen. Achtsamkeit zu leben – das ist ein Prozess, bei dem es auch immer mal wieder Rückschläge geben darf. Besonders gut übst du Achtsamkeit aber beim Yoga. Denn Achtsamkeit und Meditationen haben große Bedeutung für die ganzheitliche Yogapraxis, das lernen Yogalehrer*innen bereits in ihrer Ausbildung, etwa in der ALH Akademie. Hier hast du das Glück, dass dich ein Team aus erfahrenen und renommierten Yogalehrer*innen intensiv während deiner Weiterentwicklung unterstützt. So entdeckst du dein ganzes Potential und kannst nach Abschluss der berufsbegleitenden Ausbildung anderen dabei helfen, das Gleiche zu tun.

Doch egal, ob du dich in Sachen Achtsamkeit und Sein-Modus für eine Yogalehrerausbildung entscheidest, lieber als Schüler deiner Yogapraxis nachgehst, oder ob du einfach bei einem Spaziergang ohne Musik und Handy etwas mehr Achtsamkeit übst. Wichtig ist, dass du bewusst versuchst, mehr in den Sein-Modus zu kommen. Denn so beruhigst du deinen unruhigen Geist, kommst ins Hier und Jetzt und verbesserst dein seelisches und körperliches Wohlbefinden.


Mehr Info: www.alh-akademie.de

   
 

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