Die Erkrankung Endometriose hat viele Betroffene, aber wenig Bekanntheit. Der “Welt-Endometriose-Tag” am 29. September ist eine weltweite Kampagne, die das Bewusstsein für Endometriose und Adenomyose wecken möchte. Immerhin sind auf der ganzen Welt rund 200 Millionen Frauen betroffen. Unsere Redakteurin Nicoletta Wagenstetter ist Yogalehrerin und hat selbst Endometriose. Sie stellt drei komplementärmedizinische Ansätze vor und zeigt euch Yogaübungen, die bei Endometriose helfen…
Was ist Endometriose?
Endometriose tritt auf, wenn sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutter befindet. Dieses Gewebe kann sich an den Eierstöcken, der Vagina, der Blase, dem Rektum, dem Darm, dem Zwerchfell, der Lunge und an anderen Stellen festsetzen. Die Folgen können Entzündungen, Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Narbengewebe, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Unterleibs- und Hüftschmerzen, Harnwegsstörungen, Müdigkeit, Schmerzen im unteren Rückenbereich und vieles mehr sein.
In meinem Fall hat sich das Gewebe um den Darm geschlungen, so dass es zum Darmverschluss kam. Ein künstlicher Darmausgang (Stoma) hat mir damals das Leben gerettet. Der konnte inzwischen auch wieder zurückverlegt werden.
Endometriose ist also weit mehr als “nur” Regelschmerzen. Narbengewebe bildet Verbindungen zwischen den Organen und diese Verklebungen verringern deren Gleitfähigkeit. Die eingeschränkte Beweglichkeit der Nerven, Muskeln, Eingeweide und des umgebenden Bindegewebes kann zu Blockaden und Schmerzen führen.
Yogaübungen für Endometriose
Inzwischen gibt es internationale Studien, die belegen, dass Yoga für Frauen mit Endometriose wirksam ist. Teilnehmer der Studie berichten, dass Yoga bei der Kontrolle von Beckenschmerzen hilfreich war. Die Integration von Körper und Psyche während der Yogapraxis greift besonders bei der Schmerzbewältigung. Der Fokus auf Atemtechniken (Pranayama) und die Verbesserung der Fähigkeit zur Introspektion sind dabei wichtige Faktoren.
Die Botschaft, die mir die Endometriose vermittelt hat, ist, meine Grenzen anzuerkennen. Das klingt so simpel – but simple is not easy. Ich habe vor 20 Jahren mit Ashtanga Yoga begonnen, war dabei sehr leistungsorientiert und bin oft an meine Grenzen gegangen. Mein Ziel: immer weiter! Ich will endlich die zweite Serie anfangen, ich will den Handstand können, ich will besser werden! Dann kam ein echtes Erwachen: Ich muss definitiv genau das Gegenteil tun – weicher werden, mehr sein statt machen.
Vor allem entspannende Yin-Haltungen und Übungen an der Wand sind mir in schwierigen Zeiten eine echte Stütze.
Podcast Yoga bei Endometriose
Komplementärmedizinische Ansätze
Zu den Behandlungsmöglichkeiten für Endometriose gehören Schmerztherapie, Hormonbehandlung und letzten Endes eine Operation, die bis heute als der effektivste Weg gilt, um Endometriose-Gewebe zu entfernen. Denn bisher ist nur mit einer Laparoskopie (Bauchspiegelung) eine definitive Diagnose möglich.
“Was ist darf sein – was sein darf, kann sich verändern.”
Werner Bock
Dieses Zitat von Werner Bock schreibt sich hier so einfach. Das heißt nicht, dass ich innerlich “Juhuu” rufe, wenn ich Schmerzen habe. Aber ich denke nicht mehr die ganze Zeit “Ich will das nicht”, sondern bin aufmerksamer und höre meinem Körper zu. Ich möchte euch ein paar komplementärmedizinische Ansätze vorstellen, die mir bei der Begleitung der Endometriose sehr geholfen haben.
Osteopathie bei Endometriose
Manuelle Physiotherapie für die Beckenbodenmuskulatur, den Unterleib und die Eingeweide kann helfen, das eingeschränkte Endometriose-Gewebe zu befreien und sekundäre Muskelverspannungen zu verringern. Bei der Osteopathie scheiden sich die Geister. Ich habe von Frauen gehört, die das Gefühl hatten, dass sich durch die starken manuellen Handgriffe der Osteopathen ihre Endometriose verschlimmert hat. Mein Tipp: Ich habe gleich bei der ersten Behandlung mit meiner Osteopathin gesprochen und klar gesagt, dass ich keine Schmerzen mehr empfinden möchte.
Meine Therapeutin war sehr einfühlsam. Sie hat sofort verstanden, was ich bereits durchgemacht habe und konnte mich und mein Bedürfnis schmerzfrei zu arbeiten, annehmen. Während der Behandlung hat sie immer wieder gefragt, ob ich diesen oder jenen Handgriff als angenehm empfinde. Also, unbedingt vor der Behandlung mit eurem Osteopathen klare Grenzen besprechen. Die gesamte Krankheit dreht sich um Grenzüberschreitung – die Endometriose-Herde wachsen an Stellen, an die sie nicht hingehören. Ich habe lernen müssen, mich immer wieder zu fragen, wo meine Grenze liegt und diese gelassen und klar zu äußern.
Shiatsu – japanische Heilmassage
Shiatsu kommt aus Japan und hat sich aus der tradtionellen Tuina Massage der TCM entwickelt. Die Shiatsu Massage berührt und unterstützt die Anbindung an den Lebensstrom Ki (was Yogis unter Prana verstehen und in der TCM als Chi bezeichnet wird) und nutzt dabei die Aktivierung von Meridianen und Akupunkturpunkten zur Lösung von muskulären Verspannungen und Gelenk-Blockaden.
Mehr zum Thema Shiatsu und Yoga – “5 Fakten, die du über Shiatsu wissen solltest.”
Die Behandlung findet bekleidet statt – was für mich etwas von “klare Grenzen ziehen” hat. Nach den vielen gynäkologischen Untersuchungen, die nun einmal notwendig sind, hat mich das beim Shiatsu ganz besonders berührt. Das entspannte Gefühl nach der Behandlung hat mich immer leichter aufatmen lassen.
Praxis-Tipp: “Treffpunkt der drei Yin-Meridiane”
Vor und während der Periode den Akupunktur-Punkt “Treffpunkt der drei Yin-Meridiane” massieren. An der Bein-Innenseite, drei fingerbreit oberhalb vom Fußgelenk treffen sich Nieren-, Milz- und Lebermeridian. Drei essentielle Energie-Leitbahnen für alle Frauenthemen. Achtung: Nicht bei Schwangerschaft drücken. Während der Schwangerschaft ist dieser Punkt kontra-indikativ.
Hakomi – Körperorientierte Psychotherapie
Da ich bereits eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis habe, war das die bisher effektivste Methode, um mit meinem Körper in einen positiven Kontakt zu kommen. Das Wort “Hakomi” stammt aus der Sprache der Hopi-Indianer und bedeutet “Der, der du bist” oder in der Frageform “Wer bist du?” Und das ist der Fokus der Hakomi-Methode: die Erforschung der Selbstorganisation.
Das Prinzip der Selbstorganisation (Organizität) geht davon aus, dass jedem lebenden System die Fähigkeit zur Selbstheilung innewohnt. Die Untrennbarkeit von Körper und Geist ist dabei die Grundlage. In der Arbeit mit meiner Hakomi-Therapeutin habe ich die Endometriose als Botschaft meines Körpers erleben können, anstatt nur Symptome zu erfahren, die mir einfach zustoßen.
Ich konnte mit Anteilen in mir in Kontakt treten, die mir Kraft geben und starke Ressourcen aktivieren. Neben meiner eigenen Yogapraxis, ist die Begleitung durch meine Hakomi-Therapeutin die bisher wichtigste Stütze für mich gewesen.
Ruhe ist Medizin
Das verheerende an der Endometriose ist, dass die Diagnose erst nach Jahren der Schmerzen und des Leidens gestellt wird. Die Zeit ist von Unruhe geprägt. Ich war schon Tage vor meiner Regel sehr angespannt, checkte die Schmerzmittel Vorräte und deponierte sie in jeder Jacken- und Hosentasche.
Neben der Schulmedizin, Yoga und den drei oben genannten Heilmethoden gibt es noch zahlreiche andere Ansätze. Auch mit der Ernährung nehmt ihr Einfluss auf den Verlauf der Endometriose. Da bei mir der Darm betroffen ist, esse ich keine Zwiebeln oder Knoblauch. Und keine Soja-Produkte, denn die darin enthaltenen Phytoestrogene beeinflussen über den Hormonspiegel das Wachstum der Endometriose-Herde im Körper. Wichtig: die Leichtigkeit nicht vergessen. Das heißt, wenn ich bei Freunden eingeladen bin und es sind Zwiebeln und Knoblauch im Essen, mache ich kein großes Ding daraus.
Ruhe ist zu meiner Medizin geworden: Nicht aus der Ruhe kommen, meinen Körper in Ruhe lassen und Ausruhen, sind die wichtigsten Eckpfeiler meines Heilungsprozesses. Mein Ziel ist es, die Leichtigkeit zu leben, auch mit der Endometriose.
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