Glück und Erfüllung in der Arbeit. Luxus oder Notwendigkeit? Auf jeden Fall eine Übung, die sich jeden Tag im Berufsleben praktizieren lässt. Das empfiehlt die Meditationslehrerin und Bestseller-Autorin Sharon Salzberg. Sogar in Jobs, die wir nie lieben werden. Sie hat einige hilfreiche Tipps zusammengefasst. Diese helfen, Sinn in der Arbeit zu finden. Und vielleicht sogar den Traumjob.
Zur Vorbereitung auf mein Buch “Real Happiness at Work” sprach ich mit Menschen der unterschiedlichsten Berufe. Vom Wall-Street-Banker über den Teppichreiniger oder Lehrer bis zur Polizistin. Ziel meines Projekts über “Glück am Arbeitsplatz” war allerdings nicht die Idee, dass alle ihren Traumjob finden. Vielmehr suchte ich nach Wegen, auf denen ganz alltägliches Berufsleben Sinn und Zufriedenheit bringt. Auch in einer Position, die der eigenen Vorstellung vom Traumjob vielleicht nicht entspricht.
Aber warum sollte man überhaupt “Sinn” im Job erwarten? Laut einer Umfrage der US-Beratungsfirma “The Energy Project” rangiert dieser Faktor für das persönliche Glück am Arbeitsplatz ganz vorn. Noch vor der Position innerhalb der Firma. Oder dem sozialen Status. Keinesfalls ist deine persönliche Zufriedenheit etwas Selbstsüchtiges. Die innere Ressource kommt deinem Umfeld auf jeden Fall zugute.
Abgrenzung zur Rolle im Arbeitsleben
Vielleicht kommt dir bekannt vor, was mir Tracy, eine Sekretärin, erzählte. “Für mich ist es eine Riesenherausforderung, mich nicht nur als Büroangestellte zu begreifen”, erklärt sie. “Was ist mein Job? Und was bin ich? Dieser Beruf war nie maßgeschneidert für mich. Ich gebe mein Bestes, aber das macht mich auf Dauer mürbe.” Wie Tracy strengt es die meisten Menschen an, die eigene Persönlichkeit von der Rolle im Arbeitsleben abzugrenzen und dennoch Sinnhaftigkeit im Job zu erkennen. Zumal diese Rolle oft Ursache für Enttäuschung, Stress, Konkurrenzverhalten und manchmal schiere Verzweiflung ist. Phasen, in denen man Herablassung vom Chef spürt, von Scheitern enttäuscht oder von einem ungeheurem Arbeitspensum überwältigt wird, können wir nicht vermeiden. Sehr wohl können wir aber unsere Haltung gegenüber diesen Erfahrungen beeinflussen. Meditation kann hier eine entscheidende Rolle spielen.
Zwei entscheidende Schlüsselqualitäten für den Sinn in der eigenen Arbeit!
1. Eine starke Basis durch Meditation
Meditation hilft bei Basisqualitäten wie Achtsamkeit, Verbundenheit und Widerstandsfähigkeit. Sicher ist es möglich, dem Job auch ohne Meditation Sinn zu verleihen. Aber meiner Erfahrung nach hilft vielen eine regelmäßige Praxis enorm. Die zwei Schlüsselqualitäten von Meditation sind Achtsamkeit und Mitgefühl. Sie verändern damit auch die Haltung im Arbeitsleben.
Achtsamkeit bietet einen Rahmen, in dem wir unsere Aufmerksamkeit verfeinern und uns intensiver mit dem Moment verbinden. Dies ermöglicht, die Gegenwart bewusster und offener wahrzunehmen, als es Bewertungen, Annahmen und Vorurteile oft erlauben. In dieser Hinsicht ist Achtsamkeit durchaus eine Art “Leistungssteigerung”. Wenn du dich einer Aufgabe mit voller Präsenz widmest, meisterst du sie aller Wahrscheinlichkeit nach und erlebst Sinn darin.
2. Mitgefühl und Respekt
Das zweite Konzept ist Mitgefühl. Es umfasst echtes Zuhören, respektvolles Handeln und die Anerkennung wechselseitiger Verbundenheit. Getragen von Achtsamkeit und Mitgefühl hat jede Arbeit bedeutungsvolles Potenzial. Im Folgenden findest du dazu vier praktische Vorschläge.
Vier Wege, um mehr Sinn in der Arbeit zu finden
1. Achtsam gesetzte Erwartungen
Für seine Rede auf der Graduiertenfeier an der Universität Stanford wurde Steve Jobs 2005 sowohl gelobt als auch kritisiert. Darin empfahl er den frisch gebackenen Absolventen. “Die einzige Möglichkeit für sinnvolle Arbeit ist es, seine Arbeit zu lieben.” Natürlich hat der Apple-Gründer nicht unrecht. Schließlich verbringen wir den Großteil unserer Zeit im Job. Diese als sinnlos zu empfinden, trägt nicht unbedingt zur Lebensqualität bei. Andererseits übersah Jobs die Tatsache, dass es auch möglich ist, einen ungeliebten Beruf mit Bedeutung zu füllen.
Für mich besteht der erste Schritt darin, achtsam mit Erwartungen umzugehen. Amy Wrzesniewski, Professorin für Organisationsverhalten an der Universität Yale, hat ein interessantes Klassifizierungssystem entwickelt. Es überprüft die eigene Einschätzung der Arbeit. Ist der Job reiner Broterwerb, Karriereplattform oder ideelle Berufung? Die Klärung dieser Orientierung hilft dabei, Wege zu größerer Zufriedenheit zu finden. Habe ich diese Arbeit wegen des Verdiensts gewählt? Weil der Job mich wirklich interessiert? Oder weil er eine ideale Sprosse in der Karriereleiter sein könnte? Das Eingestehen schafft emotionale Freiheit. Vielleicht ist dein Job ja deine Leidenschaft? Falls ja, dann wertschätzte, dass für dich die Bedeutung bereits im Tun liegt.
2. Tägliche Intention
Versuche, deiner Arbeit mit einer authentischen, von Herzen kommenden Intention zu begegnen. Vor einem Meeting oder bedeutenden Telefongespräch kannst du dich zum Beispiel fragen. “Was verspreche ich mir von dieser Begegnung? Worum geht es mir konkret?” Das hilft dir, ein Ziel zu identifizieren. Es sollte mit deinen Werten in Einklang stehen.
Deine Intention kann heute auch darin bestehen, jeder Person mit Respekt und Freundlichkeit zu begegnen. Viele Menschen haben mir berichtet, dass so eine Haltung nicht nur jede Aufgabe leichter macht. Sondern sie verleiht ihnen auch ein Gefühl von Sinnhaftigkeit. Wenn dein Vorsatz lautet, mit anderen Menschen gut zu kommunizieren? Dann wird beispielsweise das normale Email-Schreiben zu deiner täglichen Achtsamkeitspraxis. Nimm deinen Schreibstil wahr. Atme nach jedem Absatz dreimal bewusst ein und aus. Wenn es zeitlich möglich ist, lies den Text zum Schluss noch einmal durch. Versetze dich in die Rolle des Empfängers. Wie wird er deine Nachricht wohl empfinden?
3. Volle Aufmerksamkeit – egal, ob Traumjob oder nicht.
Unsere extrem vernetzte digitale Kultur hat Multitasking zum Ideal erhoben. Es scheint schier unmöglich, nicht in jedem Moment des Tages mindestens zwei Dinge parallel zu tun. In Wirklichkeit ist Multitasking nichts anderes als kontinuierliche Zerstreuung. Denn man erledigt tatsächlich nicht mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Stattdessen springt man nur zwischen verschiedenen Aktivitäten hin und her. Man vermischt sie und widmet jeder Aufgabe allenfalls geteilte Aufmerksamkeit. Die Folge: Man fühlt sich nicht nur unproduktiv, sondern auch unerfüllt. Die Antwort auf diese zeitgemäße Epidemie klingt einfach, ist aber gar nicht so leicht. Konzentriere dich auf eine einzige Sache. Auch wenn du zwischendurch eine Pause machst, solltest du diese Unterbrechung nicht dazu nutzen, mal schnell einen Unterpunkt deiner To-do-Liste abzuhaken. Gönne dir stattdessen wirklich einen Moment Ruhe und Erholung. Träume auch mal, anstatt dem Traumjob nachzujagen.
Manchmal genügt es schon, sich einen Moment lang auf den eigenen Atem zu besinnen, um die Arbeit wieder frisch und mit erweiterter Perspektive anzugehen. Ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt Energie und Tatkraft, weil wir nur so Interesse und Neugier für unser Tun entwickeln können. Das Resultat: Die Zufriedenheit im Job wächst, weil wir uns vollständiger mit dem verbinden, was gerade in diesem Moment passiert. In jedem Fall die bessere Strategie, als darauf zu warten, dass irgendwann alles besser wird oder sich der “Traum-Job” anbietet.
4. Mitgefühl, Verbundenheit und Kommunikation
Kurz nach dem Erscheinen von “Real Happiness at Work” hatte ich eine inspirierende Unterhaltung mit einer Frau. Sie arbeitete die im Kundendienst und musste sich die meiste Zeit mit Beschwerden auseinandersetzen. Zu meiner Überraschung berichtete sie, dass sie alle Anrufer als liebenswert empfindet. “Wenn Kunden bei mir landen, müssen sie bereits viele Gespräche geführt haben und extrem frustriert sein. Ich weiß, dass auch ich ihnen nicht immer helfen kann. Aber ich bin damit aber immer ehrlich.” Ihre an sich selbst gestellte Verpflichtung lautet, sich um jeden ernsthaft kümmern. Sie will respektvoll statt verärgert agieren. Das Kundendienst-Telefon ist sicher ziemlich weit von dem entfernt, was sich die Frau zu Beginn ihres Berufslebens einmal erträumte. Aber als sie mir von ihrem Job berichtete, strahlte sie förmlich. Sie hat ihren Beruf aus eigener Kraft wertvoll gemacht. Und zwar durch die persönliche Hinwendung zu jedem einzelnen Menschen.
“Sinn” ist ein schwer fassbares Konzept. Ein Gefühl von Sinnhaftigkeit stellt sich am ehesten ein, wenn wir selbst in jedem Moment offen dafür sind. Hier kommen Achtsamkeit und Mitgefühl ins Spiel. Sie schaffen Verbindung zu unseren täglichen Erfahrungen. Und zu uns selbst und anderen. Zu unseren Werten und Zielsetzungen. Diese Verbindung ist “übertragbar”. Wir können sie überall hin mitnehmen. Zur Arbeit und darüber hinaus. So machst du jeden Job zu deinem Traumjob.
Sharon Salzberg ist Meditationslehrerin und Bestseller-Autorin über den Traumjob. Zudem ist sie Mitgründerin der “Insight Meditation Society” in Barre, Massachusetts/USA. | Foto: Janeb 13/ unsplash.com.