Endlich: Nach wochenlanger Zwangspause war “Yoga Journal”-Redakteurin Christina Raftery das erste Mal wieder im Yogastudio. Hier erzählt die Münchnerin wie sie ihre erste Stunde nach dem Corona-Shut Down erlebte und was die gemeinsame Praxis in ihr ausgelöst hat.
“Bislang habe ich es eher vermieden, mit Yogamatte unter dem Arm durch mein Münchner Szeneviertel zu
schlendern – kam mir irgendwie klischeehaft vor, fehlte nur noch der Kokos-Matcha-Latte-To Go. Doch
ebenso wie mein Chor jetzt per Zoom-Konferenz probt, ich in den letzten Monaten mit Freunden bis zur
Erschöpfung die überfüllten Isarauen auf- und abging statt gemütlich im Café zu sitzen und mich zur
Hauslehrerin meiner Tochter aufschwingen musste, wurde auch beim Yoga alles anders: Wohnzimmer
statt Studio, “Galerieansicht” statt Heilkreis und mitten im Schulterstand das Klingeln des Paketboten.
Endlich wieder ins Yogastudio
Doch jetzt dürfen wir wieder! Nicht nur ins Restaurant, ins Museum und zur Massage, sondern endlich
auch ins Yogastudio. Mit einem Seufzer der Erleichterung und leichter Aufregung packte ich also meine
yogischen Habseligkeiten, natürlich auch die klischeehafte Matte, kämme mich (keine Selbstverständlichkeit in Home Office-Zeiten) und radle fertig umgezogen im Yoga-Outfit (eine Selbstverständlichkeit in Home-Office-Zeiten) in Richtung neue alte Routine. Warum ich mich dem sofort wieder aussetzen möchte, haben mich vorsichtige Bekannte zuvor gefragt.
Das Gefühl von Gemeinschaft
Klar, das Online-Angebot ist super und vielfältig wie nie, aber ich freue mich beim Üben auf echte
Gesichter, unverfälschten Sound, das Gefühl von Gemeinschaft und besonders… ach halt, mit Assists und
der Schlussmassage wird es vermutlich erstmal nichts. Na gut, vielleicht will ich mich auch live und direkt davon überzeugen, dass alle wohlauf sind – dass in letzter Zeit auch Teile der Yogaszene Verschwörungsideen aufzugreifen scheinen und dies auch in durchaus etablierten Medien nachzulesen ist, lies mich mitunter daran zweifeln. Also Mundschutz auf und durch!
Eigentlich sieht es aus wie immer
Bereits am Empfang bei Jivamukti München dann die Erleichterung: Eigentlich sieht es aus wie immer, und allen geht es gut. Es gibt ein paar (nachvollzieh- und machbare) Hygiene-Regeln und Verhaltenstipps wie Gesichtsmaske abseits der eigenen Matte, die Umkleidekabinen sind verschlossen, die Plätze für die in reduzierter Zahl ausrollbaren Matten mit Klebestreifen markiert. Der Luxus: In einem Studio, in dem sonst bei kategorisch geschlossenen Fenstern dicht an dicht sehr dynamisch geübt wird, ist ausreichend Platz und die Luft hervorragend. Der Nachteil: Mir fehlt meine halbe Wohnungseinrichtung an Hilfsmitteln, die ich beim Iyengar Yoga einzusetzen gelernt habe.
Yoga ist Verbindung
“Ich fühle mich wie amputiert”, sagt auch Lehrerin Nadine, die für ihre Zuwendung und hilfreichen Assists bekannt ist und jetzt ihren Platz vor den Übenden nicht wirklich verlassen kann. Auf Herzöffner hat sie ihre Stunde angelegt, denn – und nur das kann die Antwort auf die ängstlichen Untergangsszenarien rund um die Krise sein: “Yoga ist Verbindung, das Herz kennt keine Abspaltung.” Es fühlt sich gut an, tatsächlich nach dem viel zitierten Stück “Normalität”. Mitten aus der Meditation reißt mich allerdings ein Klingelton – oh Gott, mein eigenes Handy in der Tasche, das ist mir in fast 20 Jahren Yogaunterricht noch nicht einmal passiert. Wahrscheinlich ein Weckruf, dass doch nicht alles so sein kann wie gewohnt.
Mit Offenheit und Mitgefühl
In der neuen Situation brauchen wir weiterhin viel Offenheit und Mitgefühl mit allem und allen: mit denen, die Verantwortung tragen, die traurig und verängstigt sind und auch denen, die das Leben vor allem genießen wollen. Informiert bleiben ohne auszurasten, Verbindung zu halten, ob online oder wieder in “echt”, und Ruhe bewahren ohne ignorant zu sein: Was üben wir eigentlich anderes im Yoga?