Für die einen absolutes Luxusgut, für die anderen schlicht Tierquälerei – kaum ein Material wird so kontrovers diskutiert wie der Pelz. Aber ausgerechnet diesem haarigen Tierkleid verdankten wir Menschen einst das Überleben in kühlen Klimazonen. Grund genug, einen genaueren Blick auf dessen Geschichte und die heutige Debatte darum zu werfen.
Der Winter kommt mit großen Schritten und mit den fallenden Temperaturen schmiegen wir uns in dicke Jacken. Ehe man es sich versieht, ist das Stadtbild wieder geprägt von zahlreichen pelzverzierten Kapuzen und Krägen, Mänteln und Schals. Buschig und kuschelig sind sie selbst um die Hälse von Mityogis gewickelt. Yoga als ganzheitliches Lebenskonzept umfasst für den Praktizierenden jedoch auch das Gebot der Gewaltlosigkeit (Sanskrit: Ahimsa) gegenüber all seinen Mitgeschöpfen. Wir Yogis fungieren also als Botschafter des Friedens. Aber wie verhält es sich bei uns mit der Praxis der Gewaltlosigkeit, wenn wir diese nicht im Kontext alltäglicher Lebenssituationen sehen?
Zwei Schritte vor, einen zurück
Am 20. September 2011 konnten Tierschützer einen großen Sieg in ihrem Kampf gegen Pelzmode verzeichnen: West Hollywood ging als erste amerikanische Stadt in die Geschichte ein, die den Verkauf von Pelzwaren komplett verbat. Ein Meilenstein, besonders wenn man bedenkt, dass es hier mit der hohen Dichte an wohlhabenden Bewohnern rund um den Rodeo Drive einen großen Absatzmarkt gegeben hat. Es gibt sie, die kleinen, großen Erfolge: Seit 1990 ist die Pelztierhaltung in der Schweiz und Großbritannien untersagt, Norwegen ist auf dem besten Weg dorthin und auch das 2008 in Kraft getretene Importverbot für Hunde- und Katzenfelle in die EU setzt der Pelzlobby zu. Die Oslo Fashion Week ist seit Anfang dieses Jahres pelzfrei. PETA-Vize-Vorsitzender Harald Ullmann bezieht klar Stellung in seinen Bemühungen um eine ebenso pelzfreie Berlin Fashion Week: „Mode sollte todschick sein, ohne jemanden dafür zu töten. Die Fashion Week in Oslo zeigt, wie innovativ junge Designer ohne Tierquälerei arbeiten können. Berlin sollte sich daran ein Vorbild nehmen. Die Zeiten, in denen Menschen noch unbedacht Pelze trugen, sind schlichtweg vorbei.“
Die Pelzindustrie weiß sich zu helfen
In den 80er Jahren wuchs die Anti-Pelz-Bewegung derart an, dass bis in die Neunziger ein Großteil der Pelzfarmen weltweit gezwungen war, die Tore zu schließen. Nichts fürchtet die Pelzlobby seitdem mehr als eine informierte Öffentlichkeit. Aus diesem Grund verschleiert das Deutsche Pelzinstitut seine Strategien, verhindert Bildaufnahmen und gibt in den seltensten Fällen Antworten auf kritische Fragen. Um den verminderten Absatzmarkt wieder anzukurbeln, werden geschickte Schachzüge unternommen: Aufbereiteter Pelz in Kleinteilen, besonders in Form von Pelzkragen an Daunenjacken oder als spielerischer Besatz an Dessous, wird vom Kunden bedenkenloser gekauft als ein kompletter Mantel und ist auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich. Zugleich gibt es tatsächlich eine große Bandbreite von Modeunternehmen, die sich gegen die Verwendung von Echtpelz ausgesprochen haben: Tommy Hilfiger, Vivienne Westwood und Polo Ralph Lauren sind nur einige große Namen, die sich im Kampf gegen die pelzige Ungerechtigkeit hervortun. Donna Karan von DKNY jedoch hält die tierfreundliche Welt mit ihren leeren Verzichtsversprechungen seit Jahren in Atem. B. K. S. Iyengar persönlich sprach ihr in einem Brief sein Missfallen aus: „Darf ich Sie als Yoga-Übende in meinem Namen und im Namen meiner Freunde von der Tierschutzorganisation People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) auffordern, von der Verwendung von Tierpelzen Abstand zu -nehmen?“ Schließlich würden die grausamsten Tötungsmethoden eingesetzt, um den Tieren das Fell abzuziehen. Frau Karan jedoch hüllte sich in Schweigen.
Man müsste meinen, die Zeit sei überreif für ein neues Bewusstsein. Aber offenbar hat sich die Erkenntnis, dass das Verarbeiten und Tragen von Pelz nur unnötiges Leid verursacht und in heutiger Zeit schlicht nicht mehr notwendig ist, immer noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Um es kurz zu machen: Pelz ist ein unnötiges Luxusgut. Oder wie schon Bernhard Grzimek schrieb: „Der Einzige, der einen Ozelotpelz wirklich braucht, ist der Ozelot.“
EXPERTENINTERVIEW: Prof. Dipl.-Des. (FH) Ulrike Nägele
„Die Kunstpelz-Bewegung beweist extrem viel Ehrgeiz in den letzten Jahren“
Ulrike Nägele hält die Professur für künstlerisch-konzeptionelle Modedarstellung und Inszenierung an der AMD München. Dank ihres Studiums des Mode-, Textil- und Kostümdesigns und jahrelanger Erfahrung als Kostümbildnerin kann sie auf ein tiefes Wissen über die Geschichte der menschlichen Bekleidung zurückgreifen. Und da spielte Pelz bisher immer eine tragende Rolle.
YOGA JOURNAL: Unsere Vorfahren, die Steinzeitmenschen, konnten nur überleben, weil sie sich mit Tierfellen wärmten. Wie hat sich Pelz als Bekleidung in späteren Jahren verbreitet?
ULRIKE NÄGELE: Das Tragen von Pelz war vorerst eine regionale Angelegenheit. Schutz vor Kälte bedurften eher die nördlichen Regionen und in warmen Klimazonen wie Südeuropa hatte man andere, leichtere Stoffe entwickelt. Erst auf den Feldzügen gegen die Germanen hatten die Römer deren Pelze erstmals wahrgenommen und dann zum Teil auch übernommen. Die Pelzmode der Römer, die ja kulturell höher gestellt waren, ist letztendlich eine Übernahme. Die Römer waren die kulturell führende Nation, die Trendsetter der damaligen Zeit. Man kopierte ihren Stil folglich gerne. Auf diese Weise ist dann der Pelz ebenso wie die Toga salonfähig geworden. Zugleich blieb er jedoch bis zum 5. Jahrhundert bei vielen verpönt, weil die Herstellung bis dahin noch ein sehr herber Vorgang war. Spezielle Verarbeitungstechniken mussten sich ja erst mal entwickeln. Dennoch war der Pelz dann in seiner fertigen Version relativ bald ein Zeichen von Wohlstand, vor allem wenn er von einem seltenen Tier stammte. Hermeline und Nerze bekamen im Laufe der Jahrhunderte einen luxuriösen Stellenwert. Auch aufgrund der Tatsache, dass es sich um kleine Tiere -handelt. Für einen Mantel braucht es nun mal mehrere von diesen Geschöpfen.
Also war Pelz auch damals schon eine teure Angelegenheit.
Ja. Das haben die Römer dann auch schnell begriffen. In der burgundischen Mode [eine der elegantesten Modephasen im Mittelalter. Anm. d. Verf.] wurde er dann edel verarbeitet und zum Inbegriff von Luxus. Aus späteren Zeiten kennt man ja die klassischen Darstellungen der Könige in schweren Hermelinroben, sowohl Ludwigs XIV. als auch Napoleons. Jahrhundertelang war es nur dem Adel vorbehalten, Pelz zu tragen oder gar zu besitzen. Allein die Beschaffung war vorerst auch ein logistisches Problem: Die Mehrzahl der Pelze stammte aus Russland. Allerdings ist Pelz ursprünglich nicht an der Außenseite eines Kleidungsstückes verwendet worden, sondern als Kragen oder in der Innenauskleidung, was man -fachsprachlich als „Verbrämung“ bezeichnet. Dass der Pelz außen zur Schau gestellt wurde – quasi als „Manteltier“ – passierte erst später.
Ab wann hatte Pelz seinen Durchbruch in der bürgerlichen Mode?
In der Renaissance. Sie steht für die Demokratisierung der Mode, für das aufstrebende Bürgertum, das durch das Kaufmannswesen nun einen erheblichen Wirtschaftsfaktor darstellte. Männer trugen Pelz im größeren Stil und stellten ihn zur Schau, Frauen zurückhaltend in Form von Verbrämung, Kragen oder Muff. Im Rokoko ging der Pelztrend wieder an die Königshäuser zurück. Die Biedermeier- und Empire-Zeit war weniger pelzlastig, da größtenteils das Geld für derartigen Luxus fehlte. Spätestens in den Goldenen Zwanzigern des vorigen Jahrhunderts schmückte man sich als Frau den Hals jedoch mit ganzen Füchsen und fühlte sich schick in solch mondänen Kleidungsstücken.
Kann man behaupten, es zeugte von Emanzipation, so ein gewaltiges Tier um den Hals zu tragen?
Natürlich, die Haltung war die: „So ein massives Tier kann und darf ich jetzt auch als Frau tragen.“ Gerade in den Zwanzigern haben Frauen begonnen, sich androgyn zu kleiden, als endgültige Ablösung vom Korsett. Zudem spielt die Industrialisierung mit, bessere Bildungsmöglichkeiten. Diese Zeit war einfach ein massiver kultureller Umbruch. Im Zweiten Weltkrieg galt der Pelz dann wieder primär als wärmendes Kleidungsstück: Bei der Luftwaffe waren die Fliegerjacken mit Biberlammkrägen ausgekleidet und es gab pelzgefütterte Overalls. In den eisigen Höhen und klapprigen Fliegerkabinen war das die einzige Möglichkeit, warm zu bleiben. In den 50ern war Pelz dann der Indikator des Lebensgefühls von „Uns geht’s wieder gut, wir können uns was leisten“. Für meine Oma war es das Größte, einen Pelz zu besitzen. Erst in den rebellischen 70ern gab es erstmals Proteste gegen die Pelztierzucht. Dennoch war Pelz immer noch da.
Wir haben Tiere mehr und mehr domestiziert, pflegen sie zu vermenschlichen. Hat sich unser Bewusstsein für den Tierschutz dadurch verändert?
Ja, früher war ein Tier eben ein Tier: Wölfe und Bären stellten eine wirkliche Gefahr dar, ein Punkt, der sich komplett verändert hat. Inzwischen kommen diese Tiere in unseren Breitengraden ja fast nur noch im Zoo vor. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund für unser gewandeltes Bewusstsein.
Warum hält sich die Faszination Pelz bis heute so hartnäckig?
Ich glaube, das ist letztlich eine ganz archaische Faszination: Pelz ist in der soziokulturellen Logik der Sieg über das Tier. Kampf und Sieg von Mensch gegen Tier, Zivilisation gegen Natur. Wer ist der Stärkere?
Können tierfreundliche Pelz-Alternativen denn qualitativ überzeugen?
Die Kunstpelz-Bewegung beweist extrem viel Ehrgeiz in den letzten Jahren und ein Imitat steht dem Original in puncto Aussehen in nichts nach. Als ich damals im Theater anfing, gab es nur Flokati und Plüsch. Damit konnte man keinen Blumentopf gewinnen. Für mich ist die vegane Modedesignerin Stella McCartney eine der ganz Großen im Kampf gegen Pelz. Dennoch weiß ich auch, dass sich der Modetrend gerade zum Winter hin wieder zum echten Tierfell wandelt.
Kann gut imitierter Kunstpelz Ihrer Meinung nach als unterschwellige Werbung ausgelegt werden?
Man könnte es zumindest so deuten. Ich vergleiche das gern mit dem Camouflage-Muster: Es mag zwar so etwas geben wie ein „kommerzielles Camouflage“, doch am Ende sieht es aus wie Militär. Selbst die ironische Verwendung dessen finde ich moralisch nicht vertretbar. Die Aufmerksamkeit für Pelz ist da. Es gab ganze Kampagnen, Bluteimer wurden geschmissen. Pelz zu tragen ist ein gewisser ethischer Akt, ein Statement, über das es nachzudenken lohnt. Zu handeln finde ich ehrenwert und richtig, denn es muss nicht immer alles genauso bleiben, wie es ist. Es ist ja in den vergangenen Jahren allein durch die Tierschutzorganisation PETA viel verändert worden. Ich bin sogar der Meinung, dass PETA es modern gemacht hat, keinen Pelz zu tragen. Ob die Leute dadurch letztendlich ein Bewusstsein entwickelt haben oder nicht: Es hat auf alle Fälle ein paar Tiere gerettet und dadurch ist ja auch schon etwas erreicht.
Glauben Sie, dass man das Thema ganz ausrotten kann?
Mit Sicherheit nicht, also zumindest nicht in der nächsten Zeit. Das Thema Pelz beginnt ja quasi mit der Menschheit – als das erste wärmende Kleidungsstück. Wir sind damit im evolutionären Sinne sozusagen groß geworden. Generell darf man in der Pelzdiskussion nicht zu eindimensional vorgehen und muss auch den Kontext beleuchten: Klar ist es schick zu sagen, dass man gegen Pelz ist. Aber was ist mit Leder, Fleisch und vielem anderen? Wo fängt man an, wo hört man auf? Ein neues Bewusstsein muss über kurz oder lang geschaffen werden. Das ist unausweichlich.