David Lynch: Erleuchtung ist unser Geburtsrecht

Nach der ästhetischen Revolution der Fernsehserie und drei Oscar-Nominierungen hat sich David Lynch ein neues Ziel gesetzt: die Erleuchtung der Menschen. Nach Überzeugung des Meisterregisseurs führt der Weg dahin über die Transzendentale Meditation (TM) nach Maharishi Mahesh Yogi, die Lynch seit 1973 praktiziert.

YOGA JOURNAL: Seit einigen Jahren sind Sie als Filmemacher weniger präsent und treten verstärkt als Botschafter der Transzendentalen Meditation auf. Warum?
DAVID LYNCH: TM liegt die Idee ­zugrunde, dass wir als Menschen ­Erleuchtung erlangen können. Die ­Vorstellung, dass wir nur fünf bis zehn Prozent unseres Gehirns nutzen, hat mich immer wahnsinnig gemacht. Wozu dient dann der Rest dieses Organs, und wie kann man ihn aktivieren? Was ist das Maximum, das wir erreichen können? Der Mensch ist für höchste Erleuchtung vorgesehen und regelrecht dafür konstruiert. Erleuchtung ist unser Geburtsrecht. Echtes Glück liegt nicht außerhalb von uns, sondern in unserem Inneren. TM ist eine mühelose, äußerst tiefgehende Technik, die den Geist nach innen richtet und uns subtile Schichten des Bewusstseins und des Intellekts erfahren lässt. Inzwischen kann die Hirnforschung den Effekt sogar wissenschaftlich belegen.

Angesichts Ihrer Filme kann man Ihnen eine Affinität zum Unbewussten zusprechen. Fiel Ihnen Meditation von Anfang an leicht?
Meditation war für mich immer etwas, das schwer zu praktizieren ist und einen Rückzug vom Leben bedeutet. Maharishi dagegen wandte sich an die Menschen, die im täglichen Leben stehen. Für TM braucht man keine Höhle, sondern absolviert am Morgen und am Abend eine 20-minütige Sitzung mit einem persönlichen Mantra. Das ist äußerst einfach und führt uns zu dem, was immer da war und immer da sein wird – uns selbst. Man schließt die Augen und los geht’s. Kinder, Erwachsene und sehr alte Menschen – alle können es tun.

Wie hat es Ihr Leben verändert?
Grundlegend. Bevor ich mit TM anfing, war ich ein Choleriker und beim ­Filmemachen von Ängsten und Selbstzweifeln erfüllt. Natürlich könnte man sagen, dass diese Dinge mit zunehmendem Erfolg automatisch einfacher werden. Aber der Unterschied ist weniger, was passieren sollte. Die Dinge, die mich früher belasteten, genieße ich jetzt regelrecht. Das Leben ist zu einem wunderschönen Spiel geworden. Maharishis Analogie wäre: Bewässere die Wurzeln und genieße die Frucht. Oder anders: TM ist die Tankstelle, bei der ich mir jederzeit neue Energie holen kann.

Sind Sie dank TM als Künstler subtiler ­geworden? Sind Ihre Filme von einem höheren Bewusstsein getragen?
Das weiß ich nicht. Wenn man mit Meditation beginnt, kommen die Ideen allerdings aus einer tieferen Ebene. Die Intuition, das wichtigste Werkzeug eines Künstler, wird intensiver. Denken und Fühlen gehen eine starke Verbindung ein. Es gibt weniger Angst, Zweifel, Stress, all die Dinge, die Kreativität verkümmern lassen. Man genießt seine Arbeit um so viel mehr. Wie alles andere auch. Außerdem komme ich mittlerweile leichter mit meinen Mitmenschen zurecht.

Beim Filmemachen nicht ganz unwichtig.
Auf dem spirituellen Weg sieht man ­Menschen und ihre Probleme anders und entwickelt mehr Mitgefühl und ­Verständnis für das Menschsein an sich. Es gibt keine Feinde mehr.

Meditation als Patentlösung für kreative ­Sackgassen?
Mein Freund Charlie Lutz, der frühere Leiter des TM Centers in L.A., wo ich anfing, sagte: „Meditiere und konzen­triere dich anschließend auf das Problem.“ Wenn du in der Meditation nach Ideen suchst, blockiert das den Prozess. Aber wenn du dich danach fokussierst, findest du sehr wahrscheinlich neue Einfälle. Deine Konzentration ist wie ein Magnet oder wie ein Köder, der Fische anzieht. Die Intention füllt sich mit Realität. Man kann natürlich auch während eines Spaziergangs im Hof auf Ideen kommen. Aber Meditation fördert Verständnis, Aufmerksamkeit und Wachsamkeit.

Gibt es ein Beispiel für eine bestimmte Idee, die Sie beim Meditieren bekommen haben?
Ja, ich erinnere mich genau an Szenen für „Mulholland Drive“, die mir während einer Sitzung kamen. Zu dem Zeitpunkt existierte der Film nur als Pilot für ein TV-Format. Plötzlich erhielt ich grünes Licht, ihn für das Kino zu drehen. ­Leider fehlten mir die Ideen zur Umsetzung. Eines Abends saß ich in meiner gewohnten Meditation, und völlig unvermittelt tauchten Ideen auf, in einer fast perfekten Sequenz. Ich beendete die Session, schrieb die Einfälle auf, und es war perfekt. Die Szenen betrafen den Anfang, die Mitte und das Ende des Films. Sie passten perfekt zum bereits vorhandenen Material und gaben der Produktion Kinocharakter.

Manchmal wird TM in den gleichen Topf geworfen wie Scientology. Stört Sie das?
Es gibt haufenweise Missverständnisse und so viel Ignoranz zu allen ­möglichen Themen, also auch in ­puncto TM. Die Kritiker sollten ein paar Minuten Zeit nehmen und ansehen, was dadurch erreicht wurde. Von Anfang an ­unterstützte Maharishi die wissenschaftliche Erforschung seiner ­Methode, er wollte sie in jeder Hinsicht studieren lassen. Mittlerweile gibt es rund 700 Studien über die Technik und ihren Nutzen, die sie objektiv belegbar machen. ­Aufgrund ihres ganzheitlichen Charakters ­verbessert sie das Leben und verringert Negativität. Das ist wissenschaftlich erwiesen und sollte Kritiker von ihren Vorurteilen abbringen. Man muss nicht unbedingt daran glauben. Aber zumindest mal ausprobieren. Wenn man dann erfährt, was Transzendenz bedeutet, ist man automatisch auf der Schnellstraße in Richtung eines besseren Lebens. Eines einfacheren, freudigeren Lebens. Skepsis ist in Ordnung, aber sie sollte die Menschen dazu bringen, dass sie sich die Dinge näher anschauen. Sie sollte keinen von etwas Gutem abhalten. Man kann sich einen zertifizierten TM-Lehrer suchen und anfangen, sein Leben zu verändern.

Warum ist der Einführungskurs so teuer?
Die Organisation hat so viele ­Programme und Einrichtungen, die unser Leben grundlegend verändern können – um es mit Maharishis Worten zu sagen –, den Himmel auf Erden zu erreichen. Die Gebühr ist hoch, aber es ist eine Investition auf Lebenszeit. Man könnte sich vom gleichen Geld ­natürlich auch ein Auto kaufen. Das hält allerdings nicht so lange vor.

Sehen Sie sich als TM-Missionar?
Nein, ich will niemanden ­überzeugen. Nach innen zu gehen ist keine ­Religion. Bevor ich selbst anfing, hielt ich Meditation für Unsinn und ­Zeitverschwendung. Meine Erfahrung war aber eine andere. Sobald Menschen diese Erfahrung haben, wollen sie tiefer ­eintauchen. Dann ist es ihnen egal, was es kostet.

Mit ihrer Stiftung wollen Sie TM ­flächendeckend an die Schulen bringen.
Weil sich die Situation an unseren ­Schulen enorm verschlechtert hat. Schüler leiden schon in jungem Alter an Stress, Lernschwierigkeiten treten immer häufiger auf. Den Kindern geht es nicht gut, und niemand tut etwas dagegen. Die Regierungen haben keine Ahnung, sie geben lieber das Geld für so genannte „Verteidigung“ aus. Transzendentale Meditation ist hier eine Lösung. Sie hilft den Schülern, sich mit dem Atman, ihrem Selbst, in Verbindung zu setzen. So kann jeder einzelne sein volles Potenzial entfalten.

Dass Lynch‘sche Filmuniversum ist voller Schatten und Extreme. Warum handeln Ihre Filme meistens von etwas ganz anderem als Frieden?
Ein Film, der von Anfang bis Ende nur von Frieden handelt, erzählt doch keine richtige Geschichte. Filme und Geschichten stecken immer voller Konflikte und Gegensätze, genau das macht sie ja interessant. Allerdings wollen wir dieses Leid nicht in unserem eigenen Leben haben. Wenn du krank und müde bist, kannst du nichts schaffen. Das Ziel ist nur, diese negativen Faktoren des menschlichen Daseins zu verstehen und dann daraus etwas zu gestalten – dank der Qualitäten, die dir TM vermittelt.

Wie gehen Sie persönlich mit Ärger und ­Krisen um? Sind Sie frei von „bad vibes“?
Auch ein vollständig erleuchteter Mensch kann Ärger verspüren, aber es muss einen Grund geben. Die meisten Menschen fühlen Wut. Entscheidend ist aber, ob wir daran festhalten oder das Gefühl loslassen können. Ob wir es in Granit meißeln oder ins Wasser legen. Dann kann man immer Aufwallungen von Hass oder Depression erleben, aber diese Emotionen sind weniger nachhaltig. Das Leiden wird geringer. Maharishi und viele andere Gurus sagten: Die Menschen sind nicht zum Leid geboren. Glückseligkeit ist unsere Natur. Wir sind zum Glück geboren. Es bedeutet nicht, dass du ständig eine Superlaune hast. Du bist einfach nur von tiefer Seligkeit erfüllt, die dich alles Tun genießen lässt.

Bei welchen Ereignissen hat Ihnen TM konkret geholfen?
Wenn du meditierst, ereignen sich trotzdem die gleichen Dinge in deinem Leben. Der Unterschied ist, wie du mit diesen unvermeidlichen Geschehnissen umgehst. Ich habe selbst bei Dreharbeiten manche Katastrophe erlebt: Bei „Der ­Elefantenmensch“ 1980 wollte ich das Make-up selbst machen, aber das haute überhaupt nicht hin. Vier Tage lang schwebte ich in Ungewissheit, ob man mich feuern würde. Aber dann stellte Produzent Mel Brooks einen Spezialisten dafür ein, der die Situation rettete. Das Schlimmste war aber die Zeit von „Dune – Der Wüstenplanet“ 1984. In diesem Fall wusste ich, dass ich meine Seele verkauft hatte, denn ich hatte nicht das Recht auf den Endschnitt. Damals stand ich am Rande des Selbstmords, denn ich identifiziere mich so sehr mit meinen Filmen. Aber wenn es etwas schiefgeht und ich ratlos bin, hält mich TM davon ab, eine Klippe herunterzuspringen. Doch ­allmählich wird es besser. Es gibt den Spruch: „Die Welt ist genau so, wie du selbst bist.“ Wenn du eine dunkelgrüne, schmutzige Brille trägst, siehst du auch die Dinge so. Wenn du aber in den Ozean des reinen Bewusstseins eintauchst und all diese positiven Erfahrungen machst, bekommst du eine rosa Brille. So siehst du dann auch die Welt. Damit wird dein Leben automatisch schöner.

Foto: Adrian Stähli


David Lynch

Wild At Mind: Durch die Serie „Twin Peaks“ und traumwandlerische Filme wie „Blue Velvet“, „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“ wurde David Lynch zu einem der stilbildendsten -Hollywood-Regisseure der letzten 30 Jahre. Seit 1973 praktiziert er TM, doch erst 2005 begann er sich öffentlich für die Organisation zu engagieren. Er -gründete die „David Lynch Stiftung für bewusstseinsbasiertes Lernen und Weltfrieden“, um TM an öffentlichen Schulen einzuführen. 2007 ging er auf Europatournee, um in zahlreichen Ländern TM-Universitäten zu gründen. Dabei wurde er unter anderem vom französischen, israelischen und österreichischen Regierungschef persönlich empfangen. 

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