Dr. Ronald Steiner: Alignment Cues für Virabhadrasana A

In der “Haltung des mächtigen Helden” reckt sich der oder die Übende kraftvoll gen Himmel. Dafür ist es wichtig, den Stand gut nach unten zu verwurzeln und die Rückbeuge stabil von der Basis her aufzubauen. In seiner Kolumne “Alignment Cues” erklärt dir Dr. Ronald Steiner, wie das geht.

Text: Dr. Ronald Steiner / Fotos: Richard Pilnick

Wirkung von Virabhadrasana A

Als eine der wenigen klassischen Asanas kräftigt die Heldenhaltung die Gesäßmuskulatur. Das ist ein wichtiger Ausgleich für die im Yoga viel geübte “Hüftöffnung”, denn bei zu viel einseitiger Dehnung kann das Hüftgelenk langfristig Schaden nehmen. Am hinteren Bein wird die sogenannte “Zuggurtung” angesprochen. Das sind Muskel-Faszienzüge, die vom Becken aus beidseits des Beins zum Unterschenkel ziehen. Sie sorgen dafür, dass sich Druck im Kniegelenk gleichmäßig verteilt. Wirbelsäule und Schultern werden gekräftigt und beweglicher gemacht.

So geht’s

Step 1: Setze deine Füße in einen weiten Ausfallschritt. Dabei weist der vordere Fuß gerade nach vorne, der hintere ist deutlich (mindestens 45 Grad) ausgedreht. Wähle die Weite des Schritts so, dass du dein vorderes Knie etwa senkrecht über das Sprunggelenk beugen kannst und dein Becken dennoch ohne das Gefühl einer Begrenzung nach vorne weist.

Step 2: Von hier aus richte den Oberkörper in einer harmonisch geschwungenen Rückbeuge auf, hebe die Arme über die Seiten und lege die Handflächen aneinander. Der Blick folgt den Händen.

Alignment Cues

Füße zwei Faustbreit: Das Becken soll in dieser Haltung nach vorne weisen. Da die Hüftgelenke im Becken etwa zwei Faustbreit Abstand haben, hilft es, auch die Füße zwei Faustbreit auseinander zu setzen. Verbreitere also den Schritt lieber etwas und lasse ihn um dasselbe Maß kürzer werden.

Hinterer Fuß aktiv: Für einen optimalen Bodenkontakt drehst du den hinteren Fuß etwa 45 Grad nach außen. Verwurzele dabei bewusst und gleichmäßig Ferse, Klein- und Großzehenballen. Um dein Fußgewölbe zu trainieren, drückst du dann Kleinzehenballen und Ferse gegen den Boden. Damit dabei das Sprunggelenk nicht nach außen ausweicht, hebst du anschließend den Zwischenraum zwischen Kleinzehenballen und Ferse leicht an und verwurzelst den Großzehenballen.

Vorderes Knie über dem Knöchel: Um das vordere Knie zu schützen, lässt du den Oberschenkel in die gleiche Richtung weisen, wie die Achse zwischen Ferse und zweiter Zehe. So verteilt sich der Druck unter der Kniescheibe gleichmäßig. Um diesen Druck gering zu halten, bringst du das Knie etwa senkrecht über das Sprunggelenk. Auch wenn du “tiefer” gehen willst, schiebst du das Knie nicht vor das Sprunggelenk, sondern verlängerst den Schritt.

Lies auch: Anatomie der Kniescheibe von Dr. Ronald Steiner

Hinteres Bein stabil: Im hinteren Bein entstehen oft Scherkräfte auf das Knie. Diese gleichst du aus, indem du bewusst die Innenseite des Beins aktivierst: Verwurzle den Fuß fest am Boden und strecke von hier aus das Bein kraftvoll in die Länge, als wolltest du dich abstoßen.

Becken quer: Wenn du dein Becken nicht gerade zum kurzen Ende der Matte ausrichten kannst, dann mache deinen Stand kürzer und breiter. Das quer ausgerichtete Becken ist wichtig, um den Oberkörper ohne Verdrehung nach oben wachsen zu lassen.

Po weit, Beckenboden stabil: Von den weit verbreiteten Anleitungen “Schambein nach oben” oder “Sitzhöcker zueinander” rate ich ab, denn beides führt zu Enge im Iliosakralgelenk. Stattdessen empfehle ich, das Schambein bewusst nach unten zu spannen. Die Stabilität in der unteren Wirbelsäule entwickelst du nun, indem du vom Schambein ausgehend Richtung Bauchnabel Spannung aufbaust. Die Sitzhöcker lässt du dabei bewusst weit, verwurzelst aber das Kreuzbein zwischen den beiden Beckenhälften, indem du es mit der tiefsten Schicht des Beckenbodens nach vorne Richtung Schambein einspannst.

Schultern lang, Achselhöhlen zueinander: Aus sportmedizinischer Sicht ist es wichtig, die Schulterblätter in die Bewegung zu integrieren. Die Ansage “Schultern nach unten” oder “Schultern weg von den Ohren” halte ich für kontraproduktiv, denn so haben die Oberarme unter dem Schulterdach keinen Raum, sich auf gesunde Weise zu heben. Lasse stattdessen die Schulterblätter hinten auseinander rutschen, indem du die Achselhöhlen vorne zueinander spannst.

Alternative Form von Virabhadrasana A

Durch die Schrittlänge kannst du die Herausforderung der Übung gut steuern: Je kürzer der Stand, desto leichter ist es möglich, das Becken quer auszurichten und das Knie über dem Sprunggelenk zu halten. Beides ist essenziell für eine gesunde Übungspraxis und fördert eine intensivere Kräftigung der Beine. Indem du die Arme weit nach oben öffnest, kannst du ganz bewusst die Schulterblätter mit in die Bewegung integrieren und sie gleichzeitig mobilisieren. Allmählich entsteht so mehr Bewegungsfreiheit, um die Arme weiter zu heben.


DR. RONALD STEINER ist Arzt, Wissenschaftler und Sportmediziner sowie einer der bekanntesten Praktiker des Ashtanga Yoga. Mehr zu Ronald findest du auf ashtangayoga.info. Dort findest du unter anderem alle traditionellen Übungsserien des Ashtanga Yoga.

Auch im “YogaWorld Podcast” war Dr. Ronald Steiner bereits mehrmals zu Gast. Wie z.B. in dem spannenden Zweiteiler über Yogatherapie:

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