Yin und Yang im Seitstütz mit Jelena Lieberberg

Der Tanz der Polaritäten spielt schon im Yogasutra des Patanjali eine wichtige Rolle. In Yogaklassen wird vor allem das Prinzip stira sukham asanam als philosophisches Mitgebsel in die Asana-Praxis mit eingeflochten. YOGA JOURNAL-Autorin Jelena Lieberberg zum Yin und Yang in Vasishthasana, dem Seitstütz.

Das Prinzip stira sukham asanam ist im zweiten Kapitel des Sutra zu finden, also in Sadhana-Pada, dem Übungsteil. Über die genaue Interpretation wird gern gestritten. R. Sriram übersetzt die Textstelle mit “Die ideale Haltung ist stabil und leicht zugleich.” Manchmal heißt es auch: “Asanas sollen gleichermaßen die Qualitäten Kraft und Entspannung aufweisen.” Oder: “Der Sitz ist fest und leicht.” Ähnlich wie die chinesische Philosophie die Pole Yin und Yang in Harmonie bringen will, beschreibt also auch Stira Sukha die Entstehung des Ganzen durch die Verbindung der Gegensätzlichkeiten.

Vasishthasana, der Seitstütz, ist eine herausforderne Haltung, die Balance und Körperspannung erfordert. Zugleich spricht sie unser Herzchakra an und fördert so den Zugang zu Selbstliebe, einem friedvollen Umgang mit uns selbst. Mich interessiert hier vor allem der Ausgleich zwischen Anstrengung und Leichtigkeit, Yang und Yin, Stira und Sukha, denn gerade in Armbalancen kann man schnell in alte Muster der Anstrengung fallen. Um so interessanter wird es, das Prinzip der Polaritäten ins Üben einfließen zu lassen und in dieser Stützposition die Kraft wahrzunehmen und gleichzeitig auf die Suche nach Leichtigkeit zu gehen.

Macht das Spaß?

Auf jeden Fall. Bei dieser Asana gibt es Varianten für alle Level, weshalb sie auch für Anfänger zugänglich ist: In der leichtesten Variante bleibt das untere Knie am Boden und du konzentrierst dich mehr auf die Qualität der Haltung als auf die Form.

Muss ich das können?

Nein, aber wenn du mal die Lust verspürst, etwas für deine Körperspannung, in diesem Fall vor allem für die schrägen Bauchmuskeln, Po, Beine und Arme zu tun, dann ist der Seitstütz ideal. Merkst du, dass er dir schwer fällt, dann übe ihn ganz bewusst auch 2-3 Mal pro Seite und versuche, ihn 5 Atemzüge oder länger zu halten. So baust du mehr Kraft und Ausdauer auf.

Was muss ich dafür tun?

Deine Handgelenke werden dir für ein wenig Warm-up dankbar sein. Dafür kannst du die Finger verschränken und die Gelenke 30 Sekunden kreisen lassen. Um den Kreislauf in Schwung zu bringen, übst du außerdem 3-5 Sonnengrüße, bevor du dich dem Seitstütz widmest.

Foto: Aljosa Petric

Step by step Anleitung

  1. Wir beginnen im herabschauenden Hund. Setze die Füße etwas weiter nach hinten und dichter zueinander und verlagere dein Gewicht ein wenig nach vorne, bis die Schultern etwa senkrecht über den Händen stehen. So gelangst du in die Schiefe Ebene (auch Bretthaltung genannt).
  2. Verlagere nun dein Gewicht auf die rechte Hand und drehe den Körper in den Raum. Dabei hast du verschiedene Möglichkeiten für die Beine: In der klassischen Variante streckst du beide Beine und “stapelst” deine gebeugten Füße übereinander. Du kannst aber auch den oberen Fuß vor dem unteren auf dem Boden aufsetzen, oder sogar das untere Knie absetzen. In jedem Fall richtest du die linke Hüfte senkrecht über der rechten aus und die linke Schulter über der rechten.
  3. Wie viel Kraft brauchst du? Wo kannst du Leichtigkeit finden? Wähle eine Variante, die dir genau dieses Gleichgewicht ermöglicht. Am besten erkennst du das richtige Maß an Intensität an einem ruhigen Atem. Stabilisiere dich aus der Körpermitte und strecke deinen Körper lang. Gleichzeitig lässt du überschüssige Spannung los, vor allem im oberen Arm und im Gesicht.
  4. Wenn du eher noch etwas mehr Kraft aufwenden möchtest, dann beugst du zusätzlich (wie auf dem Foto) das obere Bein und legst die freie Hand auf das Knie. Diese Hand auf dem Knie ist deine Erinnerung an die Prinzipien der Sutras: Sei stark und selbstbewusst und gleichzeitig gütig zu dir selbst. Atme mit Leichtigkeit. Diese Freundlichkeit kannst du gut mit einem wohlwollenden Lächeln erreichen und unterstützen.
  5. Bleibe 5-10 Atemzüge lang in der Haltung, dann wiederholst du den Seitstütz auch auf der anderen Seite. Tipp: Falls sich eine Seite viel schwächer anfühlt, übe sie länger oder gib ihr mehr Wiederholungen.

TEXT: JELENA LIEBERBERG / FOTO: ALJOSA PETRIC


Fragen oder Anregungen? Du findest Jelena Lieberberg auf instagram.com/kickassyoga,  kickassyoga.net oder im Buch “KickAssAsanas“.

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100. Ausgabe YogaWorld Journal

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