Mit der Kraft des Rumpfs arbeiten und dabei seine Muskulatur stärken – oder loslassen und eher die Arme einsetzen, um möglichst tief in die Drehung zu kommen? Wie immer hat beides seinen Sinn. Man sollte bloß wissen, was man tut und warum.
Text: Timo Wahl / Fotos: Katrin Schander
Drehungen gehören zu den Kernelementen der Yogapraxis. Zusammen mit den Rück- und Vorwärtsbeugen sowie den Seitneigungen bilden sie das Fundament unserer Bewegungsmöglichkeiten. Der Körper strebt dabei stets nach den gleichen Grundfesten: Er benötigt Kraft für die Bewegung und den inneren Zusammenhalt der Strukturen und er benötigt Flexibilität und damit verbundenen Raum. Beide Elemente wollen gut aufeinander abgestimmt sein, damit wir uns in unserem Körper wohl fühlen. Auch in der Asana-Praxis müssen alle Komponenten gut dosiert und untereinander abgestimmt sein.
Was dreht hier eigentlich?
Kernidee der Drehung ist die Mobilisation und Bewegungsmaximierung der Wirbelsäule. Deren Flexibilität ist nicht umsonst eines der wichtigen Merkmale zur biologischen Altersbestimmung. Betrachtet man den inneren Aufbau unseres Bewegungsapparates, so fällt auf, dass nur wenige Bereiche in die Drehung eingebunden sind. Die Halswirbel (deren Mobilität aber meist mehr als ausreichend ist) und dann vor allem die Brustwirbelsäule. Die Lendenwirbelsäule hingegen ist entgegen landläufigen Meinungen wenig drehfreudig. Ihre Gesamtrotation liegt bei gerade einmal 5 Grad.
Und wer dreht?
Es gibt zwei Möglichkeiten eine Drehung zu initiieren: Entweder wir nutzen die Kraft der Rumpfmuskulatur oder wir helfen mit Arm- und Schulterkraft nach. Hast du schon einmal hingespürt, was sich in dem einen und in dem anderen Fall in deinem Körper tut? Nutzen wir die Muskelkraft des Rumpfes, dann verkürzen die Muskeln derjenigen Seite, zu der wir uns drehen. Da die entgegengesetzte Seite nun exzentrisch kontrahieren und damit länger werden muss, kommt es irgendwann zu dem Punkt, an dem die verkürzende Seite gegen die Dehnung der exzentrisch arbeitenden Seite ankämpft. Das Ergebnis: Wir stärken die Rumpfmuskulatur, kommen aber keinen Zentimeter weiter in die Drehung. Suchen wir mehr Tiefe in der Drehung, sollten wir die Muskulatur des Rumpfes also eher entspannen, in den Bauch atmen und die Arme die Kraft für den Twist aufbringen lassen. Dann fühlt sich zwar der Twist nicht so intensiv an, ist jedoch rein faktisch betrachtet intensiver.
Beides kombinieren? Bitte Vorsicht!
Nun könnten wir auf die Idee kommen, beides miteinander zu kombinieren. Die Rumpfkraft zu nutzen und sie mit der Armkraft zu kombinieren. Begrenzt tut diese Technik gute Dienste, nutzen wir aber zu viel Elan oder setzen wir die Arme gar als Hebel ein, wird die Kraft nach unten an den Übergang zwischen Kreuzbein und Darmbein weitergegeben und wirkt ungünstig auf die nur wenig drehfähige Lendenwirbelsäule ein. Sitzt das Becken nicht ideal und ist in seinen Strukturen keine gute Grundstabilität gegeben, dann führt eine solche Technik gerne mal zu einer Blockade des Kreuzbein-Darmbein-Gelenks (ISG).
Fazit:
Zu Beginn einer Praxis sind leicht mobilisierende Drehungen gut geeignet, um das Gewebe auf die kommenden Belastungen vorzubereiten. Anschließend kann Kraft genutzt werden, um die Rumpfstabilität zu erhöhen und Drehungen optimal vorzubereiten. Streben wir später nach mehr Raum und Bewegungsfreiheit, sollten Drehungen eher mit mehr Entspannung ausgeführt werden. Auch im Anschluss an das Üben von Rückbeugen können entspannte und passive Drehungen ideal dazu beitragen, das Gewebe wieder zu lockern. Eines ist jedoch bei allen Twists zu beachten: Der Rücken bleibt gerade, das Becken jeweils auf beiden Seiten waagrecht geerdet!
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Im letzten Teil von Timos Kolumne ging es um die wichtigsten Prinzipien der Dehnung. Du findest den Artikel hier: